Mehr als eine Million Menschen sollen in naher Zukunft von hier aus mit sauberem Strom beliefert werden. Ein Großteil der Technik für das afrikanische Vorzeigeprojekt kommt aus Deutschland.
Gebaut wird das neue Kraftwerk nahe der Stadt Ouarzazate, die wegen ihrer malerischen Kulisse auch als Drehort zu Ruhm gekommen ist. Dort wurden beispielsweise Filme wie "Die Päpstin", "Der Medicus" oder "Gladiator" gemacht. Mit dem weltgrößten Solarthermiekraftwerk ist die Wüstenstadt am Rande des Hohen Atlas nun um eine Attraktion reicher.
So weit das Auge sehen kann, fangen die in unzähligen Reihen angeordneten rinnenförmig gekrümmten Spiegel die Sonnenstrahlung ein. Das Licht wird von den Parabolrinnen präzise auf eine Röhre mit Thermoöl gelenkt und entfaltet so optimal seine Energie. Das auf knapp 400 Grad erhitzte Öl fließt dann zu einem Wärmetauscher. Dort entsteht Wasserdampf, der im Kraftwerk eine Turbine antreibt.
Die damit erzeugte Elektrizität wird ins marokkanische Stromnetz eingespeist. Mit einem speziellen Wärmespeicher kann die Sonnenenergie mehrere Stunden gespeichert werde. Dadurch kann das Solarkraftwerk auch abends noch Strom produzieren, denn in Marokko erwacht das Leben in den Dörfern und Städten erst, wenn die Sonne schon untergegangen ist.
Noor steht für Licht
Die hochmoderne Solarenergiefabrik entsteht mit technologischer und finanzieller Unterstützung aus Deutschland. Von den rund 2,2 Milliarden Euro, die das Kraftwerk kostet, übernimmt ein internationales Geberkonsortium, zu dem auch Deutschland gehört, rund 850 Millionen Euro.
Der Rest wird vom saudischen Investor ACWA getragen. Ihm gehört auch der deutsche Hersteller für die Parabolspiegel, mit denen das Kraftwerk ausgerüstet ist. Marokkos König Mohammed VI. weihte den ersten Teil des Kraftwerks höchstpersönlich ein. Es ist ein Vorzeigeprojekt des Kontinents.
Noor I heißt der erste Abschnitt des Kraftwerks, nach dem arabischen Wort für Licht. Es liefert elektrischen Strom mit einer Leistung von 160 Megawatt. Das reicht für 350.000 Menschen, vorläufig.
Denn inzwischen hat bereits die zweite Bauphase begonnen. Noor II wird mit 220 Megawatt noch größer und soll, wenn alles nach Plan läuft, im nächsten Jahr hinzukommen. Dann werden insgesamt 800 Reihen von Parabolspiegeln in Ouarzazate stehen. Mit einer Gesamtleistung von 380 Megawatt ist die Anlage damit das größte und leistungsstärkste Solarthermiekraftwerk der Welt.
Doch den Investoren reicht das noch nicht. Am Ende solle Noor so groß sein wie Marokkos Hauptstadt Rabat, sagt Victor Caballero Arcos, Bauleiter des Projekts. Auf Noor II folgt Noor III – ein ausgeklügeltes System, bei dem die Sonnenstrahlen von Parabolspiegeln eingefangen und auf die Spitze eines 240 Meter hohen Solarturms konzentriert werden.
Durch eine Öffnung im Turm wird das Lichtbündel auf einen Wärmespeicher gelenkt, der sich auf Temperaturen um 700 Grad erhitzt. Genug für weitere 150 Megawatt.
4200 Fußballfelder
Noor IV schließlich wird als Fotovoltaikkraftwerk ausgelegt, in dem das Sonnenlicht unmittelbar mithilfe halbleitender Materialien in elektrische Energie umgewandelt wird. Es wird eine Leistung von mindestens 50 Megawatt beisteuern.
Das komplette Solarkraftwerk erzeugt dann eine elektrische Leistung von insgesamt 580 Megawatt, das ist etwa so viel wie ein Block eines mittleren Kohlekraftwerks liefert. Die Solarenergiefabrik wird sich auf einer Fläche von über 3000 Hektar erstrecken, was der Größe von 4200 Fußballfeldern entspricht.
Der Strom aus der Wüste soll einmal 1,3 Millionen Menschen in Marokko mit umweltfreundlicher und preiswerter Energie versorgen. Das ist der Plan, wenn das riesige Solarkraftwerk in einigen Jahren fertiggestellt sein wird. Das Projekt soll nicht nur zum Vorbild für weitere Anlagen der Art auf dem afrikanischen Kontinent werden und diesen zum Vorreiter für hocheffiziente solare Großkraftwerke machen.
Es könnte sogar überschüssigen Solarstrom nach Europa liefern. Bislang läuft es umgekehrt. Marokko, das selbst über keine nennenswerten eigenen fossilen Energiequellen verfügt, wird noch per Seekabel durch das Mittelmeer mit Strom aus Europa versorgt.
Deutschland liefert die Technik
Von dort, genauer aus Deutschland, kommt auch ein Großteil der Technologie für das hochmoderne Solarkraftwerk. Beispielsweise stammen die rinnenförmigen Spiegel vom Solarspiegelspezialisten Flabeg aus dem bayerischen Furth im Wald. Sie sind so exakt gebogen und dann mit einer Spezialbeschichtung versehen, dass sie fast 95 Prozent des auftreffenden Sonnenlichts einfangen können.
Durch die besondere Form der Spiegel wird die Strahlung präzise auf die in der Mitte der Rinne verlaufende Röhre mit dem Wärmeträgermedium konzentriert. Dafür müssen die beweglichen Spiegel ständig dem Lauf der Sonne am Himmel nachgeführt werden, per Computer und mittels Funkbefehl gesteuert, versteht sich.
Die Spiegel lenken das Licht auf Röhren, durch die ein spezielles Thermoöl fließt, eine Technik die das deutsche Unternehmen Schott Solar geliefert hat. Durch die konzentrierte Strahlung erhitzt sich das Öl auf 393 Grad Celsius. Es wird durch eine Art Pipeline zum eigentlichen Kraftwerk im Zentrum der riesigen Anlage geleitet.
Dort erhitzt das heiße Öl dann Wasser und erzeugt Dampf, der wiederum eine Turbine antreibt und so Strom erzeugt. Sowohl die Dampfanlage als auch der Wechselstromgenerator mit einer Leistung von 160 Megawatt stammen vom Kraftwerksbauer Siemens. Nach getaner Arbeit wird das auf 293 Grad Celsius abgekühlte Öl in einem geschlossenen Kreislauf wieder zurück zum Spiegelfeld geleitet.
Energie für die Abendstunden
Damit das Öl in der Anlage richtig rundläuft, braucht es einen Anschub, vor allem wenn früh morgens die Heizkraft der Sonnenstrahlen noch nicht ausreicht, um den Kreislauf des Kraftwerks auf Touren zu bringen.
Der Anstoß dafür kommt von einem Thermoölerhitzer, den Heat 11, ein Spezialunternehmen aus Bielefeld, eigens für das marokkanische Solarthermiekraftwerk konzipiert und gebaut hat. Der ölbefeuerte Erhitzer, der bei Noor II zum Einsatz kommt, ist ein gewaltiger Kessel: 15 Meter hoch und 3,5 Meter breit bringt er es auf eine Leistung von 15 Megawatt und sorgt zusammen mit der entsprechenden Steuerungstechnik dafür, dass die Anlage morgens fast schlagartig anlaufen kann.
"Der Thermoölerhitzer sorgt für den reibungslosen Betrieb des Wärmetransportsystems. Er heizt das Thermoöl vor, gewährleistet das kontrollierte Anfahren des Kraftwerks vor Sonnenaufgang und kann sogar bei verringerter Sonneneinstrahlung die Leistung des Kraftwerkes verbessern", erklärt Dietmar Hunold, geschäftsführender Gesellschafter von Heat 11.
Die Technik bringt nicht nur den Kreislauf des Solarthermiekraftwerks auf Trab, sie verhindert auch, dass das Thermoöl bei niedrigen Außentemperaturen zäh und fest wird.
Eine nicht minder knifflige Aufgabe ist die wirtschaftliche Speicherung der Wärme für die Stromerzeugung. In Marokko ist vor allem in den Abendstunden der Energiebedarf hoch, was bislang noch mit teuren Stromimporten aus Europa abgedeckt werden muss. Deshalb erhitzt das durch die Röhren der Parabolrinnen fließende Öl nicht nur das Wasser, mit dem die Turbine Elektrizität erzeugt. Die Wärme lässt sich auch in Tanks speichern und so erst später in Strom umwandeln.
Speziallösung von BASF
Die Wärmespeicher sind mit einem Spezialsalz aus einer Mischung von Natrium- und Kaliumnitrat gefüllt. Bei Temperaturen von mindestens 250 Grad Celsius wird das Salz flüssig.
Drei Stunden kann die Salzschmelze die tagsüber aufgenommene Wärme speichern, bevor sie nach Sonnenuntergang an den Wasser-Dampf-Kreislauf für die Turbine abgegeben wird. Rund 140.000 Tonnen der von dem Chemieunternehmen BASF gelieferten Speziallösung lagern in riesigen Tanks.
Die Wirtschaftlichkeit großer Solarthermiekraftwerke lässt sich noch weiter verbessern, davon sind Forscher überzeugt. Je höher die Temperaturen, desto effizienter kann das Kraftwerk betrieben werden. Dabei bietet sich zugleich die Chance, auf die Speicherung zu verzichten. Strömt beispielsweise Flüssigsalz durch die Röhren der Parabolrinnen, braucht es weder einen eigenen Kreislauf mit Thermoöl noch einen zusätzlichen Wärmespeicher.
Sonnenenergie effizienter ausnutzen
Genau diesen Ansatz entwickelt nun das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen mit Siemens Energy und weiteren Partnern weiter. Dazu werden in einer Testanlage unterschiedliche Salzlösungen eingesetzt. So konnten bereits Temperaturen von deutlich über 500 Grad Celsius erzielt werden.
In einem neuartig entwickelten Durchlaufdampferzeuger gibt das Salz die gespeicherte Wärmenergie an den angeschlossenen Wasser-Dampf-Kreislauf ab. "Die gegenüber dem Stand der Technik erhöhten Dampftemperaturen erlauben höhere Wirkungsgrade des Kraftwerksblocks. Dies führt zu einer Senkung der Systemkomplexität und damit der Investitionen", heißt es in einem Papier des Konsortiums.
Noch einen Schritt weiter geht die Direktverdampfung. Dabei gibt es nur noch einen Kreislauf. In den Röhren der Parabolrinnen fließt Wasser und verdampft. Der Dampf wird direkt zur Stromerzeugung genutzt. Das Verfahren hat jedoch den Nachteil, dass die Rohre für deutlich höhere Drücke ausgelegt sein müssen. Außerdem stellt die Methode hohe Anforderungen an die Regeltechnik.
DLR-Forscher haben dafür bereits neue Komponenten entwickelt, die nun schrittweise erprobt werden. In ersten Tests konnten die Forscher bereits nachweisen, dass der Ansatz funktioniert und sich die Kosten so für große Parabolrinnenkraftwerke weiter verringern lassen.
Quelle : welt.de
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