Die Geburtsstunde des FC Hollywood war auch die Zeit, als in München innerhalb nur einer Saison die Trainer-Legende Otto Rehhagel nach Strich und Faden demontiert wurde. Der Mann, der nach 14 erfolgreichen Jahren beim SV Werder Bremen das sogenannte "Dreamteam" des FC Bayern München um Oliver Kahn, Lothar Matthäus, Thomas Helmer, Ciriaco Sforza, Mehmet Scholl und Jürgen Klinsmann in eine neue, noch erfolgreichere Zukunft führen sollte, wurde kurz vor Ende der Spielzeit mit Schimpf und Schande aus der Stadt gejagt.
Ein unrühmlicher Abschied, der den damaligen Bayern-Verantwortlichen heute, 25 Jahre später, noch immer Kopfschmerzen bereitet. Und das völlig zurecht. Denn durch die vorzeitige Demission brachte man Otto Rehhagel um den verdienten Lohn seiner Arbeit - den Gewinn des UEFA-Pokals. Auch wenn einige Spieler von damals immer noch meinen, mit dem gebürtigen Essener an der Seitenlinie wäre es niemals zum erfolgreichen Abschluss der Saison gekommen. Doch genau diese Profis waren es auch, die zuvor mit ihrem Verhalten an der Demontage des früheren Werder-Coachs tüchtig mitgewirkt hatten.
Im Grunde hatte Otto Rehhagel eigentlich von Anfang an keine echte Chance in München. Und das lag im Wesentlichen an zwei Faktoren. Einerseits war es das Team des FC Bayern, das untereinander vor allem im Binnenverhältnis Matthäus/Klinsmann knirschte und andererseits war es die mächtige Boulevardpresse der Landeshauptstadt, die Rehhagel schwer zu schaffen machte. Und dazwischen agierte dann auch noch der damalige Präsident des FC Bayern, Franz Beckenbauer, äußerst unglücklich - um es vorsichtig auszudrücken.
Kleiner Nadelstich im sportlichen Wettstreit
Begonnen hatte das ganze Dilemma allerdings schon am letzten Spieltag der Vorsaison. Der SV Werder Bremen hätte mit seinem scheidenden Coach in München gewinnen müssen, um sicher vor Borussia Dortmund die Deutsche Meisterschaft zu erringen. Doch die zukünftigen Spieler von Otto Rehhagel taten ihrem baldigen Trainer diesen Gefallen nicht. Viel mehr verabschiedeten sie ihren Coach Giovanni Trapattoni ehrenvoll mit einem 3:1-Sieg zurück nach Italien. Und so holte der BVB vor Werder und Rehhagel die Meisterschaft. Es war zwar nur ein kleiner Nadelstich im sportlichen Wettstreit um die Vorherrschaft in der Kabine, den die Bayern-Spieler da ihrem neuen Trainer verpassten, aber zugleich auch ein erster Vorgeschmack auf das, was da noch kommen sollte.
Und auch die Boulevardpresse schonte den früheren Erfolgscoach gleich von Beginn an nicht. Viel mehr lernte Otto Rehhagel die Münchner Presselandschaft in ihrer vollen Breitseite gleich sehr schnell kennen. Denn als enttarnt wurde, dass an seinem Klingelschild in der Schwabinger "Casa Schellissima" nicht Rehhagel, sondern "Rubens" stand, titelten die Boulevardblätter spöttisch: "Vom Malermeister zum Meistermaler". Natürlich lasen auch die Bayern-Profis die Schlagzeile und nannten ihren Übungsleiter ab sofort nur noch "Rubens". Die Kratzer an Rehhagels Autorität hätte selbst ein Meistermaler wie der flämische Barockkünstler nicht übertünchen können.
Und auch die legendäre Geschichte von einer Pressekonferenz, auf der der gelernte Maler und Lackierer Rehhagel angesäuert gemeint hatte, er würde ab sofort nur noch Fachfragen beantworten, stammt aus dieser Münchener Saison. Damals reagierte ein Zeitungsredakteur geistesgegenwärtig und fragte den Bayern-Trainer spitzfindig: "Herr Rehhagel, ich ziehe bald um. Wie viel Farbe brauche ich für ca. 70qm?" Das saß!
Rehhagel, ein "Wahnwitziger"
Und dann war da eben auch noch Präsident Franz Beckenbauer, der von außen über die Medien immer wieder direkt und indirekt gegen seinen Trainer stichelte. Schon vor der Saison hatte er die Messlatte für Rehhagel betont hochgelegt, als er meinte, er würde ab sofort gerne wieder "schönen Fußball" vom FC Bayern sehen wollen. Doch Rehhagel stand zu dieser Zeit für vieles, aber sicherlich nicht für attraktiven Fußball über die Dauer einer ganzen Spielzeit. Festabende mit vielen Toren wechselten sich stets ab mit nüchtern herausgespielten Ergebnissen. Und so startete der FC Bayern zwar mit sieben Siegen (damals ein Rekord) in die Saison, doch das war Franz Beckenbauer nicht genug. Er verunglimpfte lautstark in den Medien das Team als "Schülermannschaft", watschte intern Rehhagel als "Wahnwitzigen" ab und meinte schließlich live "On air" maximal schlagzeilenträchtig: "Die sollen froh sein, dass ich nicht mehr ihr Trainer bin."
Als dann auch noch der Start in die Rückrunde misslang - zu Hause setzte es eine deutliche 1:4-Klatsche gegen den KSC -, brachte Markus Babbel das, was alle sahen, mit einer mathematisch interessanten Feststellung auf den Punkt: "In der Truppe stimmt es überhaupt nicht. Im Vergleich zur Vorrunde fehlen uns 100 Prozent!" Und so überraschte es am Ende niemanden mehr, als der FC Bayern, punktgleich mit dem Tabellenführer BVB, der allerdings noch ein Spiel ausstehend hatte, nach der 0:1-Niederlage am 30. Spieltag gegen Hansa Rostock seinen Trainer Otto Rehhagel entließ. Karl-Heinz Rummenigge: "Der Zeitpunkt war gekommen, da wir reagieren mussten!"
Die Nachfolge war schnell geregelt - schließlich hatte sich der "Kaiser" ja bereits wenige Monate zuvor selbst ins Gespräch gebracht. Und so absolvierte Franz Beckenbauer am 01. Mai 1996 gleich das Hinspiel gegen Girondins Bordeaux im Finale des UEFA-Pokals. Den Wettbewerb, den er kurz zuvor übrigens noch als "Cup der Verlierer" auf alle Ewigkeit hin diskreditiert hatte. Vor 63.000 Zuschauern im Münchener Olympiastadion schlug der FC Bayern den Klub aus Frankreich nach Toren von Thomas Helmer und Mehmet Scholl mit 2:0.
Vierzehn Tage später holten die Bayern dann nach einem erneuten Sieg die Trophäe nach München. Der Titel wurde Franz Beckenbauer gutgeschrieben - und nicht Otto Rehhagel, der sich zuvor mit seiner Mannschaft durch all die Runden gekämpft hatte. Eine Sache, die nicht nur den damaligen Bayern-Verantwortlichen heute noch immer Kopfschmerzen bereitet. Auch Otto Rehhagel selbst hat Franz Beckenbauer und Co. die umstrittene Entscheidung lange nicht verziehen. Doch der Mann über den Christian Ziege damals sagte, dass er "charakterlich zu gut für den Job" in München gewesen sei und daran gescheitert wäre, weil er "nie durchgegriffen habe", revanchierte sich sportlich. Nur zwei Jahre später zeigte er es mit dem Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern den Bayern. Am Ende der Spielzeit 1997/98 stand sein Team vor den Münchenern und holte überraschend die Deutsche Meisterschaft. Franz Beckenbauer soll ehrlich und aus vollem Herzen gratuliert haben.
Quelle: ntv.de
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