Nach Milliardenverlusten 2019 muss das Frankfurter Geldhaus 2020 beweisen, dass der größte Umbau in der Firmengeschichte funktioniert und die Risse im Fundament gekittet werden. “This time is different” - die Zeit gebrochener Versprechen sei vorbei, schwört Vorstandschef Christian Sewing. Doch nur wenige Monate nach der Ankündigung seiner neuen Strategie kippt er wegen der niedrigen Zinsen und des harten Wettbewerbs schon die Wachstumsziele für das Privat- und Firmenkundengeschäft, das eigentlich künftig im Fokus steht. Nun soll ausgerechnet das Investmentbanking das ins Wanken geratene Gewinnziel retten. Die Sparte war in der Vergangenheit für teils horrende Verluste verantwortlich und sollte nach dem Willen des 49-Jährigen eigentlich abspecken.
“Man kauft es Sewing ab, dass die Deutsche Bank es diesmal ernst meint mit dem Umbau”, sagt Bankanalyst Philipp Häßler vom Brokerhaus Pareto Securities. “Aber es ist auch klar geworden, dass das Investmentbanking ein Dreh- und Angelpunkt bleibt.” Die zweitgrößte Sparte der im März 1870 gegründeten Bank soll bis 2022 Ertragsverluste in anderen Sparten wettmachen, damit das Renditeziel des Instituts von acht Prozent erreicht wird. Der Handel mit festverzinslichen Wertpapieren und Devisen lief im Oktober und November zwar viel besser als im Vorjahr, wie Sewing kürzlich beim Investorentag erläuterte. Aber Experten sind skeptisch, ob das so bleibt.
Zum einen fällt bei einem genauen Blick in die Bilanzen auf, dass der Vorjahreszeitraum besonders schwach ausfiel. Die Erträge aus dem Anleihe- und Devisenhandel gingen damals im Vergleich zum Schlussquartal 2017 um fast ein Viertel auf 786 Millionen Euro zurück. Zum anderen rechnen Experten damit, dass das Geschäft generell an Glanz verloren hat - zumindest für die europäischen Banken. Ihnen nehmen US-Häuser wie JP Morgan oder Goldman Sachs die Butter vom Brot. “Die US-Institute sind so etwas wie die Römische Armee. Das einzige, was für sie zählt, ist Wachstum”, sagt Analyst Amrit Shahani vom Datendienst Coalition. “Bei den Produkten, wo sie noch keine Nummer eins sind, wollen sie unbedingt Nummer eins werden und greifen hart an.”
SPAREN BLEIBT DIE OBERSTE DEVISE
Analyst Kian Abouhossein von JP Morgan rechnet damit, dass die Erträge der Deutschen Bank im Anleihe- und Devisenhandel bis 2022 pro Jahr um 2,5 Prozent sinken werden. Dagegen stellt Deutsche-Bank-Investmentbankingchef Mark Fedorcik zwei Prozent Wachstum pro Jahr in Aussicht. Große Hoffnungen setzt der Amerikaner auf Kostensenkungen, bessere Technologien und den Abbau von Jobs im Backoffice. Außerdem will er die Zusammenarbeit mit den Firmenkundenberatern ausbauen, um die Unternehmen besser bei Kapitalmarktdeals zu unterstützen und mehr Erträge zu erzielen.
Der Schwenk kommt nicht bei allen Investoren gut an. “Es ist überraschend, dass die Deutsche Bank wieder verstärkt auf das Investmentbanking setzt”, sagt Portfoliomanagerin Alexandra Annecke von der Fondsgesellschaft Union Investment, die Anteile an der Bank hält. “Hier hat der Kapitalmarkt noch Zweifel. Die Anleger werden erst an eine Renaissance des Investmentbankings glauben, wenn sie es in den Zahlen sehen.” Sewing hatte Anfang Juli noch angekündigt, den Handel mit Anleihen zu schrumpfen, das Aktiengeschäft ganz einzudampfen und dafür die Privat- und Firmenkunden in den Fokus zu stellen. “Wenn Sewing jetzt schon die Fortschritte im Investmentbanking hervorhebt, kann das ein Zeichen dafür sein, dass die Bank in anderen Bereichen ihren Zielen deutlich hinterherhinkt”, warnt Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Ende September entfiel knapp ein Drittel der Gesamterträge von 17,8 Milliarden Euro auf die Investmentbank. Das Geschäft mit den rund 19 Millionen Privatkunden war für 35 Prozent der Einnahmen verantwortlich, die Firmenkundensparte für 22 Prozent. Die niedrigen Leitzinsen und ein harter Wettbewerb machen es der Deutschen Bank und anderen Häusern in der Euro-Zone schwer, mit Privat- und Unternehmenskunden auskömmliche Erträge zu erzielen. Sewing fährt deshalb konzernweit einen radikalen Sparkurs: Er will weltweit 18.000 Jobs streichen und die Kosten bis 2022 um rund sechs Milliarden Euro drücken.
ZU OFT NICHT GELIEFERT
Die meisten Investoren stehen hinter dem Vorstandschef, der seine Karriere 1989 als Lehrling in einer Bielefelder Filiale begonnen hat. “Vor allem was seine Kostenziele angeht, genießt Herr Sewing hohes Vertrauen”, sagt Annecke. Allerdings muss er viel Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. “Die Bank hat seit der Finanzkrise oft Veränderungen angekündigt - und oft hat sie nicht geliefert”, sagt Häßler. Die Aktien des Instituts dümpeln seit Monaten um die sieben Euro, seit Sewings Antritt im April 2018 verloren sie rund 45 Prozent. Besonders die Sorge vor einer weiteren Kapitalerhöhung kann Sewing nicht aus der Welt schaffen, obwohl er stets betont, dass es dafür keinerlei Pläne gebe.
Allzuviel Zeit bleibt ihm nicht, den Tanker mit seinen immer noch knapp 90.000 Mitarbeitern umzusteuern. “Spätestens zur Hauptversammlung im Mai muss die Deutsche Bank deutliche Fortschritte präsentieren”, sagt Nieding. “Der Konzernumbau ist der letzte Schuss, den die Deutsche Bank hat. Der muss jetzt sitzen.”
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