Nichts stoppt bisher die Eskalation in Nahost

  19 Mai 2021    Gelesen: 431
Nichts stoppt bisher die Eskalation in Nahost

Militante Palästinenser feuern Raketen auf israelische Städte, Israels Armee bombardiert den Gazastreifen - in der zehnten Nacht in Folge werden die beiderseitigen Angriffe fortgesetzt. Der UN-Sicherheitsrat kann sich derweil immer noch nicht zu einer gemeinsamen Resolution durchringen.

Die internationale Gemeinschaft verstärkt ihre diplomatischen Bemühungen um ein Ende der Gewalt im Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern. "Priorität hat der sofortige Stopp aller Gewalt und die Umsetzung einer Waffenruhe", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach Beratungen der EU-Außenminister am Dienstag. Der UN-Sicherheitsrat konnte sich auch auf seiner vierten Dringlichkeitssitzung nicht auf eine gemeinsame Erklärung zu dem Konflikt einigen.

Die internationalen Appelle für eine Waffenruhe blieben ungehört, auch in der Nacht zum Mittwoch setzen beide Seiten ihre Angriffe mit unverminderter Härte fort. Die israelische Luftwaffe bombardierte erneut den Gazastreifen. Häuser mehrerer Hamas-Kämpfer, die als Kommandozentren oder Waffenlager genutzt gedient hätten, seien zerstört worden, erklärte das israelische Militär. Am frühen Mittwoch beschoss die israelische Artillerie auch Ziele im südlichen Gazastreifen, wie Augenzeugen berichteten.

Militante Palästinenser feuerten Raketen auf die Städte Aschdod, Aschkelon und Beerscheba ab, Tausende Menschen suchten dort in Luftschutzkellern Zuflucht. Zusammenstöße flammten auch im besetzten Westjordanland auf. Die Fatah-Bewegung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Dienstag einen "Tag des Zorns" ausgerufen.  Nach Angaben des Militärs erschossen israelische Streitkräfte einen Palästinenser, der sie mit einem Gewehr und improvisiertem Sprengstoff angreifen wollte. Ein weiterer Palästinenser wurde von israelischen Streitkräften bei einer Demonstration im Westjordanland getötet, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Das Militär erklärte, die Soldaten seien unter Beschuss geraten und hätten zurückgeschossen. Bei einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen wurden nach Polizeiangaben in der Region Eschkol im Süden Israels zwei Menschen getötet.

Mehr als 150 Menschen in Jerusalem und im Westjordanland mussten dem palästinensischen Roten Halbmond zufolge unter anderem wegen Schusswunden behandelt werden. Nördlich von Ramallah wurden nach Angaben der israelischen Armee zudem zwei israelische Soldaten bei einem Angriff verletzt.

Bislang 229 Tote und zahlreiche Verwundete

Israel hat angekündigt, die Offensive gegen die Hamas und den Islamischen Dschihad fortzusetzen. Ein israelischer Militärsprecher erklärte, die Gruppen hätten mit geschätzten 12.000 Raketen und Mörsergranaten "immer noch genug Raketen zum Feuern". Die gegenseitigen Angriffe gehen damit nun in den zehnten Tag in Folge. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern war Anfang vergangener Woche massiv eskaliert. Einer der Auslöser war die drohende Zwangsräumung palästinensischer Wohnungen in Ost-Jerusalem.

Laut der israelischen Armee wurden von der im Gazastreifen herrschenden Hamas und anderen radikalen Palästinensergruppen seit Ausbruch der Kämpfe mehr als 3450 Raketen auf Israel abgefeuert. Das Militär habe mit Luftangriffen und Artilleriefeuer etwa 160 Extremisten getötet. Die Behörden im Gazastreifen sprechen von 217 getöteten Palästinensern, darunter 63 Kinder. Mehr als 1400 Menschen seien verwundet worden. In Israel sind den Behörden zufolge zwölf Menschen getötet worden, darunter zwei Kinder.

Dringlichkeitssitzung endet ergebnislos

Staats- und Regierungschefs aus aller Welt appellierten zuletzt immer eindringlicher an die Konfliktparteien, ein Ende der Gewalt herbeizuführen. Die EU-Außenminister forderten nach Beratungen am Dienstag eine Waffenruhe und kritisierten die hohe Zahl ziviler Opfer als "inakzeptabel". Ungarn trug die gemeinsame Erklärung der EU-Außenminister allerdings als einziges Land nicht mit. Bundeskanzlerin Angela Merkel beriet am Dienstag mit dem jordanischen König Abdullah II. über den Konflikt. Beide seien sich einig gewesen, "dass Initiativen für einen zügigen Waffenstillstand unterstützt werden sollten", sagte Merkels Sprecher nach der Videokonferenz.

Ein Endes der Gewalt scheint jedoch nicht in Sicht. "Wir werden so lange weitermachen wie nötig, um den Bürgern Israels die Ruhe zurückzubringen", sagte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu am Dienstag beim Besuch eines Luftwaffenstützpunkts. Die Hamas habe "Schläge erhalten, mit denen sie nicht gerechnet hat". Die Palästinenserorganisation sei "um Jahre zurückgeworfen" worden.

Der UN-Sicherheitsrat konnte sich am Dienstag auch auf der vierten Dringlichkeitssitzung in acht Tagen nicht auf eine gemeinsame Stellungnahme zum Nahost-Konflikt einigen. Die Erklärung scheiterte nach Diplomatenangaben erneut am Widerstand Washingtons, das eine Verurteilung seines Verbündeten Israel ablehnt. Der palästinensische Gesandte bei der UNO, Riyad Mansour, bezeichnete dies als "beschämend" und bat die UNO, einen dringenden Appell für humanitäre Hilfe für die Bevölkerung im Gazastreifen zu starten.

Israel hatte am Dienstag einen Übergang in den Gazastreifen, der für humanitäre Lieferungen von internationalen Organisationen geöffnet worden war, wieder geschlossen. Als Grund gaben die israelischen Behörden an, dass der Übergang Kerem Schalom beschossen worden sei. Beobachter befürchten eine humanitäre Katastrophe im bitterarmen Gazastreifen. Nach UN-Angaben wurden durch die jüngste Gewalteskalation 58.000 Palästinenser vertrieben, 2500 wurden obdachlos.

Quelle: ntv.de, ino/AFP/rts


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