Wo Kindesentführungen ein Geschäft sind

  14 März 2021    Gelesen: 417
Wo Kindesentführungen ein Geschäft sind

Der Nordwesten Nigerias wird immer mehr zu einer Region ohne Gesetze. Hunderte Gangs terrorisieren, plündern und töten. Nun haben sie die Entführung von Schulkindern als neue Geldquelle für sich entdeckt.

Es war spät an einem warmen Freitagabend im Dezember, als die Schüler der »Government Science Secondary School« in Kankara im Nordwesten Nigerias Schüsse hörten. Mehr als hundert Männer auf Motorrädern mit Gewehren in den Händen hatten das Gelände gestürmt. Die Jungen rannten aus ihren Schlafsälen. Einige kletterten über den Zaun und flohen. Die anderen blieben. Die Männer mit den Sturmgewehren erklärten ihnen, sie seien Polizisten. Also folgten die Kinder ihnen, liefen die ganze Nacht hindurch durch die Wälder. Schuhe trug fast keiner von ihnen. Wer sich wehrte, wurde bedroht und geschlagen. Die mehr als 300 Jungen waren entführt worden.

Sechs Tage später, nachdem die Entführer ihr Lösegeld bekommen hatten, kamen sie frei.

Geschichten wie diese häufen sich seitdem im Nordwesten Nigerias. Erst in der Nacht von Donnerstag auf Freitag dieser Woche wurden in Kaduna State 30 Schulmädchen entführt. Aus einer Schule nur 200 Meter entfernt von einer Militärakademie. Zwei Wochen zuvor waren im benachbarten Zafara State 279 Schülerinnen entführt worden. Als Reaktion auf die Entführungen wurden in den Bundestaaten Kano, Yobe, Katsina und Niger nun die Schulen teilweise geschlossen. Seit Dezember letzten Jahres sind mindestens 800 Schulkinder entführt worden.

Als 2014 knapp 300 Schülerinnen von der radikal islamistischen Terrorgruppe Boko Haram in dem kleinen Ort Chibok entführt wurden, war der weltweite Aufschrei groß. Menschen gingen auf die Straßen, der Hashtag #BringBackOurGirls wurde selbst von Michelle Obama aufgegriffen.

Einen vergleichbaren Aufschrei gibt es nun nicht. Bukky Shonibare, Mitbegründerin der Gruppe Bring Back Our Girls, sagt, die Nigerianer seien von der Menge der Massenentführungen schlicht erschöpft. »Es gibt eine Grenze für das, was das Herz ertragen kann. Die Menschen sind einfach wirklich müde.«

spiegel


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