Nationalversammlung beginnt hitzige Debatte über Verfassungsänderung

  06 Februar 2016    Gelesen: 633
Nationalversammlung beginnt hitzige Debatte über Verfassungsänderung
Mit hitzigen Wortgefechten hat in der französische Nationalversammlung die Debatte über eine nach den Anschlägen vom November angestrebte Verfassungsänderung begonnen. Dabei wurde am Freitag nicht nur über die geplante Verankerung des Ausnahmezustands in der Verfassung gestritten. Für erregte Gemüter sorgten insbesondere die Pläne der Regierung, gebürtigen Franzosen nach einer Terrorverurteilung die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen.
Premierminister Manuel Valls rief die Abgeordneten angesichts der Terrorbedrohung zur "Einheit" auf. Die Franzosen verlangten von ihnen, "alles zu ihrem Schutz" zu tun, sagte der Sozialist.
Mit der von Staatschef François Hollande gewollten Verfassungsänderung zum "Schutz der Nation" soll der bislang lediglich in einem Gesetz geregelte Ausnahmezustand in die Verfassung aufgenommen und damit auf eine stabilere Grundlage gestellt werden. Damit werde "in Stein gemeißelt", dass es sich um eine nur in Ausnahmefällen anwendbare Maßnahme handle, sagte Valls.

Wie bisher auch soll der Ausnahmezustand zunächst nur für maximal zwölf Tage ausgerufen werden. Eine Verlängerung darüber hinaus bedarf der Zustimmung des Parlaments. Eine solche Verlängerung solle zunächst auf vier Monate beschränkt werden, sagte Valls, dies sei dann aber wiederum verlängerbar. Bisher gibt es keine solche zeitliche Begrenzung.

Hollande hatte den Ausnahmezustand, der den Behörden in Krisenzeiten umfassende Befugnisse einräumt, nach den Anschlägen vom 13. November mit 130 Toten ausgerufen. Er soll bis Ende Mai verlängert werden. Kritiker wie der konservative Ex-Regierungschef François Fillon halten es für unnötig, den Ausnahmezustand in der Verfassung zu verankern, sie halten die gesetzlichen Vorgaben für ausreichend.

Für weitaus erregtere Debatten aber sorgt der zweite Teil der Verfassungsreform: Die Regierung will die Möglichkeiten ausweiten, Menschen nach einer Terrorismus-Verurteilung die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Bislang war das nur bei Verurteilten mit doppelter Staatsbürgerschaft möglich, die im Laufe ihres Lebens Franzosen wurden. Künftig soll die Strafmaßnahme auch bei gebürtigen Franzosen mit zwei Pässen anwendbar sein.

Das stößt bei vielen Abgeordneten im linken Lager einschließlich der regierenden Sozialisten auf erbitterten Widerstand. Sie argumentieren, damit würden Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft schlechter gestellt als solche ohne zweiten Pass, was gegen das Gleichheitsprinzip verstoße. In dem seit Wochen andauernden erbitterten Streit trat Ende Januar die französische Justizministerin Christiane Taubira zurück.

Die Grünen-Politikerin Cécile Duflot warf der Regierung am Freitag in der Parlamentsdebatte vor, linke Werte "in der Versenkung verschwinden zu lassen". Die Verfassungsreform sei "unnötig" und "gefährlich".

Buh-Rufe der Sozialisten zog Duflot mit dem Hinweis auf sich, zuletzt habe das im Zweiten Weltkrieg mit den NS-Besatzern kollaborierende Vichy-Regime "massenhaft" vom Entzug der Staatsbürgerschaft Gebrauch gemacht. Der Linkenpolitiker André Chassaigne bezeichnete die Verfassungsreform als "Symbol einer Republik des Rückzugs, der Angst, der Ablehnung".

Das Votum der Nationalversammlung wird am kommenden Mittwoch erwartet, dann ist der Senat am Zug. Einigen sich beide Parlamentskammern auf einen gemeinsamen Text, muss dieser bei einer gemeinsamen Sitzung von Abgeordneten und Senatoren im sogenannten Kongress mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit beschlossen werden. Angesichts des Streits um den Entzug der Staatsbürgerschaft ist aber ungewiss, ob das gelingen wird.

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