Amerikas Elitehochschule handelte mit Sklaven

  27 April 2016    Gelesen: 538
Amerikas Elitehochschule handelte mit Sklaven
Ausgerechnet die katholische Georgetown Universität hütete lange ein dunkles Geheimnis. Weil ihre Arbeit nichts mehr eintrug, verkauften die Jesuiten 1838 272 Sklaven in den Süden – und in die Hölle.
Maxine Crump (69) hat sich ihr Leben lang mit der offenen Wunde des Rassismus beschäftigt. Die erste schwarze TV-Moderatorin von Baton Rouge im tiefen Süden der USA gründete nach ihrer Pensionierung die Organisation "Dialogue on Race", die sich die Aufklärung und Aufarbeitung von institutionellem Rassismus auf die Fahne geschrieben hat. Wie tief der noch in der amerikanischen Gesellschaft verankert ist, hat 2015 der Streit um die Konföderierten-Flagge gezeigt, vor der der Massenmörder Dylann Roof posiert hatte, bevor er in Charleston ein Blutbad anrichtete.

Als sich Anfang Februar ein freundlicher Herr am Telefon meldete, bekam Crumps Einsatz aber plötzlich eine ganz persönliche Dimension. Bei dem Anrufer handelte es sich um Richard J. Cellini (52), einen katholischen Unternehmer aus Cambridge im Bundesstaat Massachusetts, der ihr Dinge über ihre Familie erzählte, von denen sie bis dahin nichts geahnt hatte. Dabei geht es um Sklaverei und um die berühmte Georgetown Universität in Washington, die älteste katholische Hochschule des Landes und Mitglied der illustren Catholic Ivy League, der Eliteeinrichtungen unter dem Dach der Papstkirche. Ex-Präsident Bill Clinton und seine Außenministerin Madeleine Albright gehören zu den bekannten Absolventen.

"Oh mein Gott", war Crumps erste Reaktion auf die Erkenntnisse Cellinis. Der hat es sich selbst zur Lebensaufgabe gemacht, die Verwicklungen seiner Universität in den Sklavenhandel aufzuarbeiten. Sein privat finanziertes Georgetown Memory Project hat seinen Ursprung im Verkauf von 272 Sklaven im Herbst 1838.

Dabei handelte es sich um Männer, Frauen und Kinder, die auf der Plantage der Jesuiten im Bundesstaat Maryland arbeiten mussten. Benannt nach der Frau des Stuart-Königs Karl I., der 1625 die katholische französische Prinzessin Marie de Bourbon geheiratet hatte, und als einzige britische Kolonie von katholischen Siedlern gegründet, hatte Maryland bis zum Bürgerkrieg die Sklaverei beibehalten. Allerdings hielt sich der Staat vor den Toren der Unionskapitale Washington im Sezessionskrieg neutral und schaffte die umstrittene "Institution" 1864 ab.

Sklaven bewirtschafteten auch die Ländereien, mit deren Ertrag sich die Georgetown Universität unterhielt. Als das plötzlich nicht mehr genügend Geld einbrachte, entschloss sich die Führung der Jesuiten, die Sklaven für 3,3 Millionen Dollar zu verkaufen. In den sklavenhaltenden Straßen galten Menschen neben Land als wichtigste Kapitalanlage. Denn der atlantische Sklavenhandel war längst verboten. Südstaatliche Grundbesitzer mussten sich ihre Arbeitskräfte daher auf dem Binnenmarkt beschaffen.

Father Thomas F. Mulledy und Reverend William McSherry fädelten einen Deal mit dem Kongressabgeordneten Henry Johnson aus Louisiana und dem Plantagenbesitzer Jesse Batey ein. Die beiden Führer der Eliteschule versicherten ihrem Ordensoberen Jan Roothaan in Rom, dafür zu sorgen, dass die Sklaven bei den neuen Besitzern ihren katholischen Glauben weiter ausüben könnten und dass Familien nicht auseinandergerissen würden.

Beides stellte sich bei einer späteren Inspektionsreise als falsch heraus. Tatsächlich spielten sich im Herbst 1838 unfassbare Dramen ab, als die Jesuiten die verängstigten Menschen auf das Sklavenschiff "Katharine Jackson" bringen ließen. Niemand blieb verschont. Auch nicht Cornelius Hawkins, ein 13-jähriger Junge, dessen Körpergröße in alten Papieren mit fünf Fuß angegeben wird.

Cellinis Forschern gelang es bei ihren Recherchen, das weitere Schicksal des als "Neely" bekannten Sklaven zu rekonstruieren. Er landete nach mehreren Zwischenstationen für einen Verkaufspreis von 900 US-Dollar auf einer Baumwollplantage von Maringouin in Louisiana.

Und hier schließt sich der Kreis zu TV-Moderatorin Crump, die genau aus diesem Ort stammt. Bei Cellinis Anruf erfuhr sie erstmals, dass sie mit Cornelius verwandt war. Und plötzlich verstand sie auch, warum so viele in ihrer Familie "Neely" hießen; etwa ein Großonkel und ein Cousin. Crump war überrascht – und empört: über den skrupellosen Sklavenhandel der Gottesmänner, die mit dem Profit das Überleben der katholischen Elite-Uni gesichert hatten.

Diese Empörung wird geteilt von Studenten der Hochschule, die über Twitter die lückenlose Aufarbeitung des düsteren Kapitels verlangen. Sit-ins und Proteste führten bereits im November 2015 zur Entfernung der Namen Mulldrys und McSherrys von Gebäuden der Universität. Zudem entstand unter der Leitung des Historikers Adam Rothman eine Arbeitsgruppe, die sich parallel zu Cellini um weitere Aufklärung bemüht.

"Die Universität selbst verdankt ihre Existenz dieser Geschichte", räumt Rothman ohne Umschweife ein. Die offene Frage bleibt aber, was heute geschehen kann, um zumindest ein wenig Wiedergutmachung zu leisten.

Neelys Urururenkelin Crump hält wenig von institutionellen Entschuldigungen. Ihr schwebt eher ein Stipendienprogramm für Nachfahren der Sklaven vor, das ihnen den kostenlosen Besuch der Universität ermöglicht. Und noch einen eher symbolischen Wunsch hat die 69-Jährige: ein Denkmal auf dem Campus, das Cornelius und den 271 anderen Georgetown-Sklaven einen Namen und eine Geschichte gibt.

Quelle : welt.de

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