Scholz an Putin: "Lass es bleiben!"

  28 März 2022    Gelesen: 273
Scholz an Putin: "Lass es bleiben!"

Nach 110 Tagen im wichtigsten deutschen Regierungsamt und gut vier Wochen nach Kriegsbeginn in der Ukraine sitzt Kanzler Olaf Scholz mit geröteten Augenlidern erstmals allein bei Anne Will. Und er hat eine klare Botschaft an Putin.

Wenn Olaf Scholz spricht, fragt man sich oft nachher, was er eigentlich gerade gesagt hat. Diesen typischen Scholz gab es auch am Sonntagabend bei Anne Will in der ARD zu sehen, allerdings mit einigen Unterbrechungen. Denn bei der Frage eines möglichen Chemiewaffeneinsatzes Russlands in der Ukraine und eines möglichen Angriffs Russlands auf das Gebiet der NATO oder gar Deutschlands hatte der Bundeskanzler überaus klare Botschaften. Ein Chemiewaffeneinsatz hätte härteste Konsequenzen, so Scholz. Man werde mit "dramatischen Maßnahmen" reagieren. "Klar ist, dass wir diese Botschaft aussenden: 'Lass es bleiben!'"

Das war zwar nicht neu, schon zuvor war etwa von "gravierendsten Konsequenzen" die Rede gewesen. Der Nachdruck, den Scholz diesen Worten nun aber verlieh, war bemerkenswert. Unklar blieb allerdings, wie diese Konsequenzen aussehen würden. Was wiederum Absicht war: Scholz verwies auf ähnliche Äußerungen von US-Präsident Joe Biden und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die auch nicht konkreter geworden waren. "Dafür gibt es gute Gründe", sagte Scholz. Man will wohl vor allem auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Unklaren lassen. Wobei Scholz auch in dieser Sendung dabei blieb, dass Deutschland und die NATO nicht Kriegspartei werden wollen. Truppen sollen nicht in die Ukraine entsandt werden und auch bei der Absage einer Flugverbotszone über der Ukraine bleibt es.

Den russischen Präsidenten warnte Scholz ebenfalls sehr deutlich davor, NATO-Gebiet oder gar Deutschland anzugreifen. "Wir machen uns so stark, dass niemand es wagen kann, uns anzugreifen", meinte er mit Blick auf die 100 Milliarden Euro, mit denen die Ampelkoalition die Bundeswehr auf Vordermann bringen will. Wobei er sich zuversichtlich zeigte, dass er dieses Sondervermögen auch mit eigener Mehrheit durch den Bundestag bekommt - was die Union anzweifelt. Zugleich bestätigte er Überlegungen, Deutschland mit dem israelischen Raketenabwehrsystem "Iron Dome" zu schützen. Das gehöre zu den Dingen, "die wir beraten, aus gutem Grund". Man müsse sich auf einen Nachbarn einstellen, der bereit sei, seinen Interessen mit Gewalt durchzusetzen. Scholz sprach dabei von einer "Rückkehr des Imperialismus".

Putin bleibt ein Partner

Es war das erste Mal, dass Scholz als Bundeskanzler bei Anne Will zu Gast war und wie bei seiner Vorgängerin Angela Merkel bedeutete das, dass er allein mit der Moderatorin im Studio saß. Dabei ging es nur um den Krieg in der Ukraine. Die wackelnde Impfpflicht gegen das Coronavirus wurde einmal erwähnt, die Landtagswahl im Saarland überhaupt nicht. Was allerdings der Lage auch angemessen war. Der Kanzler wirkte nach 110 Tagen im Amt und viereinhalb Wochen Krieg in der Ukraine etwas abgekämpft. Er hat überdurchschnittlich viel zu tun: So verhandelte er unter der Woche auch am Entlastungspaket der Ampel mit und kam dann zu spät zum NATO-Gipfel nach Brüssel.

Scholz wollte offenkundig Stärke und Entschlossenheit gegenüber Putin zeigen und das gelang ihm zumindest phasenweise auch. Zugleich vermied er es, diesen einen Kriegsverbrecher zu nennen - da war Biden weniger zimperlich gewesen, der ihn sogar einen "Schlächter" genannt hatte. Scholz wählte die umständliche Formulierung, dass der Krieg ein Verbrechen und dieser Putins Krieg sei. Würde er sagen, "Putin ist ein Kriegsverbrecher", könnte man ihn auch genauso zitieren - das wiederum würde Schlagzeilen machen und das vermeidet Scholz so.

Warum? Weil er, und das ist eine weitere Lehre aus der Sendung, in dem russischen Präsidenten immer noch einen Verhandlungspartner sieht. Damit der Krieg enden könne, müsse es eine Vereinbarung zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Putin geben, sagte Scholz. Der Äußerung Bidens, dass Putin kein Partner mehr sein konnte, mochte er sich nicht anschließen, zumal sie später auch relativiert worden sei. Ein "Regime Change", also ein Ende Putins an der Macht, sei "kein Gegenstand und Ziel von Politik, die wir miteinander verfolgen", sagte der Bundeskanzler.

Scholz: Geld für Gas bringt Putin nichts

Es ging in der Sendung im Wesentlichen um die Frage, ob das alles reicht, was Scholz als Kanzler, was damit Deutschland tut. Müssen nicht mehr Waffen geliefert werden? Braucht es nicht einen Importstopp von Kohle, Öl und Gas? Reichen die Sanktionen? In diesen Fragen blieb Scholz bei seiner Linie. Die Erinnerung daran, dass Deutschland sich erst zwei Tage nach dem Überfall am 24. Februar unter dem Druck der Verbündeten zu Waffenlieferungen durchrang und deren Umfang auch immer wieder etwa vom ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk kritisiert wird, brachte ihn nicht aus der Ruhe. Es würden konstant Waffen geliefert, die seien eine "massive militärische Unterstützung". Schweres Gerät, also Panzer oder Kampfjets, möchte er aber offenbar weiterhin nicht liefern. Einer entsprechenden Frage wich er aus.

Scholz wies Überlegungen zurück, ein Lieferstopp von Gas, Kohle und Öl wäre besser zu verkraften, als es die Regierung darstellt. Die geht in dem Fall von einer massiven Wirtschaftskrise aus. Man könne nicht einfach ausrechnen, wie viel Öl und Gas auf dem Weltmarkt vorhanden seien, sondern müsste auch sehen, wie die nach Deutschland geliefert werden können, erklärte Scholz. Dabei überraschte er mit der Aussage, dass Putin die Hunderte Millionen Euro, die jeden Tag aus Europa nach Russland für Energielieferungen überwiesen werden, gar nicht nutzen könne. Dafür sorgten die Sanktionen gegen die Zentralbank.

Scholz kann nicht so klar und logisch erklären wie sein Wirtschaftsminister Robert Habeck oder die Menschen emotional mitnehmen wie seine Außenministerin Annalena Baerbock. Aber er zeigte, dass er einen Plan für die aktuelle Krise hat. Ob der ausreicht? Darauf können die Menschen in der Ukraine nur hoffen.

Quelle: ntv.de


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