Die Wehrmacht wütete in Ostpreußen

  23 Juni 2018    Gelesen: 1109
Die Wehrmacht wütete in Ostpreußen

Nach dem Sieg der Roten Armee über die Wehrmacht verhungerten 1945 in Ostpreußen Zehntausende deutsche Zivilisten. Wer war schuld? Ein Historiker belastet die Wehrmacht - und entlastet die sowjetischen Besatzer.

 

Als die Waffen schwiegen, begann das große Hungern. In Ostpreußen starben mehr Kinder, Frauen und alte Männer nach der Kapitulation des "Dritten Reichs" am 8. Mai 1945 als während der Kämpfe zwischen Wehrmacht und Roter Armee in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Überlebende und manche deutsche Historiker glaubten lange Zeit, die sowjetischen Sieger hätten aus Rache oder Kalkül die Menschen verhungern lassen.

Nun präsentiert der holländische Historiker Bastiaan Willems eine neue These. Seine Forschungen zeigen, dass die Wehrmacht vor ihrem Rückzug 1945 die Landwirtschaft Ostpreußens zerstört und damit zur Hungerkatastrophe beigetragen hat, der Zehntausende zum Opfer fielen.

Willems beruft sich auf Wehrmachtsdokumente aus der zweiten Jahreshälfte 1944. Das Institut für Zeitgeschichte veröffentlicht seine Darstellung in der neuen Ausgabe der "Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte". Die Rote Armee hatte die Wehrmacht von sowjetischem Territorium nach Ostpreußen zurückgedrängt. Das zuständige IX. Armeekorps befahl den Soldaten, ihren Bedarf "aus den Erzeugnissen des Landes" zu decken. Sie durften "Geräte" jeder Art mitnehmen, wenn diese für die "Kampfführung und zum alsbaldigen Gebrauch" benötigt wurden.

Die Soldaten bauten Molkereien ab, zerstörten Wasserleitungen, schlachteten fast den gesamten Vieh- und Pferdebestand. "Die Truppe scheint sich noch keinesfalls darüber im Klaren zu sein, dass sie jetzt wieder auf deutschem Boden steht und deutsche Volkswerte zu verteidigen hat", klagte ein Militär. Der Bahnhof des kleinen Rautenberg war nach einem Bericht "übervoll" mit landwirtschaftlichen Maschinen und Getreide. Der Präsident des Oberlandesgerichts Königsberg notierte schon vor dem Einmarsch der Roten Armee aus den damaligen Tilsit und Ragnit, die Häuser dort seien "furchtbar geplündert worden".

Laut Willems war die Sowjetunion nach ihrem Sieg weder willens noch in der Lage, eine Hungerkatastrophe im besetzten Ostpreußen abzuwenden. In der vom Krieg zerstörten Sowjetunion herrschte ebenfalls eine Hungersnot; zwei Millionen Menschen starben.

spiegel


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