Was Bill Gates zu Bayer sagen könnte

  17 September 2016    Gelesen: 617
Was Bill Gates zu Bayer sagen könnte
Im Jahr 2016 sind deutsche Konzerne im Kaufrausch. Eigene Ideen wären schöner - die Hoffnung aus eigener Kraft zu wachsen, hat man allerdings schon aufgegeben.
Bei solchen Zahlen würde selbst Bill Gates, der reichste Mensch der Welt, nachdenklich werden. Er hat zwar ein Vermögen von knapp 80 Milliarden Dollar und könnte die größte Übernahme, die ein deutsches Unternehmen jemals getätigt hat, noch immer locker aus eigener Tasche bezahlen.

Aber die 66 Milliarden Dollar, die Bayer für den amerikanischen Saatguthersteller Monsanto zahlt, wären selbst für den langjährigen Chef des Softwarekonzerns Microsoft ein Brocken. Der Vergleich macht abstrakte Zahlen greifbarer – und ist noch aus anderen Gründen interessant.

Denn während Gates sein Vermögen schon seit Jahren dazu einsetzt, die Welt zu einem lebenswerteren Ort zu machen, gibt Bayer nun vor, Ähnliches tun zu wollen – geht es hier doch um den Ehrgeiz, die Ernährungsprobleme einer wachsenden Weltbevölkerung zu lösen.

Selbstbewusst auf das Fusionskarussell aufspringen

Wer in dieser Hinsicht auf dem besseren Weg ist, sei dahingestellt. Klar ist aber, dass Gates am Ende seiner aktiven Zeit bei Microsoft von der Sorge umgetrieben war, dass jederzeit kleine Unternehmen in der Lage wären, die Marktposition von Microsoft zu unterminieren. Der Rückblick zeigt, dass er mit seiner Sorge recht hatte.

Bayer schreckt das nicht ab und auch nicht der schlechte Ruf von Monsanto. Es geht darum, selbstbewusst auf das Fusionskarussell aufzuspringen, das sich in der Agrarchemie gerade dreht. Bayer setzt damit nicht etwa einen Trend, sondern folgt ihm.

Denn die deutschen Konzerne, die auf dem Übernahmemarkt zuvor im Vergleich zur internationalen Konkurrenz eher zurückhaltend waren, geben das Geld in diesem Jahr mit vollen Händen aus.

Ordentliche Mittelzuflüsse und niedrige Verschuldungsraten

Sie sitzen auf hohen Polstern liquider Mittel oder haben mindestens sehr ordentliche Mittelzuflüsse (Cash flows) sowie niedrige Verschuldungsraten, die hohe Fremdfinanzierungen erlauben.

Dass diese Finanzierungen angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank auch noch spottbillig sind, macht die Augen der Strategen, die sich auf die sich bietenden Kaufobjekte richten, nur noch größer.

Das schlägt sich in den Statistiken nieder: Das Unternehmen Dealogic summiert die Transaktionen mit deutscher Beteiligung im ersten Halbjahr auf 104 Milliarden Euro. Das ist viermal so viel wie in derselben Zeitspanne des Vorjahres. Vor allem aber ist es schon heute mehr als im gesamten vergangenen Jahr.

Letztlich werden riesige Mengen Geld bewegt

Vor der Insolvenz der amerikanischen Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 hat man vergleichbare Zahlen aus Deutschland zuletzt gesehen. Die danach ausgebrochene Finanzkrise hat die Deutschen verschreckt, zu niedrigen Preisen haben sich nur wenige eingedeckt.

Jetzt sind die Börsenkurse wieder ordentlich gestiegen, und Bayer, aber auch Fresenius oder die Deutsche Börse und viele andere schlagen zu. Die Finanzvorstände würden argumentieren, in ihren jeweiligen Fällen kaufe man sogar eher günstig ein.

Aber dennoch werden auch durch die geplante Übernahme der Londoner Börse für gut 13 Milliarden Euro oder den Kauf einer spanischen Krankenhauskette durch Fresenius fast 6 Milliarden Euro bewegt. Und nur im letzten Fall überzeugen sowohl industrielle Logik als auch Preis und gesellschaftliche Stimmung rund um die Transaktion.

Neue Absatzchancen in langsam wachsenden Märkten

Allen Käufen aber ist gemeinsam, dass sie in Märkten, die nicht so schnell wachsen wie gewünscht, neue Absatzchancen erschließen wollen. Gesucht werden auch Vorteile durch eine gemeinsame Vermarktung, sei es auf der Kostenseite oder durch die Bündelung von Produkten zu neuen Paketangeboten wie bei Bayer/Monsanto.

Die Hoffnung, aus eigener Kraft schnell genug zu wachsen, hat man aufgegeben. Demgegenüber wird in Kauf genommen, dass jede Übernahme ein Risiko darstellt, zum Beispiel, weil die Unternehmenskulturen nicht zueinanderpassen, was in den meisten Fällen so ist: Die Boston Consulting Group hat ermittelt, dass jede zweite Übernahme Geld vernichtet.

Die plötzlich so kaufhungrigen deutschen Konzerne sollten deshalb bedenken, wie lange sie Mitarbeiter, Kunden und Aktionäre durch derartige Transaktionen in Unruhe versetzen. Sie sollten sich auch von selbstverliebten Hochrechnungen lösen, wie viel Kosten sie in wie viel Jahren reduzieren können – auch wenn sich das schöner prognostizieren lässt als der Lohn für echte Innovationen aus der eigenen Forschung.

Netzwerke aufbauen, Kontakte knüpfen, Raum für neue Ideen

Diese aber sind wichtiger, als das große Rad zu drehen: Netzwerke aufbauen, Kontakt zu jungen Unternehmern halten, mutig Raum für neue Ideen im eigenen Bürokratiesumpf schaffen. Das könnte sich stärker auszahlen als die Ego-Strategie einfallsloser Manager auf der Suche nach Boni auf dem Fusionspfad.

Im Weltagrarbericht 2015 werden übrigens Investitionen in die kleinbäuerliche Produktion gefordert, weil das industrielle Modell globalisierter Landwirtschaft unfähig sei, das Ernährungsbedürfnis von Milliarden Menschen zu befriedigen.

Man muss diese Meinung nicht teilen; es ist aber interessant, einen Gedanken darauf zu verschwenden: Bill Gates hat schließlich auch gesagt, dass der Kleine jederzeit den Großen schlagen kann. Der Mann hatte oft recht. Und erst sein Nachfolger hat mit der Übernahme des Handygeschäfts von Nokia einen riesigen Fehler begangen.


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