Präsident in Not

  15 Februar 2019    Gelesen: 1256
Präsident in Not

Mit einem Trick will Donald Trump offenbar von seiner Schlappe im Mauerstreit ablenken: Er soll die Ausrufung des nationalen Notstands planen. Ob er sein Lieblingsprojekt so retten kann, ist fraglich.

Zu den Grundeigenschaften von Donald Trump gehört, dass er ein schlechter Verlierer ist. Deshalb sucht er am Ende immer einen Ausweg, der es ihm ermöglicht, sich doch noch irgendwie als Sieger fühlen zu können.

Im Streit mit dem Kongress um die Finanzierung seiner Mauerpläne glaubt er nun offenbar, einen solchen Ausweg gefunden zu haben. Monatelang hat sich Trump geweigert, einem neuen Haushalt zuzustimmen, wenn darin nicht ausreichend Geld für seine Mauer vorgesehen ist. Nun will er den mühsam ausgehandelten Kompromiss, den Republikaner und Demokraten ihm heute zur Unterschrift vorlegen, angeblich absegnen.

Gleichzeitig plant Trump aber die Ausrufung des nationalen Notstands, um auf diese Weise zusätzliche Gelder für sein Mauerprojekt einzusammeln. Seine offizielle Erklärung dazu soll heute kommen, Überraschungen sind im Hause Trump aber natürlich immer noch möglich.

Der Moment, als die Nachricht von Trumps Plänen im Kapitol in Washington bekanntgegeben wurde, wird sicherlich als eine der bizarren Episoden in die Geschichte dieser Präsidentschaft eingehen. Atemlos stürmte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, an das Rednerpult, um die Entscheidung des Präsidenten zu verkünden.

Er habe gerade in der Sache mit Trump telefoniert, erklärte McConnell. "Er unterschreibt." Aber er wolle auch den "Notstand erklären". Seinem Parteifreund Chuck Grassley, der gerade eine Rede über Biokraftstoffe hielt, wurde für diese Blitz-Nachricht das Wort abgeschnitten. "Das ist sehr unhöflich", schimpfte der Senior-Senator erbost und setzte sich grummelnd zurück auf seinen Platz.

So ist das im Trump-Zeitalter: Der Präsident sorgt wieder einmal für reichlich Verwirrung bei Freund und Feind. Noch versuchen sich alle einen Reim darauf zu machen, was Trumps angeblicher Doppel-Beschluss konkret bedeuten könnte. Wahrscheinlich weiß er es aber selbst noch nicht so genau.

Fest steht: Trump versucht sich irgendwie aus einer Zwickmühle zu befreien. Der Kompromiss, den er nun laut McConnell unterschreiben will, gefällt ihm nicht, weil er nur knapp 1,4 Milliarden Dollar für seine Mauer vorsieht. Damit lassen sich gerade einmal 80 Kilometer Grenze sichern. Trump bleibt aber wohl keine andere Wahl. Seine eigenen Leute, die Republikaner im Senat, zwingen ihn praktisch dazu, einzuknicken. McConnell und Co. wollen endlich eine Lösung in dem monatelangen Haushaltsstreit. Ein erneuter "Shutdown", also die Teil-Stilllegung der Regierung wegen Geldmangels, soll um jeden Preis vermieden werden. Die Republikaner fürchten, dass die Wähler sie sonst dafür abstrafen könnten.

Die knapp 1,4 Milliarden Dollar sind eine Blamage für Trump, die er so aber offenbar nicht stehen lassen will. Wenn er nun gleichzeitig den "nationalen Notstand" an der Grenze ausruft, kann der Präsident theoretisch weitere Milliarden aus anderen Haushaltstöpfen für den Mauerbau umschichten, zum Beispiel aus dem Etat des Militärs. Seinen Anhängern könnte Trump so beweisen, dass er sein Wahlversprechen, eine große Mauer zu bauen, doch irgendwie einhält.

Es ist eine gewagte Operation - in vielerlei Hinsicht. Eigentlich ist es nicht ungewöhnlich, wenn Präsidenten den "nationalen Notstand" ausrufen. So können zum Beispiel nach großen Naturkatastrophen schnell und unbürokratisch Gelder für die Opfer bereitgestellt werden. Doch in diesem Fall ist es anders: Der angebliche Notstand an der Grenze ist mehr oder weniger eine Erfindung, Trump würde damit schlicht versuchen, ein politisches Projekt durchzusetzen, für das er keine Mehrheit im Kongress hat.

Seit Monaten warnen deshalb Demokraten - und auch Republikaner - vor diesem Schritt. Sie sehen darin einen Verstoß gegen die Verfassung, die das Haushaltsrecht allein beim Kongress sieht. Viele Abgeordnete fürchten, dass Trump einen Präzedenzfall schafft. In Zukunft könnten Präsidenten (auch Demokraten) versuchen, unter Berufung auf Trumps Beispiel, alle möglichen politischen Projekte per Notverordnung durchzusetzen. Das Verbot von Schusswaffen zum Beispiel, oder drastische Maßnahmen zum Klimaschutz. Dem Kongress würde eine beispiellose Entmachtung drohen.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde Trumps Plan deshalb schon bald vor Gericht landen. Ein Bundesrichter könnte die Pläne sofort stoppen. Auch eine Verhandlung vor dem Obersten Gerichtshof, dem Supreme Court, wäre möglich. Obwohl die konservativen Richter dort inzwischen mit fünf zu vier Stimmen die Mehrheit halten, könnte sich der Präsident nicht sicher sein, dass er gewinnt. Das Gericht sieht sich traditionell als strikter Garant der Gewaltenteilung.

Wenn es für Trump ganz schlecht läuft, könnten seine Notstandspläne sogar vom Kongress ausgehebelt werden. Dazu bräuchte es im Senat eine Zweidrittelmehrheit. Zwar hat der republikanische Mehrheitsführer McConnell - entgegen früherer Ankündigungen - nun überraschend zugesagt, Trumps Notstandspläne zu unterstützen. Etliche andere republikanische Senatoren dürften über das Vorgehen aber entsetzt sein.

Noch vor wenigen Tagen hatte zum Beispiel Senator John Cornyn aus Texasgewarnt, eine Abstimmung zu den Notstandsplänen würde die Republikaner spalten. "Das ist keine gute Strategie." Andere Republikaner äußerten sich ähnlich.

So oder so steht fest: Sollte Trump nun tatsächlich den Notstand erklären, wird das Thema Mauer den politischen Betrieb in Washington noch eine ganze Weile beschäftigen. Oder eben die Gerichte. Zumindest das hätte Trump dann erreicht.

spiegel


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