Experten - Gipfel in Genf geht besser als vorhergesagt aus

  17 Juni 2021    Gelesen: 603
    Experten -   Gipfel in Genf geht besser als vorhergesagt aus

Der lang erwartete Putin-Biden-Gipfel ist besser als vorhergesagt zu Ende gegangen. Die Erwartungen wurden erfüllt, die Befürchtungen nicht. Hat er weitreichende Ergebnisse gebracht? Experten ziehen Bilanz.

Der knapp vierstündige Gipfel der Präsidenten Russlands und der USA am 16. Juni in Genf endete besser als vorhergesagt. Ein gemeinsames Kommuniqué zur strategischen Stabilität wurde unterzeichnet, die Botschafter beider Länder werden in den kommenden Tagen zurückkehren, um an den bilateralen Beziehungen zu arbeiten. In den nächsten sechs Monaten müssen das russische Außenministerium und das US-Außenministerium einen Kompromiss über die Rückkehr von Gefangenen aus Gefängnissen erzielen, und eine Expertengruppe wird sich zu Fragen der Cybersicherheit treffen.

Sowohl Wladimir Putin als auch Joe Biden stellten in den Gesprächen einen positiven Ton fest. Der russische Staatschef bezeichnete das Vertrauen zwischen den beiden Ländern als nicht familiär, obwohl „Blitze am Horizont funkeln“. Und der Besitzer des Weißen Hauses erinnerte daran, dass es noch keine Situation gegeben habe, in der sich zwei Präsidenten ohne Assistenten, Diplomaten oder Militärs länger als zwei Stunden unter vier Augen unterhalten haben. Die praktischen Ergebnisse des Treffens werden in den kommenden Monaten zu sehen sein – darauf hoffen auch die Staatsoberhäupter der beiden Länder.

Der Gipfel zwischen den beiden Präsidenten hätte eine Verbesserung der Beziehungen bringen oder auch die schlechten Beziehungen festschreiben können. Obwohl das russisch-amerikanische Treffen auf höchster Ebene nicht gescheitert sei, habe es auch keine weitreichenden Ergebnisse gebracht, meint der österreichische Politikwissenschaftler Heinz Gärtner. Dass die zwei Staaten einen integrierten bilateralen strategischen Dialog verfolgen wollen, bleibe vage, obwohl es Verbesserungsmöglichkeiten gebe, betont Gärtner.

„Vielfach wurde das Bekenntnis der beiden Gipfelteilnehmer zu nuklearer Stabilität als Erfolg gewertet. Das war kein großer Anspruch, weil gerade zu Beginn des Jahres der neue START-Vertrag um fünf Jahre verlängert wurde, und die Anpassung wurde von beiden Seiten begrüßt. Einen neuen Rüstungskontrollvertrag wird es schon deshalb nicht geben, weil dafür im US-Senat eine Zweidrittelmehrheit notwendig wäre, die mit dieser Republikanischen Partei nicht herstellbar ist. Außerdem sind die Prioritäten Russlands und der USA sehr unterschiedlich. Russland will über den Raketenabwehrschild sprechen, die USA über nicht-strategische Nuklearwaffen. China zu Rüstungskontrollverhandlungen „einzuladen“, klingt euphemistisch, da China nicht mitmachen wird, solange die USA und China neunzig Prozent des Nukleararsenals besitzen. Eine Absichtserklärung, Nuklearwaffen nicht als Erster einzusetzen, gab es nicht. Ebenso wenig wurde auf den Pressekonferenzen die Stationierung von Mittelstreckenraketen angesprochen“, schreibt der Sicherheitsexperte in seinem Blog.

Heinz Gärtner zog Vergleiche mit dem Gipfel zwischen Ronald Reagan und Michael Gorbatschow in Genf 1985, der ein Zeichen der Entspannung signalisierte. Der Gipfel in Reykjavik ein Jahr später habe seinen Worten zufolge ebenfalls positive Absichten auf globale Abrüstung demonstriert, was aber nicht zustande gekommen sei, weil Reagan auf den Raketenabwehrschild bestanden habe.

Gärtner wies auf den versöhnlichen Ton Donald Trumps gegenüber Wladimir Putin bei ihrem Treffen in Helsinki 2018 hin. In Wirklichkeit habe Präsident Trump wenig zur Entspannung beigetragen. „Er hat die Rüstungskontrollverträge über das Verbot von Mittelstreckenraketen und den ‘Offenen Himmel‘ aufgekündigt, der Ukraine offensive Waffen geliefert, die Nato-Truppen in Polen und den Baltischen Staaten aufgestockt und neue Sanktionen gegen Russland verhängt“, so der österreichische Politologe.

Der Chefredakteur der Zeitschrift „Russland in der Globalpolitik“, Fjodor Lukjanow, hält seinerseits den Gipfel für perfekt, da sich die Befürchtungen nicht bestätigt haben, die Erwartungen aber berechtigt waren.

„Die Ergebnisse des Treffens garantieren nichts. Eine Verbesserung der Beziehungen steht einfach nicht auf der Tagesordnung. Die Abgrenzung eines bestimmten Rahmens ist jedoch weniger im bilateralen als im Allgemeinen internationalen Kontext sinnvoll. Weder die Vereinigten Staaten für Russland noch Russland für Amerika sind die Haupthandlungsrichtung (und das ist ein Unterschied zum echten Kalten Krieg). Von der Art dieser Beziehungen hängt jedoch ab, wie sich die Beziehungen von Moskau und Washington mit anderen, wichtigeren Partnern entwickeln. Genf bietet die Gelegenheit, über die weitere Vorgehensweise jeder der Parteien auf der Weltbühne genauer nachzudenken“, schrieb Lukjanow.

snanews


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