Für viele Deutsche in London ist es ein Stück Heimat, für immer mehr Briten eine neue Genusserfahrung: Brot nach deutschem Rezept sorgt vor Bäckereien im Königreich für lange Schlangen. "'Deutsches' Brot ist trotz Brexits weiter im Aufwind, denn über die letzten Jahre haben auch viele Supermarktketten Backstuben in ihre Märkte integriert", sagt Ulrich Hoppe, Chef der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer in London.
Ob Asda, Sainsbury's, Tesco oder Marks & Spencer - keine große britische Handelskette verzichtet auf "German Style Bread", die deutschen Wettbewerber Aldi und Lidl ohnehin nicht. Die Toast-Nation wird zur Roggen-Liebhaberin. Zahlen will niemand nennen, aber die Verkäufe können sich sehen lassen, ist zu hören. "Nicht nur die Einwanderung aus Mittel- und Osteuropa in den letzten Jahrzehnten hat einen Nachfrageschub erzeugt, auch viele britische Konsumenten wissen mittlerweile die Vielfalt des Angebotes von unterschiedlichen Backwaren zu schätzen", sagt Hoppe.
Von der gestiegenen Nachfrage profitieren auch deutsche Bäcker, auch bei Edinburgh in Schottland gibt es einen Laden. Im Südwesten von London bietet Petra Braun deutsches Brot an. Gemeinsam mit ihrem Partner Peter Wengerodt betreibt sie den Delikatessenladen "Hansel & Pretzel", Brot gehört zu den beliebtesten Produkten. "Im Grunde hatten wir Glück", erzählt Braun. Als sie 2009 ihr Geschäft öffnete, erlebte "artisan food" - das sind nach alter Handwerkskunst hergestellte Lebensmittel - einen Boom.
Prinz Charles und die "Pretzel"
Mit dem beliebten TV-Koch Paul Hollywood als Juror wurde die Fernsehshow "The Great British Bake Off" populär und heizte das Interesse an Backwaren weiter an. Mittlerweile gibt es auch viele britische Bäckereien, die auf "artisan" setzen und Sauerteig verwenden. Aber letztlich sei es doch sehr weizenlastig, sagt Braun. "Wir haben eine andere Vielfalt, von 100 Prozent Weizen bis hin zu dunklen Vollkornbroten." Mittlerweile ist das Geschäft fest in der Gemeinde verankert, 2014 kam sogar Thronfolger Prinz Charles vorbei und bekam von Petra Braun eine überdimensionale Brezel (Englisch: Pretzel) in die Hand gedrückt.
Geholfen hat anfangs die große Zahl Deutscher, die wegen der nahen Deutschen Schule im Bezirk Richmond leben. Das hat sich geändert. "Anfangs waren es etwa drei Viertel Deutsche und ein paar wagemutige Engländer. Jetzt ist es eher fifty-fifty", erzählt Braun. Doch Unterschiede gibt es nach wie vor: "Deutsche Kunden wissen, welches Brot sie wollen. Engländer lassen sich überraschen, tendenziell greifen sie aber eher zu helleren Broten."
Auch Tanja Gugger hat beobachtet, dass die Briten mittlerweile recht experimentierfreudig sind. Nur rund zehn Gehminuten von "Hansel & Pretzel" entfernt hat sie ihre Bäckerei "Swiss Bread" eröffnet. Hier bietet sich dasselbe Bild - lange Schlangen, auch bei britischem Schmuddelwetter. Aber noch eines verbindet Gugger und Braun: Der Brexit drückt auf die Gewinne. "Seit dem Brexit dauern Lieferungen nach Großbritannien etwas länger und es fallen höhere Zollgebühren an", sagt Gugger. Zwar backen beide Geschäfte ihr Brot vor Ort. Doch die allermeisten Zutaten kommen aus Deutschland oder im Fall von "Swiss Bread" aus der Schweiz.
Stundenlange Zollerklärungen
"Natürlich versuchen wir, so viel wie möglich in England zu bekommen", sagt Braun. Bei Hefe gehe das noch, aber schon beim Weizenmehl gebe es Probleme. Denn es geht um den Geschmack. "Weizenmehl in Großbritannien kommt oft aus Kanada, dort wird ein anderer Klebeanteil verwendet", erklärt Braun. "Das wird dann einfach anders." Ihre Bäcker, die in Deutschland gelernt haben, sind da genau. "Die Grundidee ist: Es soll schmecken wie in Deutschland."
Der Import der Brotzutaten an sich ist seit dem endgültigen britischen EU-Austritt zwar nicht schwieriger geworden. Andere Artikel, die Braun anbietet, sind da komplizierter: Manche wie Zwiebelmettwurst oder Harzer Käse bleiben ganz aus - denn es ist zu aufwendig, die geforderten Ursprungsnachweise zu erbringen. Aber auch für Mehl und Co. gilt: "Es ist ein irrer Aufwand." Vor allem die Vorbereitung der Zollerklärungen nehme nun Stunden ein, sagt Braun: "Es ist nicht nur drei Mal teurer, sondern der zeitliche Aufwand ist mindestens drei Mal so hoch."
Quelle: ntv.de, Benedikt von Imhoff, dpa
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