Entwicklung einer 100 prozentig türkischen Drohnen-Flotte und eigenem SIGINT-System

  26 März 2016    Gelesen: 2867
Entwicklung einer 100 prozentig türkischen Drohnen-Flotte und eigenem SIGINT-System
Das Rüstungsbeschaffungsamt und führende Industrieoffizielle der Türkei arbeiten energisch daran, die Abhängigkeit des Landes von ausländischen Drohnen- und entsprechenden Untersystemen zu beenden. Ankara beabsichtigt, das türkische Militär in den nächsten Jahren im Sinne der Selbstversorgung zu 100 Prozent durch lokale Anbieter bedienen zu können.
Von der türkischen Regierung ermutigt hat sich die türkische Rüstungsindustrie – staatliche wie private Unternehmen – zum Ziel gesetzt, Anstrengungen zu intensivieren, um eine „zu 100 Prozent türkische Drohnen-Flotte bis 2017“ aufzubauen.

Im Rahmen einer hochrangig durch türkische Offizielle besetzten Zeremonie im Februar hatte die Anka Block A-Drohne – das bislang größte in der Türkei hergestellte Drohnensystem – seinen Jungfern-Missionsflug durchgeführt.

„Die erste Flugmission wurde mit Erfolg durchgeführt“, kommentierte damals der stellvertretende türkische Verteidigungsminister Suay Alpay gegenüber Reportern.

Die Anka Block A-Drohne, welche vom staatlichen Hersteller Tusas, einem Teil der Turkish Aerospace Industries (TAI), entwickelt wurde, wird von einer Luftwaffenbasis in der osttürkischen Provinz Elâzığ aus betrieben.

Ein Grund, warum zahlreichen Drohnenprogrammen in der Türkei zentrale Bedeutung beigemessen wird, ist die extensive Nutzung solcher Systeme im asymmetrischen Krieg, den das Land seit Ende Juli 2014 wieder vornehmlich gegen die verbotene „Kurdische Arbeiterpartei“, kurz PKK, im Südosten der Türkei und im Irak führen muss.

„Wir sind gegenwärtig in einen entscheidenden Anti-Terror-Kampf involviert. Diese Assets [wie die Anka-Drohne], welche von der lokalen Industrie hergestellt wurden, werden unseren Kampf unterstützen“, sagte Alpay.

Nachdem ein mehr als zwei Jahre haltender Waffenstillstand im Juni letzten Jahres durch die Terroristen aufgekündigt wurde, töteten PKK-Kämpfer mehr als 300 Sicherheitskräfte im Südosten der Republik. Auf kurdischer Seite erreichen die Verluste mehrere Tausende.

Zudem wird die PKK beschuldigt, im Februar und März dieses Jahr zwei Selbstmordanschläge in der türkischen Hauptstadt durchgeführt zu haben. Insgesamt wurden dabei rund 60 Zivilisten getötet, mehrere hundert Menschen verletzt. Die Türkei, die USA, die Europäische Union und die Vereinten Nationen listen die PKK ihrer umstrittenen politischen Ziele und fragwürdiger militärischer Praktiken wegen als terroristische Vereinigung.

Anka ist eine sogenannte MALE-Drohne. Die Abkürzung MALE steht für Medium Altitude Long Endurance und ist eine mögliche Klassifizierung von unbemannten Luftfahrzeugen. Medium Altitude (zu Deutsch: mittlere Höhe) bezieht sich dabei auf die Einsatzhöhe, die bei MALE-Drohnen zwischen etwa 5000 und 15 000 Metern (15 000 – 45 000 ft) liegt. Long Endurance (zu Deutsch: lange Ausdauer) beschreibt Missionszeiten über 24 Stunden. Die Anka-Drohne erreicht eine Flughöhe von 10 000 Metern. Sie wird für Aufklärungs- und Überwachungsmissionen genutzt. Das System kann eine Last von 200 Kilogramm tragen und soll mittelfristig mit ebenfalls indigenen türkischen Raketensystemen bewaffnet werden.

TAI begann seine Arbeit am Projekt Anka 2004. Im Jahre 2013 gewann man schließlich eine Ausschreibung vonseiten der türkischen Regierung, zehn Anka-Drohnen samt Bodenkontrollsystemen an das Militär auszuliefern.

2014 legten Militär- und Rüstungsoffizielle einen weitergehenden Plan vor, Satellitenkommunikationsfähigkeiten in das Anka-System zu integrieren. Eine eigens gegründete Einsatzgruppe widmet sich unterdessen der Entwicklung eines indigenen Motors für die Drohne. Die modernisierte Drohne, Anka S genannt, soll bis 2017 ausgeliefert werden.

Bereits im Dezember 2015 hatte die türkische Rüstungsindustrie erfolgreich eine bewaffnete, taktische Drohne, Bayraktar genannt, getestet, welche von den zwei privaten türkischen Unternehmen Baykar und Kale Kalip entwickelt und produziert wird.

Bei ihrem ersten bewaffneten Flug wurde die Bayraktar mit einer „Mini-Smart-Bombe“ vom staatlichen türkischen Hersteller Roketsan ausgerüstet. Die Rakete hat eine effektive Reichweite von acht Kilometern.

Indes entwickelt die lokale Industrie das BSI-101 für Bayraktar. BSI-101 ist ein SIGINT-System, Signals Intelligence (SIGINT) wird die Gewinnung von Informationen über die beiden Hauptkategorien Fernmeldeaufklärung (COMIN) und Elektronische Aufklärung (Electronic Intelligence) genannt. Ein Industrieoffizieller informierte:

„Das wird unsere Abhängigkeit von in den USA hergestellten SIGINT-Systemen beenden.“

Ein Beschaffungsbeamter schätzte im Gespräch mit dem türkischen Rüstungsexperten Burak Ege Bekdil, dass die Türkei bis 2017 eine „100 Prozent türkische Drohnen-Flotte“ besitzen werde.

„Die enormen Erfolge bei der Entwicklung von Systemen und Untersystemen berücksichtigend, ist das kein unrealistisches Ziel“, gab ein Offizieller an, der mit den türkischen Drohnenprogrammen vertraut ist.

Er sagte, Tusas Turkish Engine Industries (TEI), ein türkischer Partner des US-Unternehmens General Electric, werde schon bald den ersten Drohnenmotor, das er entwickelt hat, ausliefern. „Das wird ein entscheidender Schritt sein“, betonte der Offizielle.

TEI berichtete von Rüstungsverkäufen, die im Jahr 2015 auf 294 Millionen US-Dollar gekommen wären. Davon seien 256 Millionen US-Dollar aus Exporten gekommen.

Im Januar gab das Unterstaatssekretariat für Rüstungsindustrie (SSM), welches für die Militäreinkäufe der türkischen Armee zuständig ist, bekannt, dass es demnächst eine Ausschreibung für Kraftstoff-Batterien vergeben werde, die für kleine, taktische und MALE-Drohnen bestimmt seien.

Experten scheinen dahingehend noch skeptisch zu sein, ob eine „100-prozentig türkische Drohne“ bereits bis 2017 realistisch sei.

„Wir haben keine Beweise, ob all diese Drohnen-Systeme und deren Teilsysteme in so kurzer Zeit erfolgreich entwickelt und hergestellt werden können“, sagte ein in der Türkei ansässiger Drohnen-Experte. „Die weit wichtigere Frage ist, ob die türkische Industrie fähig ist, all diese komplexen Elemente in einem Zug zu integrieren“.

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