300.000 NATO-Soldaten sollen Putin abwehren

  15 Januar 2024    Gelesen: 364
  300.000 NATO-Soldaten sollen Putin abwehren

Ein Übungsszenario für Bundeswehrsoldaten skizziert einen Angriff Russlands auf die NATO bereits Ende 2024. Die Kriegsvorbereitungen des Kreml würden denen ähneln, die man im Januar vor zwei Jahren schon falsch interpretiert hat. Die Übung zeichnet Russland militärisch stark und kriegsbereit.

Ein Geheimdokument des Verteidigungsministeriums skizziert, wie Russland einen Krieg mit der NATO einleiten könnte - und das schon in diesem Jahr. Die "Verschlusssache", die der "Bild"-Zeitung vorliegt, beschreibt detailliert ein Szenario, das vielen Deutschen wohl selbst derzeit noch unvorstellbar erscheint. Schließlich setzt Russland - noch - seine militärische Kraft komplett dafür ein, im Ukraine-Krieg Meter für Meter vorwärts zu kommen. Gegen die zähen ukrainischen Verteidiger ein mühsames, verlustreiches Unterfangen.

Doch das Szenario aus dem Bendlerblock sieht Putin in noch viel größerem Ausmaß kriegsbereit und willens, sich weitere osteuropäische Staaten einzuverleiben. Schon bald könnten demnach erste Anzeichen dafür sichtbar werden: In dem Geheimdokument, "Bündnisverteidigung 2025" betitelt, mobilisiert Moskau schon bald in einer weiteren großen Welle 200.000 Mann und startet mit diesen zusätzlichen Kräften eine Frühjahrsoffensive gegen die Ukraine. Da es Kiew weiterhin an Waffen und Munition aus dem Westen mangelt, kommt Russlands Feldzug immer besser voran.

Mit hybriden Attacken gegen die Balten

Für Juni 2024 zeichnet das Papier dann erste Nadelstiche in Richtung NATO nach: russische Angriffe auf das Baltikum - nicht per Einmarsch, sondern in Form von hybriden Attacken, auch im Cyberspace. Lettland, Estland und Litauen geraten zunehmend unter Druck, Moskau nutzt das beginnende Chaos, um die in allen drei baltischen Staaten bestehenden russischen Minderheiten gegen die Regierungen aufzubringen. Es kommt dort zu gewaltsamen Protesten auf den Straßen.

Die offene Gewalt dient Russland als Vorwand, um 50.000 Soldaten ab Spätsommer ins an die Baltenstaaten angrenzende Belarus ins Manöver zu schicken. Parallelen zu 2021 sind kein Zufall - das Manöver ist in Wirklichkeit nur der Deckmantel, um an der Grenze zu Polen und Litauen kriegsbereite russische Truppen aufmarschieren zu lassen.

Im Oktober dann, so umreißt es das Szenario, könnte der Kreml Truppen und Mittelstreckenraketen nach Kaliningrad entsenden. Die russische Exklave liegt zwischen Litauen und Polen, von Belarus durch einen schmalen Landkorridor, die sogenannte "Suwalki-Lücke" getrennt. Diese trachtet Wladimir Putin zu erobern, in einer Phase, in der die NATO deutlich geschwächt wirkt, da die mögliche Abwahl von US-Präsident Joe Biden den wichtigsten Bündnispartner für mehrere Wochen handlungsunfähig macht.

Ein geopolitisches Chaos, in dem Russland sich stark genug fühlen würde, um - nach dem Muster des Einmarsches im Osten der Ukraine 2014 - die NATO-Staaten Litauen und Polen anzugreifen. Ein inszenierter "Grenzkonflikt" an der Suwalki-Lücke würde zu einem gewalttätigen Konflikt mit vielen Todesopfern führen. Einen massiven russischen Angriff vorausahnend, schlagen die Regierungen Polens und Litauens im Januar 2025 Alarm im NATO-Rat.

300.000 NATO-Soldaten - kampfbereit an "Tag X"

Doch der Kreml dreht mit Propaganda und Desinformation den Spieß um, erfindet eine Bedrohung aus dem Westen und begründet damit eine weitere Truppenverlegung in Richtung Baltikum und nach Belarus, wo das Szenario dann von 70.000 russischen Soldaten ausgeht - zwei Panzerdivisionen und eine mechanisierte Infanteriedivision. Schließlich skizziert das Geheimpapier den "Tag X" - die NATO verlegt 300.000 Soldaten an die Ostflanke, aus Deutschland sind 30.000 Bundeswehrsoldaten dabei, in Erwartung des Bündnisfalls. Ein möglicher Verlauf des Krieges bleibt im Übungsszenario offen. Es endet damit, dass mehr als eine halbe Million russische und NATO-Kräfte kampfbereit an der Suwalki-Lücke stehen.

Dass man in einem Übungsszenario die Entwicklung gedanklich eskalieren lässt, ist nicht unüblich und letztlich sinnvoll, um sich für massive Herausforderungen wappnen zu können. Dennoch fällt auf, wie kurz das Geheimpapier die Zeit bemisst, die dem Westen noch bliebe, um sich darauf vorzubereiten, dass Putins Hunger nach mehr Macht und Kontrolle mit einem Sieg über die Ukraine nicht gestillt wäre. Damit spielt das Verteidigungsministerium exakt das Szenario durch, das viele Sicherheitsexperten schon heute als eine konkrete Bedrohung für den Westen skizzieren. Unter anderem, weil aus ihrer Sicht die NATO überschätzt, wie sehr ihre aktuellen Fähigkeiten Putin von einem Angriff auf ein Mitglied des Verteidigungsbündnisses abschrecken.

Die Hilfe des Westens für die von Russland angegriffene Ukraine erreichte bislang nicht das Ausmaß und die Kraft, die Kiew tatsächlich bräuchte, um den Invasoren zu vertreiben. Nach knapp zwei Jahren Krieg wirkt der Westen zunehmend erschlafft, die USA koppeln ihre Hilfe an parteipolitische Ränkeschmiedereien und die Europäische Union ist nicht in der Lage, die ausfallende Hilfe aus Washington zu ersetzen.

Die Betrachtung auch extrem unwahrscheinlicher Szenarien gehört nach Aussage des Verteidigungsministerium "zum militärischen Alltagsgeschäft". Die Erinnerung an den Januar 2022, als Russland auch bereits Truppen an der Grenze zur Ukraine aufmarschieren ließ, lässt den Schluss zu, dass diese erdachte Bundeswehrübung alles andere als realitätsfern daherkommt.

Quelle: ntv.de, fni


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