Porsche 718 Boxster - gedämpfter Dynamiker

  16 September 2016    Gelesen: 706
Porsche 718 Boxster - gedämpfter Dynamiker
Mit vier Zylindern fing Porsche an, bei vier Zylindern ist die Sportwagenmarke wieder angekommen. Was geht da verloren? Die Emotion? Die Leistung? Gar die Identität? Der Praxistest mit dem neuen 718 Boxster gibt Aufschluss.
Die heiligen Kühe sind bei Porsche längst geschlachtet: Die Luft- wurde zur Wasserkühlung, der Sauger zum Turbomotor. Dass ein Panamera oder Cayenne auch dieselt, daran hat man sich längst gewöhnt. Und nun wurden dem Boxster auch noch zwei Zylinder amputiert. Kann das gut gehen? Vor allem: Bringt es den Erfolg, den man sich davon verspricht?

Der Flottenverbrauch muss runter, damit die EU-Grenzwerte erreicht werden. Und wer seine Kunden weiter mit "TurboS"-Varianten seiner Viertürer versorgen will, muss am unteren Ende der Modellpalette jeden Zehntel-Liter Minderverbrauch rausholen, der möglich ist. Für den Boxster gilt der EU-Kombiwert 6,9 l über eine Distanz von 100 Kilometer. Bei einem 275 km/h schnellen Sportwagen ist das aller Ehren wert. Um die neue Generation der kleinen Baureihe auch in der Nomenklatur vom Vorgänger abzugrenzen, hat Porsche einen Griff in die eigene Historie getan.

Der Porsche 718 war als Rennwagen der Nachfolger des 550 und ging 1957 erstmals auf die Piste. Dass der kleine Vierzylinder-Wagen beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans 1958 sogar Ferraris mit doppelt so viel Hubraum hinter sich lassen konnte, gilt noch heute als Sensation. Der 718 von heute wiegt zwar ungefähr das Doppelte von dem, was der Rennwagen seinerzeit auf die Waage brachte, dafür hat er aber auch zweimal so viele Pferdestärken.

Teurer als der Cayman

Der Brückenschlag zur Renn-Vergangenheit soll Vorbehalte mildern, die potenzielle Porsche-Kunden immer wieder erkennen lassen, wenn nachhaltige technische Änderungen anstehen. Vom 3,4-Liter-Sechzylinder (im GTS) hinunter auf einen Zweiliter-Boxer ist schon ein arger Schritt. Zweite, nicht unbedeutende Neuigkeit: Erstmals ist das Boxster-Cabriolet teurer als das Cayman-Coupé – eine bei anderen Herstellern von geschlossenen und offenen Autos (und bei der 911er-Baureihe) schon lange gängige Praxis.

Wenn schon weniger Zylinder, dann wenigstens mehr Leistung, sagte man sich bei Porsche und pendelte die Ausbeute bei glatten 300 Pferdestärken ein. Die "S"-Version hat gleich noch 50 mehr. Und die müssen mit rund 13.000 Euro extra bezahlt werden. Geld ist genug da, zumindest bei einem Teil der Bevölkerung, denn seit Jahresbeginn wurden schon wieder rund 2200 Exemplare in Deutschland neu zugelassen.

Was ist noch neu am Zweisitzer, den viele für die beste Symbiose aus Masse und Dynamik im Markenportfolio halten? Der Wiedererkennungswert ist zwangsläufig hoch, denn Fronthaube, Scheibe, Verdeck, und der Deckel für das hintere Gepäckfach wurden nicht verändert. Bugbereich und Scheinwerfer sowie die Lufteinlässe wurden in 911er-Manier angeglichen. Schon der vorige Boxster war bis zur A-Säule ein Elfer-Zwilling. Serienmäßig rollt der Boxster auf 18-Zoll-Felgen, aber ob die wirklich jemand bestellt? Die 20-Zoll-Räder des Testwagens, Typ "Carrera Classic", stehen dem Cabrio natürlich viel besser, kosten aber auch 3213 Euro extra.

Lenkrad im 918er-Look

Die Sitzposition ist tiefer als beim Vorgänger, das Interieur entsprechend dem aktuellen Zweitürer-Styling der Marke aufgeräumter und mit einem neuen Infotainment-System versehen, das sowohl per Touchscreen als auch mittels Knöpfen bedient werden kann. Die vier Ausströmer der Klimaanlage bekamen eine nach unten abgeflachte Hufeisenform, das vom 918er inspirierte Lenkrad hat größere Speichenöffnungen, einen kleineren Pralltopf und eine Fahrmodi-Taste. Die Stoppuhr des Sport-Chrono-Pakets wanderte näher an die Scheibe. An den Schalen der herrlich bequemen und vorzüglich seitenstabilen Sitze sollte demnächst noch eine Änderung erfolgen: Ist der Beifahrersitz nämlich nicht besetzt, schlägt die Gurtöse bei unebener Fahrbahn zwischen der Sitzschale und der Innenverkleidung hin und her – eine Geräuschkulisse, die niemand braucht.

Das Zündschloss auf der linken Lenkradseite wird wohl das letzte sein, was Porsche ändert – wenn überhaupt. Aber der Moment des Startens ist beim 718 Boxster eben doch ein spannender. Bassig und kraftvoll lässt sich der Zweiliter-Motor vernehmen, doch es fehlt ihm das helle, kehlige Fauchen, das den ersten Gasstoß bisher so typisch machte. Eher zahm grummelt das Aggregat vor sich hin. Herzhaftes Gasgeben vermag das ebenso wenig zu ändern wie der Druck auf die Soundtaste der Sportabgasanlage. Sie wird zwar mit 2249 Euro extra berechnet, der hörbare Gegenwert hält sich hingegen in Grenzen. Das überrascht insofern, als Porsche bekannter Maßen fähige Akustik-Designer auf der Payroll hat. Sie sagen, durch die Klappenauspuffanlage würden gezielt Asymmetrien im Abgaskrümmer erzeugt, die der Hauptschalldämpfer dann entsprechend verstärkt. Mag technisch zutreffen, emotional kommt der Klang leider nur als gedämpftes Orchester rüber.

Verlass auf die Haftung

Dabei macht es so einen Spaß, den "kleinen" Bruder des Elfers ums Eck zu puschen. Der Mittelmotor sorgt für ideale Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse, fährt sich bis in den Grenzbereich wunderbar neutral und ausgewogen, die gegenüber dem Vorgänger um zehn Prozent direkter übersetze Lenkung erlaubt einen spielerischen Umgang mit Tempo und lädt zu Experimenten ein: Einfach mal den Tempomat aktivieren, der Bremse eine Auszeit gönnen und auf der kurvigen Landstraße das Lenkrad schön festhalten. Auf präzise Manöver ist genauso Verlass wie auf beständige Haftung, eine 1,5 auf dem G-Force-Meter ist der faktische Beleg für den gefühlten Parforce-Ritt.

Als Segen der Turboauladung nehmen die Insassen wahr, dass 380 Newtonmeter Drehmoment nun schon unterhalb von 2000 Umdrehungen anschieben. Der Sechszylinder im GTS brachte annähernd so viel Durchzug erst bei doppelt so hoher Drehzahl. Doch der hatte eben den satteren Klang.

Abgerechnet wird bekanntermaßen zum Schluss: Wer sich niedertourig und spaßbefreit an den Verbrauchswert vom Prüfstand heranrobben will, soll’s tun, braucht dafür aber keinen Porsche. Ein Auto, das sich so wunderbar eckig fahren lässt, ohne dabei auch nur den Hauch eines Zweifels an Spurgenauigkeit und Spontaneität aufkommen zu lassen, verführt nun mal zum Ausreizen seiner Fähigkeiten. Mit einem ordentlichen Anteil Langstrecke im Rücken warf der Bordcomputer schließlich einen Testverbrauch von 9,6 Litern aus. Soweit in Ordnung, nur: Das wäre mit dem Sechszylinder auch zu schaffen gewesen.

Fazit: Aus Porsche-Sicht führte kein Weg am Vierzylinder vorbei und dass die Fahrdynamik nicht gelitten, sondern eher noch gewonnen hat, ist tröstlich. Bei der emotionalen Komponente muss man leider Abstriche machen, zu harmlos und verwechselbar ist die Akustik, ganz gleich, ob offen oder geschlossen gefahren wird. Eine unerwartete Konstante förderte dieser Praxistest allerdings zu Tage: Der 718 Boxster genehmigte sich exakt den gleichen Verbrauchswert wie der GTS der abgelösten Sechszylinder-Baureihe.

DATENBLATT Porsche 718 Boxster
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe) 4,38 / 1,80 / 1,28 m
Radstand 2,48 m
Leergewicht (DIN) 1335 kg
Sitzplätze 2
Gepäckvolumen (v/h) 150 / 125 Liter
Motor 4-Zylinder-Boxer-Turbomotor mit 1998 ccm Hubraum
Antrieb / Getriebe 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Systemleistung 300 PS / 220 kW bei 6500 U/min
Kraftstoffart Super plus
Antrieb Hinterradantrieb
Höchstgeschwindigkeit (Messung) 275 km/h
Tankvolumen 54 Liter
max. Drehmoment 380 Nm bei 1950 - 4500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 4,9 s
Normverbrauch (innerorts/außerorts/kombiniert) 9,0 / 5,7 / 6,9 l
Testverbrauch 9,6 l
CO2-Emissionen 158 g/km
Schadstoffklasse EU6
Grundpreis 53.472 Euro
Preis des Testwagens 84.318 Euro

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