Am Aktienmarkt sorgte die Nachricht am Donnerstag für Begeisterung. Die Vorzugsaktien schossen zunächst auf den höchsten Stand seit Oktober 2015, rutschten zuletzt wegen Gewinnmitnahmen aber unter 19 Euro ab. Das eigentliche Kursfeuerwerk aber zündete bei den Stammaktien, die in der Spitze fast 25 Prozent mehr kosteten als noch am Vortag und sich zuletzt knapp unter 24 Euro hielten.
Creat will vor allem den Stammaktionären einen kräftigen Aufschlag zahlen. Bei den Gesprächen über eine Übernahme wird nach Unternehmensangaben ein Preis für 28,50 Euro je Stammaktie angestrebt. Das wäre trotz des aktuellen Höhenflugs der Stämme vom Donnerstag immer noch ein Zugewinn von nahezu einem Fünftel. Profitieren würden hiervon vor allem die Eigentümerfamilie Schleussner, die von den knapp 20 Millionen Stammpapieren etwas mehr als die Hälfte hält. Weitere rund 15 Prozent liegen bei der Kreissparkasse Biberach und 7,4 Prozent bei der LBBW-Tochter BWInvest. Die restlichen rund 27 Prozent befinden sich in Streubesitz.
Für die Vorzugsaktien wollen die Chinesen nur 19 Euro und damit in etwa das zahlen, was das Papier derzeit am Markt kostet. Die sich zu 100 Prozent im Streubesitz befindenden Vorzugsaktien waren nach ihrem Rekordhoch von 38,133 Euro im Frühjahr 2015 bis knapp über 10 Euro Anfang 2016 abgestürzt, zogen danach aber wieder deutlich an.
Mit Gegenwind für die Chinesen aus der Politik wie etwa bei Aixtron geschehen, rechnet Biotest nach eigenen Angaben nicht. Die Produkte von Biotest hätten keinerlei sicherheitspolitische Relevanz, so ein Sprecher. Die Übernahme des Spezialmaschinenbauers Aixtron durch chinesische Interessenten war am Widerstand der US-Regierung gescheitert. Der Verkauf der Osram-Tochter Ledvance und des Roboterbauers Kuka nach China waren wiederum etwa in der deutschen Regierung teils auf starke Vorbehalte gestoßen.
Mit Creat käme nach Unternehmensangaben bei Biotest nun ein langfristig orientierter strategischer Investor an Bord, der den Standort stärken wolle. Diesen können die Hessen nach Einschätzung von Beobachtern wegen des eingeleiteten Konzernumbaus gut gebrauchen. Erst im Januar hatte sich Biotest von seinem verlustreichen US-Therapiegeschäft getrennt und dieses an die US-Biopharmafirma Adma Biologics verkauft.
Gleichzeitig mehrten sich zuletzt die schlechten Nachrichten: Einen herben Rückschlag erlitt Biotest erst vor kurzem, als mit dem US-Konzern Immunogen der langjährige Kooperationsparter die Beteiligung an der Entwicklung und Vermarktung eines Biotest-Wirkstoffkandidaten absagte. Anfang des Jahres sorgte die Nachricht für Unmut, dass Kedrion Pharma eine langjährige Vereinbarung für den Vertrieb des Immunglobulins Bivigam in den USA mit sofortiger Wirkung beendete.
Unter Fachleuten werden die Übernahmegespräche daher positiv gewertet. Analyst Torben Teichler von der Privatbank Hauck & Aufhäuser verwies auf das Potenzial, das Biotest durch eine mögliche Expansion in den chinesischen Markt möglicherweise in Zukunft schöpfen könnte. Aufsichtsrat und Vorstand bei Biotest begrüßten die Gespräche. Allerdings räumte der Konzern ein, dass es keine Garantie auf einen erfolgreichen Abschluss gebe. Dieser hänge unter anderem von der Buchprüfung und erforderlichen Finanzierungszusagen ab. Auch gebe es noch keine Vereinbarung mit dem Hauptaktionär Ogel GmbH, der von der Familie Schleussner kontrolliert wird.
Die chinesischen Investoren wollen laut Biotest den Firmensitz in Dreieich belassen. Dabei sollen Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge sowie die Mitbestimmung fortgeführt werden. Biotest beschäftigt weltweit mehr als 2500 Mitarbeiter. 2016 setzte das Unternehmen insgesamt 610,4 Millionen Euro um. In den nach dem Verkauf an Adma verbleibenden Kernsparten wuchsen die Erlöse um 3,5 Prozent auf 553,1 Millionen Euro, dabei konnte das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 71 Prozent auf 63,9 Millionen Euro gesteigert werden. Unter dem Strich blieben nach Steuern 34,5 Millionen Euro Gewinn nach 27 Millionen Euro im Vorjahr. Daran sollen auch die Aktionäre teilhaben: Für 2016 zahlt Biotest den Anlegern nun eine höhere Dividende von 5 (Vj: 2) Cent je Stammaktie und 7 (Vj: 4) Cent je Vorzugsaktie.
Für 2017 erwartet Biotest im Kerngeschäft nun einen Umsatzanstieg im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Das Ebit wird allerdings deutlich unter Vorjahresniveau erwartet und soll bei 46 bis 48 Millionen Euro liegen. Biotest verwies auf Belastungen im Zusammenhang mit seinem Investitionsprogramm, die inklusive der zugehörigen klinischen Entwicklungskosten sowie höherer Anlaufkosten mit 60 bis 70 Millionen Euro beziffert wurden. Zudem dürften sich Kosten für die Forschung und Entwicklung im Ergebnis niederschlagen.
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