Kirkuk: Provinzialratspräsident Talabani unterstreicht Notwendigkeit eines Referendums

  27 Januar 2016    Gelesen: 790
Kirkuk: Provinzialratspräsident Talabani unterstreicht Notwendigkeit eines Referendums
Im Interview mit dem türkischen Zentrum für Strategische Studien zum Mittleren Osten (ORSAM) erneuert der Präsident des Provinzialrats von Kirkuk, Rebwar Talabani, die Forderung nach einer endgültigen verfassungsmäßigen Klärung der Frage, welchen Status die Region in einem künftigen irakischen Gesamtstaat einnehmen soll.
Er erklärte, wie dringlich die Frage nach dem Status wäre, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der unzureichenden Sicherheitslage in der Stadt und den zuletzt wiederaufgeflammten ethnischen Spannungen.

Der endgültige Status der Stadt, in der Kurden, Turkmenen und Araber zusammenleben und auf deren Ölvorräte sowohl die Kurdische Regionalregierung als auch die Zentralregierung in Bagdad Anspruch erheben, sollte bereits Ende 2007 durch ein im Artikel 140 der irakischen Verfassung vorgesehenes Referendum geklärt werden. Ein solches wurde jedoch sowohl vonseiten kurdischer Seite als auch vonseiten der irakischen Zentralregierung bis auf weiteres vertagt.

Der Irak, so Talabani, leide immer noch an den Spätwirkungen des Regimes Saddam Husseins und auch Kirkuk sei diesbezüglich keine Ausnahme. Man versuche im kleinen Rahmen, so gut es geht, die Probleme zu lösen, aber die Probleme, die das gesamte Land erfassen, erfassen auch den Mikrokosmos Kirkuk.

Die Qualität der öffentlichen Leistungen habe ebenfalls gelitten, erklärt Talabani. Zusätzlich habe sich selbst die Qualität der grundlegenden Dienste verschlechtert. Die Sicherheitslage sei angespannt. Die Wirtschaft stagniere. Das alles seien Faktoren, die sich unmittelbar auf die Lebensqualität der Menschen in der Provinz auswirkten.

Bagdad habe Kirkuk vernachlässigt und infolge dessen hätte die Kurdische Autonomieregierung Schritte unternommen, um ihren Anspruch auf die Stadt zu festigen. Auch die Präsenz der Peshmerga sei größer geworden, allerdings habe auch diese nicht dazu geführt, die prekäre Sicherheitslage entscheidend zu verbessern. Obwohl die kurdischen Einheiten partiell Entlastung gebracht hätten, sei Kirkuk immer noch eine Hochburg der Gewaltkriminalität und es fänden regelmäßig Morde und Entführungen statt.

Talabani geht davon aus, dass unterschiedliche Gruppen aus verschiedenen Motiven heraus versuchen, die Spannungen zwischen Turkmenen, Arabern und Kurden in der Stadt zu verschärfen. Diese Gruppen kämen von außen, so Talabani, und wählten diese Strategie, weil sie es nicht vermögen würden, in der Stadt selbst Einfluss zu gewinnen.

Der kurdische Politiker wies darauf hin, dass in den Polizeieinheiten der Stadt darauf geachtet wurde, Posten gleichmäßig mit Personen aus allen Volksgruppen zu besetzen und dass dies auch gelungen sei. Der Polizeichef sei Kurde, sein Stellvertreter Turkmene. Deshalb würden auch alle Mitglieder der Polizeikräfte die gleiche Verantwortung tragen für die Sicherheit der Region. Allerdings würde Bagdad den Erfolg der Arbeit des Polizeidirektorats in Kirkuk unterminieren – obwohl niemand weniger Legitimation hätte, sich in die Belange der Stadt einzumischen, als die irakische Zentralregierung, deren Versagen für den Vormarsch des IS verantwortlich sei.

Die wichtigste Aufgabe sei derzeit die Zerschlagung des IS, machte Talabani deutlich. Daran anschließend müsse jedoch umgehend der Status der Stadt geklärt werden, wobei der Politiker drei denkbare Szenarien ansprach.

Eines davon – und dieses würde er selbst bevorzugen – wäre die Implementierung des Art. 140 der irakischen Verfassung, der den Weg zu einem Referendum freimachen würde, wie es auch ursprünglich ins Auge gefasst worden war.

Eine weitere denkbare Lösung, so Talabani, sei die Ingangsetzung eines neuen Verfassungsprozesses auf Gesamtstaatsebene. Sollte es dazu nicht kommen, behalte man sich, so der Politiker weiter, vor, die dritte mögliche Lösung, nämlich diesen auf eigene Faust zu initiieren, voranzubringen.

„Kirkuk ist eine Stadt von Brüdern und Schwestern“, erklärte der ranghohe kurdische Repräsentant. „Kurden, Turkmenen und Araber sind Brüder und Schwestern. Jede Seite mag ihre Probleme haben, aber sie haben trotzdem die Aufgabe, ein Zusammenleben zu meistern. Die wirtschaftliche Situation und die Sicherheit zu verbessern, ist meine Priorität als Vorsitzender des Provinzialrats. Ich bin der Repräsentant aller Menschen von Kirkuk.“

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