"Dieser Krieg wird am Verhandlungstisch enden"

  01 Juli 2022    Gelesen: 535
  "Dieser Krieg wird am Verhandlungstisch enden"

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobt den Einsatz Deutschlands zur Beendigung des Krieges in der Ukraine. Gleichzeitig ruft er in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" die Bündnisländer dazu auf, die Ukraine noch mehr zu unterstützen.

Irgendwie kennt man die TV-Gespräche über den Krieg in der Ukraine mittlerweile. Am Donnerstagabend hatte die Diskussion in der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" zu diesem Thema jedoch eine besondere Brisanz. Denn die NATO-Staaten haben sich bei ihrem Gipfeltreffen in Madrid darauf verständigt, ihre bereits vorhandene schnelle Eingreiftruppe innerhalb von drei Jahren von 40.000 auf 300.000 Soldaten zu erhöhen. Außerdem wollen die USA eine Militärbasis in Polen einrichten. Und dann schaltete sich diesmal NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit einer Stellungnahme ein. Dabei war interessant, was er sagte - aber auch, welche Frage er nicht beantwortete.

Dabei ging Stoltenberg indirekt auf eine Kritik ein, die mehrere Philosophen, Journalisten und Wissenschaftler am Mittwoch auf der Internetseite der "Zeit" veröffentlicht hatten. Darin fordern sie einen sofortigen Waffenstillstand und den Beginn von Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine. "Dieser Krieg wird am Verhandlungstisch enden", sagte Stoltenberg. Es sei die Aufgabe der NATO, zu gewährleisten, dass die Ukraine die bestmöglichen Voraussetzungen für Verhandlungen bekomme. Aber: "Es obliegt der Ukraine zu sagen, unter welchen Bedingungen sie einen Friedensvertrag unterzeichnen kann."

"Wir leben in einer gefährlichen Welt"

Die Situation in der Ukraine sei gefährlich und besorgniserregend. Die Menschen leiden und sterben, Schulen und Krankenhäuser würden von der russischen Seite bombardiert. "Darum leisten die Mitglieder der NATO schon jetzt wesentliche Unterstützung für die Ukrainer, die den höchsten Preis zahlen müssen, vor allem an der Front. Wir müssen aber noch mehr tun. Es ist unsere Pflicht, die Ukraine zu unterstützen."

Doch mittlerweile geht es Stoltenberg und den NATO-Ländern nicht mehr nur um die Ukraine. "Wir leben in einer gefährlichen Welt", sagt Stoltenberg. Darum werde das Bündnis mehr Soldaten und militärische Waffen bereitstellen. Dabei verhalte sich Deutschland vorbildlich - mit der Bereitstellung einer besonderen Brigade zur Verteidigung des Baltikums. Die NATO-Mitglieder hätten Deutschland für den bisherigen Einsatz gelobt, fügt er hinzu.

Eine Antwort bleibt er der Moderatorin jedoch schuldig. Illner fragt, ob Stoltenberg einen Sieg der Ukraine für möglich halte. Er weicht aus: "So wie ich das sehe, müssen wir noch mehr tun." Einen Erfolg der Ukraine schließt Stoltenberg also zumindest nicht aus.

"Nicht Kriegspartei, aber Kriegsziel"

Die Unterstützung der schnellen Eingreiftruppe sei zu stemmen, sagt Grünen-Chef Omid Nouripour in der anschließenden Diskussion. Deutschland werde in den nächsten drei Jahren 15.000 Soldaten zur Verfügung stellen. "Das würde bedeuten, dass man die eine oder andere Effizienzschraube jenseits der Beschaffung drehen muss." Es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Deutschland den NATO-Staaten beistehen werde. Mit dem jetzt bereit gestellten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro werde alles getan, "um die Hausaufgaben, die bei der Wehrhaftigkeit der Bundeswehr liegengeblieben sind, auf schnellstem Wege zu erledigen, damit die Bundeswehr ihre verfassungsgemäße Aufgabe der Landesverteidigung auch ausüben kann".

Darüber ist auch EVP-Chef Manfred Weber froh. "Wir sind nicht Kriegspartei, aber Kriegsziel", begründet der CSU-Politiker seine Haltung. "Russlands Präsident Putin hasst unsere Art zu leben. Er hasst Freiheit und Demokratie. Er hat ein imperiales Denken von vorvorgestern. Darum ist die Unterstützung für die Ukraine jetzt notwendig. Man muss in Richtung der Bundesregierung sagen: Ja, die Entscheidungen sind jetzt richtig." Einen kleinen Seitenhieb kann sich der Oppositionspolitiker dann aber nicht verkneifen, und darum verweist er auf die zu Beginn des Krieges von Deutschland gelieferten 5000 Helme. Nouripour sagt dazu nichts, seufzt nur genervt.

"Gemeinsames Ziel definieren"

Darüber, dass der Ukraine mit weiteren Waffen geholfen werden muss, sind sich die Diskussionsteilnehmer bei Maybrit Illner einig. Aber Konfliktforscherin Nicole Deitelhoff macht einen wichtigen Punkt: Man müsse jetzt ein gemeinsames Ziel definieren, das NATO und EU mit Blick auf diesen Krieg haben. Über das Ziel sind sich die Talkshow-Gäste dann aber selbst nicht einig. "Es sind außergewöhnliche Zeiten", weiß zumindest Nouripour. "Wir müssen jetzt Dinge tun, die wir so nicht vorhergesehen haben", sagt er auch mit Blick auf die Ampelkoalition. Und das werde nicht bequem werden. Im Gegenteil: "Die Probleme werden wachsen." Energie und Lebensmittel würden teurer werden, der Hunger in der Dritten Welt werde zunehmen, weil Wladimir Putin den Ausfuhrstopp von ukrainischem Getreide als Druckmittel nutze.

Dennoch kann sich der Grünen-Chef vorstellen, Russland in einem Punkt entgegenzukommen: bei den Sanktionen. "Sie sind immer dann erfolgt, wenn die russische Seite die Eskalation weitergetrieben hat", erklärt er. Darum sollte man bei einer Deeskalation über eine Lockerung der Sanktionen nachdenken. "Wenn Russland sagt, das mit Cherson war eine schlechte Idee, wir werden keine Frauen mehr vergewaltigen und keine russischen Pässe mehr ausgeben, werden wir darüber nachdenken, wie wir die Sanktionen ein Stück zurückfahren." Genau wie Stoltenberg ist sich auch Nouripour sicher, dass es am Ende des Krieges Verhandlungen geben wird. Doch bis dahin ist für den Politiker noch ein langer Weg. Denn: "Die russische Seite will nicht, dass man an einen Verhandlungstisch geht und dass es eine faire Lösung für die Ukraine gibt."

Quelle: ntv.de


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