LSE-Offerte für Refinitiv zeigt Datenhunger der Börsenbetreiber

  30 Juli 2019    Gelesen: 692
LSE-Offerte für Refinitiv zeigt Datenhunger der Börsenbetreiber

London/New York (Reuters) - Mit der geplanten 27 Milliarden Dollar schweren Übernahme des Finanzdatenanbieters Refinitiv sorgt die Londoner Börse LSE für einen Paukenschlag.

Mit dem Deal will die Börse ihre Präsenz im lukrativen Datengeschäft ausbauen und unabhängiger vom schwankungsanfälligen Handelsgeschäft werden. Mit ihrem Datenhunger ist die LSE nicht allein - fast alle großen Börsenbetreiber wollen dieses Geschäft erweitern.

Denn die Gewinne im klassischen Aktienhandel sind unter Druck und hängen stark von den Launen an den Finanzmärkten ab. Gleichzeitig sind Zusammenschlüsse zwischen Börsenbetreibern kaum möglich, wie nicht nur die mehrfach gescheiterten Fusionsversuche von Deutscher Börse und LSE gezeigt haben. Oft vereitelten Kartellbedenken oder der Widerstand gegen den Verkauf eines nationalen Symbols, wie es Börsen für viele Länder sind, solche Vorhaben.

Daher suchen die großen Börsenbetreiber nach anderen Wegen, um zu wachsen. “Daten sind mehr als je zuvor das Herzblut der Finanzmärkte. Daten werden immer wertvoller”, sagt Kevin McPartland vom Beratungsunternehmen Greenwich Associates. Allein mit Echtzeit-Handelsdaten hätten die Börsen in den USA im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,4 Milliarden Dollar gemacht. Hinzu kommen weitere Milliardenerlöse etwa mit Indizes oder verwandten Dienstleistungen - Tendenz steigend. Schließlich macht der automatisierte Wertapierhandel mit Hilfe von Computerprogrammen immer mehr Schule. Dabei entscheidet ein Algorithmus basierend auf entsprechenden Daten automatisch über Kauf oder Verkauf einer Aktie, Anleihe oder eines Finanzderivats.

ANLEGER IM DATENFIEBER - LSE-AKTIE STEIGT AUF REKORDHOCH

Bei Analysten und an der Börse konnte die LSE mit ihren Plänen zum Kauf von Refinitiv punkten. “Es macht sie wettbewerbsfähiger und zu einem attraktiveren Partner”, sagt Analyst Spencer Mindlin vom Analysehaus Aite Group. Die LSE-Aktie sprang am Montag um mehr als 15 Prozent auf ein Rekordhoch.

Schon heute erwirtschaftet die LSE fast 40 Prozent ihrer Konzernerlöse von 2,14 Milliarden Pfund (2,4 Milliarden Euro) mit Informationsdienstleistungen. Danach folgt der Nachhandel - etwa die Abwicklung von Börsengeschäften -, der gut ein Drittel zum Umsatz beiträgt. Das traditionelle Kapitalmarktgeschäft wie der Aktienhandel oder Börsengänge verliert dagegen zunehmend an Bedeutung: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die LSE hier nur noch 19 Prozent der Konzernerlöse - vor einem Jahrzehnt waren es noch 46 Prozent.

Auch Konkurrenten wie die Intercontinental Exchange, Nasdaq und die Deutsche Börse haben durch kleinere Deals ihre Abhängigkeit vom Aktienhandel in den vergangenen Jahren reduziert. So kündigte die Deutsche Börse erst im April die Übernahme des US-Konzerns Axioma an, der für Profi-Investoren Lösungen für das Portfolio- und Risikomanagement anbietet. Die Pläne des Dax-Konzerns, sich auch die Refinitiv-Devisenhandelsplattform FXall einzuverleiben, durchkreuzte die LSE mit ihrem Vorstoß.

Die Londoner Börse stellte in ihrer Mitteilung vom Samstag heraus, dass die Refinitiv-Übernahme ihr helfen würde, das Datengeschäft auszubauen, das Handelsgeschäft zu diversifizieren und die globale Präsenz zu verstärken. Damit könne der Börsenbetreiber von künftigen Wachstumschancen profitieren.

Refinitiv ist die ehemalige Finanzmarktsparte des kanadischen Informationskonzerns Thomson Reuters, die 2018 mehrheitlich vom US-Investor Blackstone übernommen worden war. Das Unternehmen bietet etwa Börsenkurse, Konjunkturdaten, Informationen zu Fusionen und Übernahmen wie die sogenannten League Tables, oder Daten für den Kampf gegen Geldwäsche. Der Vertrag über die Lieferung von Reuters-Nachrichten an Refinitiv soll auch bei einem Eigentümerwechsel gültig bleiben. 45 Prozent an Refinitiv sind noch im Besitz des Daten- und Nachrichtenanbieters Thomson Reuters, dem Mutterkonzern der Nachrichtenagentur Reuters.

Trotz aller Wachstumseuphorie: Investoren und Banken, die für Marktdaten zahlen müssen, wehren sich gegen die steigenden Preise der Börsenbetreiber. Einige Kunden haben sich bei der europäischen Wertpapieraufsicht Esma darüber beschwert, dass die Börsenbetreiber trotz fallender Kosten für Rechenleistung und Datenspeicherung die Gebühren weiter erhöhen.


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