Die Bundesregierung hat klargestellt, dass sie die Öffnung des Einzelhandels in Bundesländern auch vor dem 7. März für möglich hält, wenn die Infektionszahlen dauerhaft unter einer Inzidenz von 35 liegen. Dieser Wert müsse drei bis fünf Tage unterschritten sein, bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert. Die genaue Umsetzung sei Sache der Länder.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bestritt, dass dieses Vorgehen von dem Bund-Länder-Papier vom vergangenen Mittwoch abweiche. Dass es je nach Infektionsgeschehen regionale Unterschiede gebe, sei "im Grunde das Grundkonzept seit zwölf Monaten", sagte er. Erst im Herbst sei es notwendig geworden, bundesweit die gleichen Maßnahmen einzuführen, "weil wir eben ein so dynamisches Geschehen insgesamt im Bundesgebiet" gehabt hätten. Aber von Anfang an sei in der Strategie angelegt gewesen, zu den regionalen Maßnahmen zurückzukehren.
Noch am Donnerstag hatte das Bundesgesundheitsministerium zu diesem Thema auf Anfrage von ntv.de auf das Bundespresseamt verwiesen. Das wollte keine konkreten Angaben machen. "Über die Umsetzung der Öffnungsschritte bei Erreichen einer stabilen 7-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner entscheiden die Länder", teilte eine Regierungssprecherin lediglich mit. Dies gelte auch für die Bezugsebene, also für die Frage, ob Kreise oder das ganze Bundesland die Lockerungsbedingungen erfüllen müssen.
Diese Frage ist offenbar noch immer nicht geklärt. Mehrere Landkreise haben bereits einen Wert unter 35 erreicht, Bundesländer insgesamt allerdings noch nicht: Rheinland-Pfalz registriert aktuell eine Inzidenz von 52,5, Thüringen einen Wert von 105,7.
"Mindestens drei Tage"
Bei ihrer Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel beschlossen, dass "der nächste Öffnungsschritt" erst bei einer "stabilen 7-Tage-Inzidenz von höchstens 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner durch die Länder erfolgen" solle. Nach Öffnung der Schulen und der Friseure solle es dann um die "Öffnung des Einzelhandels mit einer Begrenzung von einer Kundin oder einem Kunden pro 20 qm" gehen sowie um Museen, Galerien und die sogenannten körpernahen Dienstleistungsbetriebe.
Auf die Frage, wie lange die 35 gehalten werden müsse, bevor es Öffnungen geben könne, räumte Merkel am Mittwoch ein, dass es in der Runde Differenzen dazu gegeben habe. "Wir haben die stabile Sieben-Tage-Inzidenz mitunter unterschiedlich definiert. Mindestens drei Tage, will ich einmal sagen, irgendetwas zwischen drei und fünf Tagen sollte es sein. Sie können davon ausgehen: mindestens drei Tage." Merkel hatte sich in der Konferenz für eine möglichst späte Öffnung eingesetzt und ursprünglich für eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 14. März geworben.
Generell sieht der Beschluss eine Verlängerung des Lockdowns bis zum 7. März vor. Eine Umfrage von ntv und RTL unter den Bundesländern zeigt allerdings, dass einige Länder den Beschluss so interpretieren, dass auch vorher Öffnungen möglich sind. So erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, aus seiner Sicht würden die Maßnahmen bis zum 7. März gelten. Dagegen sagte ein Sprecher der Berliner Senatskanzlei: "Wenn Länder eine stabile 35er-Inzidenz erreichen, können die Länder in Absprache mit den Nachbarländern den nächsten Öffnungsschritt gehen." Das sei aber kein Automatismus und müsste von den jeweiligen Landesregierungen entschieden werden. Auch Berlins Nachbarland Brandenburg sprach sich für eine zwischen den Ländern abgestimmte Öffnungsperspektive aus. Zunächst würden der Start des Wechselunterrichts an den Grundschulen und die Öffnung der Friseure zum 1. März umgesetzt. Weitere Änderungen seien vor dem 7. März nicht vorgesehen.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, mahnte angesichts der Mutationen zur Vorsicht. Er betonte aber, dass die Schutzmaßnahmen wirkten, was sich auch daran zeige, dass andere Infektionskrankheiten wie die Grippe in diesem Winter weniger aufträten als in vorherigen Jahren. Das RKI meldeten am heutigen Freitag 9860 neue Fälle binnen eines Tages - erneut weniger als in der Vorwoche. Außerdem wurden 556 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner - die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz - sank für ganz Deutschland gerechnet auf 62,2, nachdem es am Vortag noch 64,2 waren.
Wirklich beherrschbar, so Wieler, sei die Pandemie bei einer Inzidenz unter 10, weil man dann alle Infektionsketten gut nachverfolgen könne. Spahn äußerte in derselben Pressekonferenz die Erwartung, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland über das Wochenende unter die Schwelle von 60 sinken werde. Lockerungen der Auflagen könne es dennoch derzeit nicht geben. "Wenn wir jetzt öffnen, verspielen wir den bisherigen Erfolg", sagte er.
Quelle: ntv.de, hvo/rts
Tags: