Nein, die ganz großen Entscheidungen standen am Nachmittag in Dortmund nicht mehr an: Borussia Dortmund hatte schon vorher eine schwierige noch zu einer sehr guten Saison gemacht, Bayer Leverkusen spielt wieder international. Und doch hatte auch das Duell im Stadion des BVB ganz große Emotionen zu bieten. Auch, wenn es tabellarisch um nichts mehr ging. Vielleicht auch gerade deswegen.
Schon vor dem Spiel wurde Dortmunds Dauerbrenner Lukasz Piszczek verabschiedet. Nach elf Jahren im BVB-Trikot bestritt der in der Revierstadt als Kultfigur verehrte 35 Jahre alte Außenverteidiger gegen Leverkusen sein letztes Bundesliga-Spiel. Zu Ehren des polnischen Musterprofis waren auf der leeren Südtribüne ein überdimensionales BVB-Trikot mit der Nummer 26 und diverse Spruchbänder zu sehen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, Sportdirektor Michael Zorc und Lizenzspielerchef Sebastian Kehl überreichten Piszczek unter dem Beifall seiner Mitspieler vor der Partie einen Blumenstrauß mit der Aufschrift "Für immer einer von uns". Emotional, verdient. Als Piszczek in der 75. Minute ausgewechselt wurde, stellten sich die Mannschaftskameraden zum Spalier auf und applaudierten.
Bürki macht mit beim großen Moment
Dann aber, nachdem es 3:0 stand und das Spiel längst entschieden war, war es Zeit für die Ehrung der Gäste, denn am Nachmittag endeten auch andere große Karrieren: Zunächst bekamen die Zwillinge Sven und Lars Bender ihre Würdigung auf der ganz großen Bühne. Die beiden 32-Jährigen beenden gemeinsam ihre Laufbahn, jeweils nach zahlreichen Verletzungen. Als Schiedsrichter Manuel Gräfe spät nach einem Foul von Emre Can an Patrick Schick einen Elfmeter pfiff, nutzte Leverkusens Trainer Hannes Wolf die Gelegenheit, holte den Ex-Dortmunder Sven vom Feld und brachte Lars. Und schickte ihn direkt zum Punkt.
Und Dortmunds Torhüter Roman Bürki machte den großen Moment nicht kaputt, im Gegenteil: Der Schweizer machte keine Anstalten, den Strafstoß ernsthaft halten zu wollen. Stattdessen gratulierte Bürki hinterher dem scheidenden Bender, der in seinem 255. Bundesligaspiel sein 21. Tor erzielte. Das letzte.
Kurios wurde es noch etwas später, nach dem Abpfiff nämlich. Der war, wenn nicht ein Wunder passiert, die letzte Amtshandlung in der großen Karriere von Schiedsrichter Manuel Gräfe. Selten ist es, dass sich zahlreiche Spieler, Fans und Funktionäre mit einem Schiedsrichter solidarisieren. Aber dass Gräfe weitermacht, das wollten wirklich ganz viele Protagonisten der Szene. Vergebens, Gräfe, einer der besten deutschen Referees überhaupt, hat die Altersgrenze überschritten, die der DFB für seine Schiedsrichter gezogen hat.
Der 47-Jährige hätte selbst gerne weitergemacht, stattdessen ist nach 289 Bundesligaspielen in 17 Jahren Schluss. Was sie von dem 1,97-Meter-Hünen halten, machten sie dann am Samstagnachmittag noch deutlich: Gemeinsam schickten die Spieler beider Mannschaft den Berliner durch ein Spalier, gemeinsam mit seinen Kindern und seiner Frau. Dortmunds Superstar Erling Haaland posierte für ein gemeinsames Erinnerungsphoto.
"Eigentlich ein Witz"
In den vergangenen Wochen hatten sich Spieler, Trainer und Manager dafür ausgesprochen, dass für Gräfe eine Ausnahme von der strikten Altersregel gemacht wird. Erst am Freitag reihte sich BVB-Sportchef Michael Zorc "gern ein in die große Schar von Verantwortlichen, Trainern, Spielern und Fans, die den DFB bitten möchte, das eigene Handeln zu reflektieren. Dass einer der angesehensten Schiedsrichter Deutschlands gegen den Widerstand der breiten Masse nur deshalb in den Zwangsruhestand geschickt wird, weil sein Alter irgendwann um Mitternacht von 47 auf 48 schaltet, halte ich für wenig professionell. Eigentlich ist es ein Witz."
Zorc hofft auf einen Sinneswandel beim DFB: "Ich würde mich freuen, wenn die morgige Verabschiedung in Dortmund vom DFB wieder einkassiert werden könnte. Es wäre eine der besseren Entscheidungen des Verbandes und ein Zeichen, dass man in Frankfurt auf die Menschen hört." Dies lehnt der Deutsche Fußball-Bund ab.
"Tendenziell glaube ich eher nicht", sagte Gräfe selbst zu den Chancen, dass für ihn doch noch eine Ausnahme gemacht wird. Die einstigen Weltmeister Mats Hummels und Thomas Müller würdigten Gräfe. Hummels lobte dessen ruhige Art: Gräfe versuche nicht, sich in den Vordergrund zu stellen, sondern sehe das Spiel. Bayern-Profi Müller fügte hinzu: "Lieber Manuel, es war mir eine Ehre, bis dann."
Quelle: ntv.de
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