Sozialbeiträge steigen bald über 50 Prozent des Bruttolohns

  30 September 2016    Gelesen: 641
Sozialbeiträge steigen bald über 50 Prozent des Bruttolohns
Ändert sich nichts, fließt bald jeder zweite Euro aus den Bruttolöhnen in die Sozialkassen. Der Beirat des Wirtschaftsministeriums schlägt Alarm und zeigt Lösungen.
Die Beitragssätze zur Sozialversicherung werden nach 2030 auf deutlich über 50 Prozent des Bruttolohns steigen – selbst wenn die Regierung keine höheren Renten beschließt. Das zeigen Berechnungen, die der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium am Donnerstag vorgestellt hat. Neben dem Rentenbeitrag droht dann auch jener der Krankenkassen auf deutlich mehr als 20 Prozent zu steigen. Die Beiträge zu Pflege- und Arbeitslosenversicherung kommen hinzu.

Derzeit beträgt der Gesamtbeitrag 40 Prozent. Anhand neuer Schätzdaten zur Entwicklung von Ausgaben, Beschäftigtenzahl und Löhnen erwartet der Beirat nun einen Anstieg auf 54 Prozent bis 2040. Den bisherigen Höchststand hatten die Beitragssätze 1998 mit 42 Prozent erreicht, als es zugleich mehr als vier Millionen Arbeitslose gab. Seither gilt es als politisches Ziel, die Beiträge auf 40 Prozent zu begrenzen.

Für die Krankenkassen rechnet der Beirat 2040 mit einem Beitragssatz von 24,5 Prozent. Die Forscher geben zu, dass deren Ausgaben schwerer zu prognostizieren seien als jene für die Rente. Außer der Alterung der Gesellschaft steigert im Gesundheitswesen aber überdies der medizinische Fortschritt die Kosten. Besonders pessimistische Prognosen sagen gar Krankenkassenbeiträge von 33 Prozent voraus. Als wichtigen Ansatz zur Kostendämpfung sieht der Beirat eine Stärkung des Effizienzwettbewerbs. Ein wirksames Instrument seien pauschale Beiträge oder Zusatzbeiträge, die in Euro ausgewiesen werden, anstelle der prozentual an den Lohn gekoppelten Beiträge. Die große Koalition hatte den Einstieg in so ein Modell 2014 gestoppt. Die Prognosen des Beirats für den Rentenbeitrag fallen etwas ungünstiger aus als jene, die das Arbeitsministerium am Vortag vorgelegt hatte: Sie führen – bei unverändertem Rentenrecht – zu einem Satz von 23,5 Prozent im Jahr 2040, das Ministerium erwartet 23,4 Prozent für 2045. Einen fachlichen Dissens gebe es insoweit aber nicht, erläuterte der Ökonom Friedrich Breyer, der das Gutachten mit seinem Kollegen Axel Börsch-Supan erarbeitet hat. Beide Werte lägen in einem plausiblen Korridor.

Gegen Änderung der Rentenformel

Umso klarer stellt sich der Beirat aber gegen Überlegungen, die Rentenformel zu ändern, um für ein höheres Rentenniveau zu sorgen. Denn damit würde der Beitragsanstieg in jedem Fall noch weiter verschärft. Das Ministerium erwartet weitere drei Prozentpunkte, falls die Renten künftig mindestens gleich schnell steigen sollen wie die Löhne. Ein in dieser Weise fixiertes allgemeines Rentenniveau wäre aber zugleich gar keine wirksame Antwort auf das vieldiskutierte Problem der Altersarmut, warnt der Beirat. Dazu bedürfe es vielmehr vor allem einer besseren Erwerbsminderungsrente und einer Vorsorgepflicht für Kleinselbständige.

Den Königsweg hin zu soliden Rentenfinanzen und auch einem höheren Rentenniveau sehen die Forscher indes darin, das Renteneintrittsalter – etwa nach dem Vorbild Schwedens – an die Lebenserwartung zu koppeln. Die Grundregel für die Zeit nach 2030, wenn die Rente mit 67 gilt, ist: Steigt die allgemeine Lebenserwartung um drei Jahre, soll das Renteneintrittsalter um zwei Jahre steigen; dann bliebe immer noch ein Jahr mehr Ruhestand. Allein schon damit, rechnet der Beirat vor, lasse sich ein Absinken des rechnerischen Rentenniveaus unter die derzeitige Mindestschwelle von 43 Prozent über 2050 hinaus verhindern.


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