Die Einigkeit zwischen den progressiven US-Demokraten Elizabeth Warren und Bernie Sanders wird derzeit nur mit Mühe aufrecht erhalten. Noch rund drei Wochen hat die Partei bis zur ersten Vorwahl der Präsidentschaftswahl 2020. Als Entscheidungshilfe für den Bundesstaat Iowa und das ganze Land, wer denn im November gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump antreten soll, gab es eine weitere TV-Debatte. Am Ende der mehr als zwei Stunden auf der Bühne, als die Mikrofone nichts mehr übertrugen, ging Warren zu Sanders – gab ihm aber nicht die Hand, sondern konfrontierte ihn augenscheinlich mit etwas. Sanders hob mehrfach abwehrend die Hände, danach entfernten sie sich in unterschiedliche Richtungen voneinander.
Dass die Stimmung zwischen den beiden Linken an diesem Abend nicht die beste sein würde, war abzusehen. Zuvor hatten US-Medien gemeldet, bei einem Treffen im Jahr 2018 habe Sanders zu Warren gesagt, eine Frau könne keine Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Sanders dementierte dies bei der TV-Debatte. Außerdem waren Wahlkampfanweisungen aus Sanders' Kampagne aufgetaucht, wie seine Helfer die Konkurrentin vor Wählern in schlechtes Licht rücken sollten. Sanders distanzierte sich. Zwar machte Warren im Fernsehen eines schnell klar: "Ich bin nicht hier, um gegen Bernie zu kämpfen." Sie wies jedoch darauf hin, dass die Frauen auf der Bühne – Amy Klobuchar und sie – bei Wahlen besonders erfolgreich gegen Republikaner seien.
Doch die Geister sind aus der Flasche, und Erinnerungen aus dem vergangenen Präsidentschaftswahlkampf wurden wach. Da hatte Sanders mit Hillary Clinton bis zuletzt um die Kandidatur gerungen und ihr zunächst die Unterstützung versagt. Manche sehen das bis heute als einer Gründe für deren Niederlage gegen Trump. "Natürlich kann eine Frau Präsidentin werden", sagte Sanders nun im Fernsehen. "Hillary (Clinton) hat die Wahl mit drei Millionen Stimmen gewonnen (..), wie könnte jemand glauben, dass keine Frau US-Präsidentin werden könnte?" Sanders vergab zudem einen Freibrief: Er werde jeden der anderen fünf Anwesenden bedingungslos unterstützen, der gegen Trump kandidieren sollte.
Biden seltsam angestrengt
Die TV-Debatte hatte zuvor mit einem bislang im Wahlkampf vernachlässigten Thema begonnen: Der Außenpolitik. "Am Rande eines Krieges" habe man sich mit dem Iran befunden, sagte ein Moderator, nun sollten die Kandidaten darlegen, wie sie den Scherbenhaufen der Trump-Regierung wieder zusammenkleben und die Rolle der USA in der Welt gestalten würden. Sanders stellte sich daraufhin als Vermittler dar und betont seine Ablehnung des Irak-Krieges, Ex-Vizepräsident Joe Biden zeigte sich ob seiner Zustimmung zum selben Waffengang reuig, will aber Spezialkräfte in der Region belassen und internationale Koalitionen schmieden, damit die USA nicht wieder als Weltpolizist enden. Warren will alle Kampftruppen von dort abziehen: "Das hilft nicht." Steve Buttigieg, selbst junger Veteran, erzählte von seinen Ex-Kameraden. Alle wollen ein neues Abkommen mit dem Iran, damit die Islamische Republik keine Atomwaffen entwickelt.
Die Diskussion war weitaus zahmer als vorherige, geriet fast zur ausgedehnten Vorstellungsrunde. Die großen Meinungsverschiedenheiten sind offenbar ausgefochten. Neben der Iran-Krise präsentierten die Bewerber schlicht engagiert ihre Vorhaben und Ansichten zum USMCA, dem Nachfolge-Handelsabkommen von Nafta; über die Zukunft der Krankenversicherung und explodierende Arzneikosten, die Klimakrise - und wie sie Trump schlagen wollen. Bemerkenswert waren die mitunter offensiven Fragen in Richtung Sanders. Ob er die USA mit seinen Plänen nicht in den Staatsbankrott treibe? Warum die Amerikaner einen selbsterklärten demokratischen Sozialisten wählen sollten? Sanders konterte mit eingeübten Satzsalven voller sozialer Ungerechtigkeiten und Schuldzuweisungen in Richtung der Großkonzerne aus fossiler Energiewirtschaft und Gesundheitswesen. Warren erklärte, der Staat solle Medikamente produzieren, um die Privatanbieter zu Preissenkungen zu zwingen und präsentierte sich einmal mehr wie Sanders als Konzernkritikerin. Amerika gehe es gut, wovon aber nur "die da oben" profitierten. Unternehmen wie Chevron oder Amazon müssten endlich Steuern zahlen.
Biden versuchte sich als der wählbarste Bewerber darzustellen, der die breiteste Unterstützung erhalten kann. Er versprach sich allerdings auffällig oft und wirkte seltsam angestrengt. Klobuchar indes unterstrich ihr Profil als ausgleichende, vermittelnde Macherin und bohrte bei Sanders der Finanzierung seiner Pläne nach, die angeblich innerhalb von zehn Jahren das den US-Staatshaushalt verdoppeln würden: "Du solltest zeigen, wie Du das bezahlst, Bernie." Zudem zog sie Warren und Sanders in Bezug auf die öffentliche Krankenversicherung für alle ("Medicare for all") ein Stück weit den Boden unter den Füßen weg: Die Mehrheit der demokratischen Senatoren unterstütze ihr Gesetzesvorhaben schlicht nicht.
Steyer steht links
Abseits dieser Themen mischte sich in die zwischenzeitliche Auseinandersetzung zwischen Warren und Sanders niemand ein. Warum auch, die gemäßigten Bewerber könnten davon profitieren, wenn die bislang unverbrüchliche Einigkeit der Linken bröckeln sollte. Doch noch hält das Bündnis. In Tom Steyer haben haben Warren, Sanders und damit der progressive Parteiflügel sogar einen weiteren Mitstreiter gefunden. Der Milliardär hatte einen starken Auftritt, attackierte den gemäßigten Buttigieg und macht klar, dass der Klimawandel das Leitmotiv seines politischen Handelns sei. Er würde als Präsident die Klimakrise ausrufen und das "größte Arbeitsprogramm in der US-Geschichte" auflegen, kündigte er an. Das klingt verdächtig nach "Green New Deal", den auch Sanders und Warren unterstützen.
Wie lange Steyer im Rennen bleibt, ist allerdings unklar. Vor der Debatte kam er in landesweiten Umfragen unter Demokraten auf 2,4 Prozent Zustimmung. Biden erreichte 27,2 Prozent, Sanders 19,2 und Warren 16,6. In Iowa allerdings sieht es anders aus: Biden kam vor dem Auftritt auf 20,7, Sanders auf 20,3 Buttigieg auf 18,7 und Warren auf 16 Prozent. Allerdings sagten auch fast die Hälfte der Demokraten, sie könnte ihre Meinung bis zur Vorwahl am 3. Februar im letzten Moment noch ändern.
Der Wahlausgang im Staat im Mittleren Westen gilt als Indikator für das weitere Rennen der Bewerber, ist aber nicht entscheidend. Bis Juni wählen die Demokraten in allen US-Bundesstaaten ihre Favoriten unter den Präsidentschaftsbewerbern. Bei einer Parteiversammlung im Juli wird dann der Kandidat gekürt, der Trump aus dem Weißen Haus vertreiben soll.
n-tv
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