Während die einen versuchen, den einstigen Bestseller im Kompaktwagensegment, den VW Golf, als elektrisches Pendant in Form des ID.3 in den Markt zu drücken, rücken die anderen den Marken-Claim in den Mittelpunkt ihrer E-Offensive und bringen eine stromernde Fahrmaschine an den Start, die elektrisieren soll. Die Rede ist vom BMW i4, bei dem die Bayern versprechen, dass er nicht nur in den Bereichen Fahrdynamik und Langstreckenkomfort, sondern auch "mit kompromissloser Premium-Qualität bei der Materialauswahl und der Verarbeitung neue Maßstäbe" setzen wird.
Nun lässt sich in diesem ersten Fahrbericht nur wenig darüber sagen, denn auf dem Testgelände in Maisach standen nur getarnte Vorserienfahrzeuge zur Verfügung, deren Innenraum mit schwarzem Filztuch überklebt war, so dass wirklich nicht der kleinste Blick auf die zu erwartende Premium-Qualität zu erheischen war. Eigentlich auch nicht schlimm, denn so konnte sich der Autor ganz auf das andere Versprechen konzentrieren, die "Freude am Fahren". Und die versprachen eigentlich auch schon die technischen Daten der zwei Protagonisten, mit denen BMW in Kürze an den Start gehen wird.
Typisch BMW
Da ist zum einen der i4 eDrive40, der mit einem 340 PS starken Elektromotor antritt, der seine 430 Newtonmeter BMW-typisch auf die Hinterachse wuchtet und eine Reichweite von bis zu 590 Kilometern haben soll. Der zweite Spieler auf dem Gelände der Driving Academy ist der i4 M50. Ja, die Kenner ahnen es, hier haben die Ingenieure der M GmbH, also der Sportabteilung von BMW, ein gewichtiges Wörtchen mitgeredet. Zwei E-Motoren generieren eine Gesamtleistung von 544 PS und liefern ein maximales Drehmoment von 795 Newtonmetern, das an alle vier Räder weitergereicht wird. Zudem soll der Wagen mit einer Batterieladung bis zu 510 Kilometer weit fahren.
Die E-Kraftwerke haben die Bayern übrigens selbst entwickelt und folgen einer eigenständigen Konstruktion, die sich grundsätzlich von den Mitbewerbern unterscheidet. Die E-Triebwerke von BMW arbeiten nach dem Prinzip einer stromerregten Synchronmaschine (ESM). Hier wird der Rotor nicht von fest installierten Magneten in Bewegung gesetzt, sondern durch die Zufuhr elektrischer Energie. Der Vorteil ist nicht nur, dass hier auf seltene Erden verzichtet werden kann, die Konstruktion sorgt auch für ein extrem niedriges Geräusch- und Schwingungsniveau. Zudem steht das maximale Drehmoment unmittelbar aus dem Stand in vollem Umfang zur Verfügung und wird - und das ist der entscheidende Unterschied zu anderen E-Motoren - über ein besonders breites Drehzahlband hinweg aufrechterhalten.
Ab geht die Luzie
Bringen wir das Ganze in Leistungsdaten zu Papier, dann benötigt der i4 eDrive40 5,7 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100, der M50 schafft es im Sport-Boost-Modus sogar in 3,9 Sekunden. Und wer hier mal so richtig aus dem Startblock schnippen möchte, der macht das wie bei einem Verbrenner mit Launch Control: linken Fuß aufs Bremspedal, mit dem rechten das E-Pedal durchdrücken. Jetzt spannen die beiden Antriebseinheiten vor, was sich nicht durch ein Aufheulen des Motors ob erhöhter Drehzahl, sondern durch Vibrationen im Wagen darstellt. Und nun Bremse lösen und ab geht die Luzie.
In beiden Fahrzeugen sorgt übrigens eine mit 110 Millimetern außergewöhnlich flache Hochvoltbatterie, die wie gewohnt in Unterflurbauweise zwischen den Achsen untergebracht ist, für eine deutliche Absenkung des Fahrzeugschwerpunkts. Und tatsächlich wirkt sich das in Verbindung mit einer exzellenten Dämpferabstimmung ausgesprochen positiv auf die Agilität beider Fahrzeuge aus. Beachtlich ist, dass selbst bei kurz aufeinanderfolgenden Bodenwellen kein Aufschwingen der trägen Masse im Unterboden zu erkennen ist. Beide Modelle bleiben extrem kurvenstabil und ohne jeden Versatz. Wenngleich der i4 eDrive40 mit seinem Heckantrieb etwas deutlicher in den Kurven schiebt, was aber nur mehr an das gewohnte BMW-Fahrgefühl erinnert.
Mit Allrad länger stabil
Grund für dieses Fahrverhalten sind auch die serienmäßig in beiden Modellen verbauten hubabhängig agierenden Stoßdämpfer, eine Luftfederung an der Hinterachse und die auch in den i4-Modellen extrem zielgenau arbeitende elektromechanische Lenkung. Natürlich lässt der i4 M50 mit seinem modellspezifisch abgestimmten adaptiven M-Fahrwerk, spezifischen Stabilisatoren und einer zusätzlichen Federbein-Domstrebe im Vorderwagen sowie der Sportlenkung noch etwas mehr zu als der kleine Bruder. Im Zusammenspiel mit dem vollelektrischen Allradantrieb, der Sportbremsanlage und der Mischbereifung können hier deutlich höhere Geschwindigkeiten in den Kurven aufgebaut werden. Und auch beim Wedeln um die Pylonen bleibt der M50 länger stabil.
Tatsächlich erstaunlich ist, dass die gesamte Abstimmung der Fahrwerkskomponenten bei beiden Modellen einem nie dieses Ziehen des Batteriegewichts aus der Mitte des Wagens heraus vermittelt hat. Egal, wie man die Bayern um die Kurve trieb, das Gewicht schob nicht über die Räder oder in die Kurve, wie das bei anderen E-Autos der Fall ist. Auch ein Beweis dafür, dass die Achslast ganz souverän ausbalanciert wurde. Der Schwerpunkt liegt übrigens beim i4 M50 um 34 Millimeter und beim eDrive40 um 53 Millimeter tiefer als bei einer 3er-Limousine.
Länger Fahrspaß durchs Bremsen
Nun geht es aber bei einem 4,78 Meter langen Fahrzeug nicht primär um die Fahrt auf dem Rundkurs, sondern auch um die Überwindung von längeren Distanzen. Mit über 500 Kilometern Reichweite bieten sich hier ja beide BMW-Modelle an. Zumal der Kofferraum mit 470 Litern auch entsprechend Ladegut zu schlucken verspricht. Und natürlich kann man beide Luxusstromer im Comfort-Modus bewegen und ohne jedes Motorengeräusch über die Straßen gleiten. Zwar hat BMW in Zusammenarbeit mit dem Filmkomponisten Hans Zimmer einen Sound kreiert, aber der ist, jedenfalls was den Eindruck des Autors betrifft, etwas Moll-lastig und insofern im Wesentlichen verzichtbar. Wesentlich mehr Spaß macht es, das Fahrvergnügen in absoluter Stille zu verbringen.
Um das Fahrvergnügen so lange wie möglich am Rollen zu halten, stellt BMW zwei Formen der Rekuperation zur Wahl: eine adaptive, die mithilfe der Fahrdaten, des Navis und entsprechender Sensoren der Fahrassistenzsysteme auf den Verkehr reagiert und so Brems- und Rollenergie in den Akku zurückführt. Die andere ist durch den Piloten individuell einstellbar. Hier kann er eine hohe, mittlere oder niedrige Bremsenergierückgewinnung anordnen und demnach selbst das Maß für die Dosierung der Bremse bestimmen. Die maximale Rekuperationsleistung beträgt im eDrive40 übrigens 116 kW, im M50 sind es sogar 195 kW. Interessant war bei der Ausfahrt mit den Prototypen, dass sich die Reichweite bei konsequentem Einsatz tatsächlich wieder erhöhte.
160 Kilometer in zehn Minuten?
Nun ist es aber so, dass selbst bei vorsichtigster Fahrt der Akku in einem E-Auto irgendwann schlappmacht und an die Dose muss. Da beide Modelle über ein sogenannte "Combined Charging Unit" verfügen, ist theoretisch an einer 200-kW-Station in nur zehn Minuten genug Energie im Akku, um weitere 160 Kilometer mit dem eDrive40 und 140 mit dem M50 bewältigen zu können.
Wird die Hochvoltbatterie hingegen an einer herkömmlichen Haushaltssteckdose oder einer Wallbox aufgeladen, kann dazu Wechselstrom (AC) aus ein- oder dreiphasigen Netzanschlüssen genutzt werden. Was nichts anderes heißt, als dass eine Ladeleistung von bis zu 11 kW eingespeist wird. Allerdings braucht es dann bei einem vollständig entleerten Energiespeicher gut 8,5 Stunden, bis er wieder voll ist.
Damit unterwegs den Reisenden nicht plötzlich und unerwartet der Strom ausgeht, bietet das BMW-Navi natürlich die Möglichkeit, auf der Strecke entsprechende Ladestationen zu finden, die dann auch garantieren, dass es nur zu den nötigsten Verzögerungen bis zum Ziel kommt. Ob dann in der Realität alle Stromtankstellen funktionieren, ob sie frei sind und kompatibel, muss die Realität erbringen. Fakt ist, dass im Angebot von BMW Charging mehr als 200.000 öffentliche Ladepunkte von 500 Anbietern hinterlegt sind. Allein für Deutschland sind das 33.000 Ladepunkte.
Quelle: ntv.de
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