Der Bau des Hochhauses „Edge East Side Berlin“ im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg droht zu scheitern. Wie Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) auf Tagesspiegel-Anfrage mitteilte, „halten sich die gegenwärtigen Baupläne nicht an die Vorgaben aus dem städtebaulichen Vertrag“.
Der aktuelle Entwurf weiche auch deshalb stark vom Ergebnis des Werkstattverfahrens ab, weil sich die Grundfläche verkleinert habe. Zudem liege ein Einspruch der Bundeswehr vor, weil er Reflektionen auslöse und deshalb die Radarsignale störe. Der Bauherr des Projektes, der Immobilienentwickler Edge Technologies, nahm auf Anfragen bislang nicht Stellung.
Sollte ein neuer Wettbewerb nötig werden, wäre das ein herber Rückschlag für eine der spektakulärsten jüngsten Ankündigungen in der Berliner Wirtschaft: Der Onlinehändler Amazon wollte den Großteil der Flächen im Gebäude anmieten – 28 der insgesamt 35 Stockwerke. Auf 55.000 Quadratmetern sollten 3400 hochqualifizierte Mitarbeiter aus der Entwicklung einen Arbeitsplatz finden.
Der Konzern wollte seine Zahl der Berliner Mitarbeiter in diesem Bereich damit vervierfachen. Zu Wochenbeginn sah es gut aus für die Pläne des Konzerns: Der Bezirk hatte bereits Baurecht erlassen. Der Turm sollte bis zum Jahr 2023 fertig werden, Amazon ein Jahr später einziehen.
Baustadtrat sieht Schuld beim Investor
Das alles wäre Makulatur, falls Bezirk und Senat wirklich Ernst machen. Die rechtlichen Möglichkeiten werden zurzeit in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geklärt. Aber „letztlich brauchen wir dazu einen politischen Beschluss“, sagt Schmidt. Dass seine eigenen Leute die Genehmigung für den Bau des Turms vor wenigen Monaten erteilten, erklärt Schmidt, mit „den Abläufen im Verwaltungsrecht“ – und wirft dem Investor „Vertragsbruch“ vor.
Der zuletzt vorgelegte Entwurf der Architekten Bjarke Ingels Group habe kaum noch etwas zu tun mit dem Ergebnis aus dem Werkstattverfahren, auf das sich Senat, Bezirk und Investor geeinigt hätten. Das verstoße gegen den bestehenden städtebaulichen Vertrag. Alle Versuche des Baukollegiums um Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, Korrekturen zu erwirken, seien erfolglos gewesen. „Deshalb haben ich der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgeschlagen, ein Wettbewerbsverfahren einzufordern und dies notfalls auf dem Wege einer Klage durchzusetzen“, sagte Schmidt.
Das Hochausprojekt war im September zum vierten Mal beraten worden – und durchgefallen. In einer Presseerklärung hieß es unmissverständlich „die vorgeschlagene Überarbeitung des Entwurfs für den Sockelbereich und die Umgebungsgestaltung des ’Edge’ an der Warschauer Brücke konnte das Baukollegium weiterhin nicht überzeugen“. Weiter heißt es, dass bei dem Projekt „kein stimmiges Konzept zu erkennen ist“.
Die klare Ablehnung des Hochhausprojektes ist auch ein wesentlicher Grund für Schmidt, sich gegen das Vorhaben zu stellen und eine Klage anzustreben: „Die Qualifizierung der Entwürfe, die aus dem Werksstattverfahren unter Beteiligung des Senats und des Bezirks hervorgegangen sind, war fest vereinbart“. Dass der Investor sich daran nicht halte, sei eine ähnliche Brüskierung der Öffentlichen Hand „wie der Ausstieg aus den sonst üblichen Wettbewerbsverfahren“.
Noch nie seit seiner Gründung sei das Baukollegium aus einem Verfahren ausgestiegen. „Das Hochhaus bringt eine gewaltige Veränderung des Stadtbildes, die Verantwortung ist zu groß, um den Dingen hier ihren Lauf gegen den Rat der Experten zu lassen“. Teilnehmer am Baukollegium berichten von einem „grundlegenden Verständigungsproblem zwischen Baukollegium, Träger des Turmprojektes und den Architekten“. Gestritten wurde vor allem um die unteren Stockwerke und wie sie in die Stadt eingebunden werden können – und ob das auf Grundlage der bestehenden Planung überhaupt möglich ist.
„Abwarten und dann weitersehen“
Der Vergleich des frühen Entwurfs, auf den sich die Teilnehmer der Werkstatt geeinigt hatten, mit dem nun geplanten Konzept, zeigt, wie massiv das Gebäude in den unteren Geschossen geworden ist. Auch die Gliederung der Fassade, die ursprünglich mit versetzt aufeinandergetürmten gläsernen Würfeln spielerisch wirkte, ist kompakter geworden.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestätigte Gespräche zwischen Schmidt und Lüscher zu dem Thema und dass Schmidt seine Vorschläge in einem Schreiben an die Hauptverwaltung vorgetragen habe: „Die Durchführung eines neuen Wettbewerbs, wird zunächst mal rechtlich auf ihre Plausibilität hin überprüft“. Dieses Ergebnis müsse „man erst mal abwarten und dann weitersehen“.
Tagesspiegel
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