Menschen, die mit einem vor der Pandemie bekannten Coronavirus infiziert waren, entwickeln nur sehr selten einen schweren Covid-19-Verlauf. Das haben Forscher um Martin Dugas von der Universität München herausgefunden. Dass es eine sogenannte Kreuzimmunität im Zusammenhang mit Coronavirus-Infektionen geben könnte, hatten Forscher schon zu Beginn der Pandemie angenommen. Die Ergebnisse von zwei Untersuchungen liefern nun starke Hinweise darauf, dass diese tatsächlich existiert.
Weil die vier altbekannten Coronaviren mit den Bezeichnungen HCoV-229E, HCoV-NL63, HCoV-HKU1 und HCoV-OC43 genetische Ähnlichkeiten mit Sars-CoV-2 haben, hält der Körper nach einer Infektion damit Antikörper und T-Zellen bereit, die auch auf bestimmte Teile von Sars-CoV-2 reagieren. Eine vorausgegangene Infektion mit HCoV-OC43 zeigte sich als besonders hilfreich bei der Abwehr von Sars-CoV-2.
Blut auf Antikörper untersucht
Das Forscherteam hatte in einer ersten Untersuchung das Blut von 60 Covid-19-Patienten des Universitätsklinikums Münster untersucht. In einem zweiten Schritt wurden die Daten von 296 weiteren Patienten, die in Kliniken Deutschlands und Frankreichs wegen Covid-19 behandelt wurden, ausgewertet. Das Blut der Patienten wurde in beiden Fällen möglichst früh nach Beginn der Erkrankung entnommen.
Die Forschenden verglichen nun den Verlauf der Erkrankung mit dem Vorhandensein von Coronavirus-Antikörpern. Dabei zeigte sich: Besaßen die Patienten bereits Antikörper gegen ein oder mehrere der altbekannten Coronaviren, dann erkrankten sie wesentlich seltener schwer an Covid-19. Hatten die Patienten dagegen keine dieser Antikörper im Blut, verlief Covid-19 wesentlich häufiger schwer.
"Unsere daraus abgeleitete Empfehlung ist, dass OC43-Antikörper bei stationär aufgenommenen Covid-19-Patienten gemessen und als Teil der Risikobewertung betrachtet werden", sagte Professor Hartmut Schmidt, Direktor der Medizinischen Klinik B am Universitätsklinikum Münster laut einer Mitteilung der Universität.
Männer sind besonders gefährdet
Studienleiter Dugas ergänzt: "Patienten in der zweiten Lebenshälfte, insbesondere Männer ohne OC43-Antikörper, hatten generell ein deutlich erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf." Der Bioinformatiker fordert mit Blick auf die Daten, "die aktuelle Impfstrategie auf Personen ab 40 Jahren auszurichten".
Die Testung auf OC43-Antikörper sei mittels eines preiswerten kommerziellen Testes zuverlässig möglich. "Mit einer Blutprobe können wir innerhalb kurzer Zeit ein Ergebnis liefern", so Kühn. "Damit ist es kein Problem, diesen Parameter bei allen stationär aufgenommenen Patienten zu erheben." Am Universitätsklinikum Münster werden diese Tests bereits seit März für alle Covid-19-Patienten durchgeführt, um diese je nach Ergebnis sehr engmaschig zu überwachen.
Kontakt zu kleinen Kindern wird Vorteil
Die Idee, vorangegangenen Infektionen auf den Grund zu gehen, stammt unter anderem aus den Ergebnissen der im Frühjahr 2020 gestarteten Corona-Plasma-Studie des UKM mit 4010 Teilnehmern aus ganz Deutschland. "Unter den Personen mit mildem Covid-Verlauf hatten sehr viele Kontakte zu Kindern unter zehn Jahren", erklärte Studienleiter Schmidt. Daraus sei die Hypothese entstanden, dass eine sogenannte childhood-related infection, also zum Beispiel eine Erkältung, die Eltern und Pädagogen von Kindern weitergegeben bekommen, einen protektiven Effekt gegen Covid-19 haben kann.
Die Ergebnisse der beiden Untersuchungen wurden im "Journal of Clinical Virology" und im "International Journal of infectious Diseases" veröffentlicht.
Quelle: ntv.de, jaz
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