Abdeslam soll Sprengstoffgürtel weggeworfen haben

  20 März 2016    Gelesen: 843
Abdeslam soll Sprengstoffgürtel weggeworfen haben
Der mutmaßliche Paris-Attentäter behauptet, es sich bei seinem Selbstmordanschlag anders überlegt zu haben. Frankreich fordert seine Auslieferung binnen 60 Tagen.
Salah Abdeslam wollte sich laut der französischen Staatsanwaltschaft bei den Angriffen in Paris in die Luft sprengen. Das habe er nach seiner Festnahme am Freitag in Brüssel den belgischen Ermittlern gesagt, teilte der Pariser Staatsanwalt François Molins mit.
Nachdem er die anderen Attentäter, darunter seinen Bruder Brahim, zu Anschlagsorten gefahren hatte, soll er jedoch seinen Sprengstoff weggeschmissen haben. Er selbst sei am Stade de France gewesen, wo das Länderspiel Deutschland gegen Frankreich stattfand. Die Ermittler gehen nach Behördenangaben inzwischen zweifelsfrei davon aus, dass der zehn Tage nach den Anschlägen vom 13. November im Pariser Vorort Montrouge gefundene Sprengstoffgürtel - wie zunächst nur vermutet - tatsächlich von Abdeslam abgelegt wurde.

Zuvor hatte Staatsanwalt Molins darauf verwiesen, dass Abdeslams erste Aussagen "mit Vorsicht" behandelt werden müssten. Außerdem würden sie eine Reihe von Fragen aufwerfen, "zu denen Salah Abdeslam sich nun erklären werden muss".

Am späten Abend informierte Molins über den aktuellen Kenntnisstand der Staatsanwaltschaft. Demnach habe man wichtige Erkenntnisse zu Abdeslams "zentrale Rolle" bei den Attentaten gewonnen. Dem Staatsanwalt zufolge war Abdeslam an der Ankunft von "Terroristen in Europa" beteiligt. Dazu hätten mehrere Aufenthalte in Italien, Griechenland, Ungarn, Österreich, Deutschland, den Niederlanden und in Frankreich im vergangenen Sommer und Herbst gedient.

Bei mehreren Aufenthalten sei er kontrolliert worden, unter anderem 9. September mit zwei Begleitern an der ungarisch-österreichischen Grenze. Einer von ihnen sei wahrscheinlich der Verdächtige, der am Dienstag bei einem Einsatz der belgischen Polizei im Brüsseler Vorort Forest getötet worden sei, sagte Molins. Der zweite Begleiter sei weiterhin flüchtig.

Der 26 Jahre alte Abdeslam, aufgewachsen in Brüssel und französischer Staatsbürger, wurde am Freitag in Belgien inhaftiert. Auch ein mutmaßlicher Komplize sowie drei Menschen, die ihnen Unterschlupf gewährt haben sollen, wurden festgenommen. Der Franzose marokkanischer Abstammung, nach dem vier Monate lang gefahndet wurde, soll an den Pariser Anschlägen vom November beteiligt gewesen sein, bei denen 130 Menschen starben. Er soll dabei eine entscheidende Rolle gespielt und vor allem logistische Hilfe geleistet haben.

Frankreich drängt auf eine schnelle Auslieferung Abdeslams. Nach Angaben der Regierung in Paris müsse spätestens in 60 bis 90 Tagen über seine Überstellung nach Frankreich entschieden werden, da gegen Abdeslam ein europäischer Haftbefehl vorliege. Deshalb sei das Verfahren "einfacher und effizienter als die Auslieferung", sagte der französische Justizminister Jean-Jacques Urvoas.

Abdeslam in Belgien wegen Mord angeklagt

Abdeslam wehrt sich nach seiner Festnahme gegen die drohende Auslieferung. "Wir werden die Auslieferung ablehnen", sagte sein Verteidiger Sven Mary. Sein Mandant gebe aber zu, am 13. November in Paris gewesen zu sein und kooperiere mit der belgischen Justiz. Die belgische Staatsanwaltschaft hat bereits Anklage gegen Abdeslam wegen Mittäterschaft an terroristischen Morden erhoben.

Der belgische Premier Charles Michel deutete an, gegen das Auslieferungsgesuch Frankreichs gebe es keine politischen Einwände. Wegen rechtlicher Regelungen könne es aber noch einige Wochen dauern.

Erleichtert über die Festnahme zeigte sich Abdeslams Familie. Die Anwältin seines Bruders Mohammed sagte im belgischen Fernsehen, ihr Mandant wolle im Namen seiner Familie die Botschaft übermitteln, dass alle ein "Gefühl der Erleichterung" verspürten. In erster Linie fühle die Familie so, weil Abdeslam lebend gefasst wurde, sagte Nathalie Gallant dem Sender RTBF. "Das war eine ihrer Hoffnungen."

Spur der Attentäter führt nach Ulm

Ebenfalls erleichtert, allerdings aus anderen Gründen, zeigten sich mehrere Vertreter der Opfer der Pariser Anschläge. Nun sei ein "wirklicher Prozess" gegen einen Verdächtigen möglich, der zweifellos an den Attacken beteiligt gewesen sei, sagte Georges Salines, der eine Gruppe von Überlebenden und Angehörigen vertritt. Andere versprechen sich von einem Prozess auch einen Einblick in das Denken junger Menschen, die sich derart radikalisierten.

Nach der Ergreifung von Abdeslam wird nun noch nach zwei Verdächtigen gefahndet, die an den Anschlägen beteiligt gewesen sein sollen. Einer von ihnen ist Mohamed Abrini, der andere Soufiane Kayal, allerdings ist dessen Identität nicht genau geklärt. Die internationale Polizeibehörde Interpol rief alle Mitgliedsländer zu erhöhter Wachsamkeit bei Grenzkontrollen auf, um eine Flucht möglicher Komplizen zu verhindern. Frankreich verstärkte die eigenen Grenzkontrollen.

Vor den Pariser Anschlägen hatte Abdeslam offenbar in Ulm mögliche Komplizen abgeholt. Wie der SWR unter Berufung auf polizeiliche Ermittlungen berichtet, fuhr er in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober mit einem auf seinen Namen angemieteten Wagen nach Ulm. Nach nur etwa einer Stunde fuhr er wieder zurück. Bei dem Abstecher könnte er drei Männer, die sich als Syrer ausgegeben hatten, aus einer Flüchtlingsunterkunft abgeholt haben. Abdeslam parkte in deren Nähe und die drei Männer fehlten seitdem, berichtet der SWR.

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