Es gibt genügend Gerichte in der Europäischen Union. Bürger und Investoren, die sich ungerecht behandelt fühlen, können zuerst nationale Richter bemühen – und wenn sie deren Urteil falsch finden, bis vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Auch deswegen hatte die EU-Kommission in den letzten Monaten ihre Mitgliedsländer aufgefordert, die bilateralen Investitionsschutzabkommen – die sie noch vor der Osterweiterung abgeschlossen hatten und die bis heute die rechtliche Grundlage für Schiedsgerichtsverfahren bilden – doch bitte zu kündigen. "In einem gemeinsamen Markt braucht man keinen bilateralen Investitionsschutz", so erklärte der zuständige EU-Kommissar Jonathan Hill den Schritt. Hill hat damit recht: Es gibt keinen Grund, in der EU nur Kapitaleignern weiterhin Sondergerichte zu bieten. Zumal diese in letzter Zeit exzessiv genutzt wurden. Gerade innerhalb Europas wächst die Zahl der Schiedsverfahren.
Das Wirtschaftsministerium argumentiert nun, dass man die geplanten Gerichte trotzdem brauche. Sonst wären europäische Investoren in der EU künftig schlechter gestellt als beispielsweise Kanadier oder Amerikaner. Denn die sollen, falls die Handelsabkommen TTIP und Ceta je in Kraft treten, Schiedsgerichte anrufen können.
Diese Argumentation irritiert. Bisher nämlich behauptete Sigmar Gabriels Ministerium genau das Gegenteil: Es wollte die Schiedsgerichte, um Ausländer vor Diskriminierung zu schützen. Nun soll plötzlich das Gegenteil stimmen, nun bietet der Investitionsschutz den Ausländern angeblich einen Vorteil und benachteiligt die Europäer. Da bleibt nur die eine Schlussfolgerung: Kapitaleigner, egal welcher Nationalität, sollen weiterhin eine bessere rechtliche Behandlung bekommen als normale Bürger.
Das ist falsch. Aber das hatte übrigens auch Business Europe, der europäische Lobbyverband der Industrie, erst kürzlich öffentlich gefordert. Bedauerlicherweise mit erstem Erfolg.
Tags: