Gefängnisse klagen über Maghreb-Häftlinge

  14 Februar 2017    Gelesen: 610
Gefängnisse klagen über Maghreb-Häftlinge
Mit der Flüchtlingskrise steigt auch die Zahl nordafrikanischer Gefängnisinsassen. Justizvollzugsbeamte stehen ihrem Verhalten oft ratlos gegenüber. Benehmen sich Nordafrikaner wirklich schlechter als andere Häftlinge? Und was können die Behörden dagegen tun?
Justizbediensteten in Deutschland brennt derzeit ein Thema besonders unter den Nägeln: Die Frage, wie man mit Häftlingen aus Nordafrika umgehen soll. Diesen Gefangenen eilt der Ruf voraus, sehr schwierig zu sein, ein sehr "forderndes Verhalten" an den Tag zu legen und besonders gegenüber weiblichem Gefängnispersonal respektlos zu sein.

Der muslimische Gefängnisseelsorger Mustafa Cimsit aus Frankfurt kritisiert solche Aussagen als Klischees und Vorurteile: "Ich kenne auch viele Gegenbeispiele, dass Gefangene hier dafür sorgen, dass es ruhig ist in den Gefängnissen."

Zunächst muss man feststellen, dass nicht alle Bundesländer in gleicher Weise betroffen sind. Viele Häftlinge aus Nordafrika gibt es in Baden-Württemberg, wo sich ihre Zahl in den vergangenen zwei Jahren auf 375 verdoppelt hat. Ähnlich ist die Lage in Nordrhein-Westfalen. Dort ist die Zahl der betreffenden Gefangenen zwischen 2014 bis 2016 ebenfalls um mehr als das Doppelte auf 812 gestiegen - inzwischen ist die Entwicklung aber wieder leicht rückläufig. Und in Sachsen hat sich die Zahl der Gefangenen aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien im Laufe des vergangenen Jahres um etwa 40 Prozent auf 255 erhöht.

Andere Bundesländer haben nicht so viele Häftlinge aus Nordafrika. In Niedersachsen etwa waren nach Angaben des Justizministeriums mit dem Stichtag 31. Dezember insgesamt 33 Menschen aus Marokko, Algerien und Tunesien in Untersuchungshaft - Ende 2014 waren es 22. Und aus Brandenburg heißt es, dass dort nach dem Verteilungssystem der Bundesländer keine Flüchtlinge aus Nordafrika ankommen, dafür seien dort mehr Tschetschenen.

Fordernd, wild, spontan

Dennoch sind nach Auffassung des Vorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, René Müller, mehr oder minder alle Bundesländer von dem Problem betroffen. Der Sprecher des baden-württembergischen Justizministeriums, Steffen Tanneberger, ergänzt: "Auffallend ist ein oft respektloses Verhalten gegen Vollzugsbeamte, insbesondere Frauen."

Im nordrhein-westfälischen Justizministerium hieß es, Gefangene aus Maghreb-Staaten zeigten häufig ein forderndes Auftreten, verbunden mit der Drohung, sich selbst zu verletzen oder umzubringen. Sie gestikulierten oft wild, ihr spontanes Verhalten sei schwer einzuschätzen. Häufig würden diese Häftlinge Anweisungen nicht befolgen, sie seien zudem uneinsichtig bei Fehlverhalten. Die Probleme seien recht massiv, sagt Müller. "Das sind nicht nur Sprachbarrieren, sie neigen schon mehr zu Gewalt als andere Gruppen."

Aus dem bayerischen Justizministerium hieß es hingegen, respektloses Verhalten könne nicht in besonderer Weise Gefangenen aus Nordafrika zugeordnet werden. Ähnlich sagte ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums: "Es wäre zu kurz gegriffen, lediglich Gefangene aus Maghreb-Staaten als problematisch zu beschreiben." Gefangene aus anderen Kulturkreisen, aber auch aus dem Bereich organisierter Kriminalität, stellten den Justizvollzug immer wieder vor Herausforderungen.

Sprachkurse auf beiden Seiten

Doch wie kann der Umgang verbessert werden? Einige Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen wollen mehr Deutsch-Kurse für Häftlinge durchführen. NRW stellte außerdem 45 Integrationsbeauftragte für alle Justizvollzugsanstalten ein. Auch Sachsen will befristet Dolmetscher sowie weitere Psychologen einstellen und die Bediensteten besser schulen. Auch Schleswig-Holstein setzt auf Sprachkurse für Gefängnismitarbeiter und externe Dolmetscher.

In Baden-Württemberg sollen die Justizbeamten ebenfalls Sprachkurse bekommen. Das Land prüft auch den Einsatz von Videodolmetschern, ebenso Bayern. Auch die Stellenzahl im bayerischen Strafvollzug soll steigen. Das Justizministerium spricht von 260 Justizstellen im Nachtragshaushalt 2016 speziell zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Grundsätzlich müssten die Länder noch mehr in Ausbildung und Schulung der Bediensteten, aber auch in mehr Personal investieren, forderte Gewerkschaftschef Müller. "Im Vollzug ist Manpower unabdingbar. Wenn wir Kollegen haben, die 40 oder 50 Gefangene auf einer Station haben, finden die nicht mehr die Zeit, sich mit ihnen individuell auseinanderzusetzen."

Mangelnde Betreuung der Inhaftierten?

Bundesweit fehlen nach Angaben von Müller etwa 2000 Beamte im Strafvollzugsdienst. Wegen der Personalknappheit könnten die Bediensteten Schulungen oft nicht besuchen, weil sonst die Stationen unterbesetzt seien.

Auch Gefängnis-Imam Cimsit forderte eine bessere interkulturelle Schulung der Bediensteten. Probleme ergeben sich seiner Ansicht nach häufig aus einer mangelnden Betreuung der Häftlinge oder aus Missverständnissen heraus. "Was wir aber auf jeden Fall brauchen, ist die flächendeckende Einführung der muslimischen Gefängnisseelsorge", sagte er. Es reiche nicht, alle 14 Tage einen Gottesdienst anzubieten. Ein Seelsorger müsse schnell vor Ort sein, wenn es Probleme gebe.

Tags:


Newsticker