Genesis G90 - Oberklässler länger als jeder aktuelle Bentley

  04 Dezember 2023    Gelesen: 792
  Genesis G90 - Oberklässler länger als jeder aktuelle Bentley

Der Konzern Hyundai hat mehr Erfahrung mit der automobilen Luxusklasse, als manche denken. Aber erstmals offiziell nach Deutschland kommt das Segment mit dem Genesis G90. Leider ist der Achtzylinder bereits entfallen. Dafür gibt es die Extraportion Fahrzeuglänge.

Es heißt ja immer Preis-Leistungs-Verhältnis - wie wäre es stattdessen mit Preis-Längen-Verhältnis? Genesis bietet 5,47 Meter für 125.000 Euro. Für Limousinen dieser Größenordnung möchte Mercedes mindestens 182.000 Euro sehen. Für einen (mit 5,55 Metern noch etwas längeren) Rolls-Royce Ghost muss man gar schon über 300.000 Euro hinblättern.

Doch was sagt überhaupt die Fahrzeuglänge aus? Ganz schön viel. Wer einen Blick auf den G90 der Version mit langem Radstand wirft, sieht schnell, dass dieser ganz schön etwas hermacht. Der mit 3,37 Metern Radstand extrem gestreckt wirkenden Limousine sieht man ihren Auftrag an, nämlich möglichst viel Reisekomfort im Fond zu bieten. Und daher ist Genesis bei der Präsentation auch gleich mit mehreren Fahrzeugen am Flughafen aufgeschlagen, um die Journalistentruppe einzusammeln. Man wurde gebeten, doch bitte hinten einzusteigen, das Lenkrad bekomme man später in die Hand, hieß es.

Und ja, was der Koreaner bietet, ist schon einigermaßen beeindruckend. Man muss sich durchaus strecken, um die Vordersitzlehne mit der Hand zu berühren. Die Beine übereinanderzuschlagen ist hier auch keine schwierige Übung. Aber der Spaß beginnt erst mit dem Entdecken der ganzen Knöpfchen hier hinten - ein Paradies sicher auch für Kinder, die ja in der Regel hinten reisen. Sitzheizung? Klar, alter Hut. Selbstverständlich sind die übrigens geschmeidig gepolsterten Lederfauteuils auch elektrisch verstellbar. Und dann gibt es ja auch noch die Massagefunktion. Und die beiden Bildschirme, auf denen man fröhlich herumtouchen kann, um sich anschließend unterhalten zu lassen. Nicht zu vergessen die elektrischen Rollos für die Seitenscheiben. Genesis hat den luxuriösen Wettbewerb offenbar genau studiert.

Hyundai-Konzern verfügt über Oberklasse-Erfahrung

Na klar, der Hyundai-Konzern hat bereits Erfahrung mit der automobilen Oberklasse. Schon 2006 zur Fußball-Wweltmeisterschaft importierten die seinerzeit als Sponsor auftretenden Koreaner mehrere Dutzend Hyundai Centennial nach Deutschland. Damals leistete sich die Hyundai-Gruppe für die höchste Fahrzeugkategorie noch keine eigene Marke. In einer Zeit, als Downsizing und überstrenge EU-Regulatorien noch nicht grassierten, bestanden die Verantwortlichen selbstverständlich auf einem standesgemäßen Achtzylinder. Den hätte eigentlich auch der Genesis G90 verdient, allerdings hat der Konzern den bis zu fünf Liter großen und rund 400 PS starken, sogenannten Tau-V8 gekappt, der in der ersten G90-Generation werkelte. Nun kommt ein 3,5 Liter großer Sechszylinder mit Direkteinspritzung und Kompressoraufladung zum Einsatz, der hier um die zehn Liter Superbenzin pro 100 Kilometer süffeln soll.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Schlecht ist dieser Motor mitnichten und mit 415 PS auch alles andere als schwächlich. Und auch technisch durchaus reizvoll. Er greift nämlich auf ein 48-Volt-System zurück und verfügt daher über einen elektrischen Kompressor-Antrieb. So bullig wie die bis heute bei Jaguar verfügbaren V8-Kompressormaschinen tritt der allerdings auch leistungsmäßig darunterliegende Sechsender natürlich nicht an. Das stört auch in keiner Weise, bloß wird das Aggregat unter Last ein bisschen kerniger als ein sahnig laufender Achtzylinder.

Aber das ist eben Zeitgeist, und selbst BMW hat ja für den Siebener den V8 gestrichen (allerdings nur in Europa). Allerdings halten die Münchener für ihr Flaggschiff zwei elektrisch angetriebene Varianten vor. Ob es diese für den G90 geben wird, möchte Genesis-Produktmanager Dominik Kling zurzeit noch nicht verraten. Möglich wäre das bestimmt, schließlich gibt es ja auch den G80 als rein elektrische Variante.

Am Steuer der Chauffeur-Limousine

Für mich wird es langsam Zeit, das luftgefederte Topmodell zu übernehmen. Also einmal von hinten nach vorn hüpfen hinter das Lenkrad. Denn um Antrieb und Lenkung wirklich beurteilen zu können, muss man den Takt selbst angeben. Es ist ein besonderer Moment, jetzt mit dem G90 hier in Europa zu starten - denn erstmals gibt es überhaupt eine koreanische Oberklasse in unseren Gefilden.

Wie spricht der Koreaner auf das Gas an, wie lassen sich Kurven umrunden? Der Schwerpunkt liegt jedenfalls auf der komfortablen Fortbewegung. Allerdings mutet das extralange Gefährt nicht unagil an trotz 2,5 Tonnen Leergewicht, was man ihm nicht anmerkt. Das mag nicht zuletzt an der serienmäßigen Hinterachslenkung liegen. Und womöglich daran, dass Genesis sein Topmodell für Europa noch einmal grundlegend abgestimmt hat. Apropos Allradlenkung: Sie nimmt dem Flaggschiff den Schrecken, wenn es darum geht, es durch enge und verwinkelte Gassen zu manövrieren. Der Wendekreis liegt mit 11,9 Metern nämlich nur knapp über Kompaktklassewert. Auf Wunsch gibt der mit Allradantrieb sowie sämiger Achtstufen-Wandlerautomatik ausgestattete Viertürer auch mal den Athleten, prescht binnen 5,4 Sekunden auf 100 km/h. Doch die ruhige Fortbewegung steht ihm besser zu Gesicht.

Und wie steht es um das Thema Infotainment? Logisch - alles da von digitaler Instrumentierung über Head-up-Display bis zum Touchscreen (sogar hinten). Außerdem bemüht sich der Koreaner nach Kräften, den Erwachsenenspieltrieb zu befriedigen. Der sogenannte "Mood Curator" ist von Mercedes' Energizing-Programm abgekupfert: Je nach Einstellung liefert der G90 den passenden Duft sowie korrespondieres Musikprogramm, um verschiedene Stimmungen an Bord zu erzeugen von komfortabel bis vitalisierend.

Wer sich für die hierzulande exotische Limousine entscheidet, muss jedenfalls keine Qual der Wahl erleiden. Sonderausstattungen gibt es keine, bloß noch die Version mit "normalem" Radstand (115.000 Euro). Der beträgt in diesem Fall allerdings auch schon stattliche 3,18 Meter. Dann ist der G90 "bloß" 5,28 Meter lang - also auch nicht gerade prädestiniert für enge Parkhäuser.

Unter dem Strich rangiert der Koreaner durchaus auf Augenhöhe mit dem Wettbewerb. Die Langversion ist allerdings spannender, auch weil es hier schlicht keinen direkten Wettbewerb gibt, jedenfalls nicht in dieser Preisliga. Mit ihr wildert Genesis nämlich schon im superluxuriösen Bereich von Bentley, Maybach und Co.

Nur das Triebwerk erscheint dann eben ein bisschen mager. Hier sollte Genesis bald einen kräftigen elektrischen Antrieb liefern, schließlich ist der V8 unrealistisch geworden in diesen Zeiten. Elf G90 soll Genesis schon verkauft haben hierzulande. Damit dürfte das koreanische Luxusauto-Vergnügen auch noch exklusiver sein als das der einschlägigen Marken. Nur dass diese einfach bekannter sind. Aber wer weiß, vielleicht ändert sich das ja noch.

Quelle: ntv.de


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