Waren Neandertaler schon Künstler?

  23 Juni 2023    Gelesen: 1042
  Waren Neandertaler schon Künstler?

Schon die Neandertaler haben sich offenbar künstlerisch betätigt - zumindest ritzten sie bereits vor fast 60.000 Jahren grafische Muster in den Fels einer Höhle. Ein Forscherteam entdeckt im Loiretal Höhlengravuren, die die bislang ältesten sind, die von Neandertalern stammen.

Ein Forscherteam hat in Frankreich die bislang ältesten Höhlengravuren von Neandertalern entdeckt. Die Muster seien vor über 57.000 Jahren in den Fels geritzt worden, berichtet die Gruppe um Jean-Claude Marquet von der Universität Tours in Frankreich. Die Zehntausende von Jahren verschüttete Höhle La Roche-Cotard im Loiretal war erst im 19. Jahrhundert entdeckt und ab dem 20. Jahrhundert erforscht worden. Darin befanden sich auch sogenannte Moustérien-Werkzeuge, die mit Neandertalern in Verbindung gebracht werden, wie das Forschungsteam im Journal "PLOS" berichtet.

Bei den Gravuren in der Höhle handelt es sich nicht um Figuren, sondern um grafische Muster. Sie bestehen etwa aus mehreren parallelen Linien, von denen jeweils zwei am Ende in einem Bogen zusammenlaufen. Die Gravuren sind jeweils mehrere Dutzend Zentimeter lang und breit.

"Komplexität im Ausdruck"

"Die Funde zeigen die Komplexität, die auch Neandertalergruppen in ihrem Ausdruck haben konnten", sagt Bärbel Auffermann, Archäologin und Direktorin des Neanderthal Museums in Mettmann. "Eine Interpretation der Gravuren ist jedoch nicht möglich, da wir ihren kulturellen Kontext nicht kennen." Die Studie sei sehr gut gemacht. Auch Auffermann bestätigt, dass keine älteren Höhlengravuren von Neandertalern bekannt sind.

Färbungen von Felsen oder Gravuren von Neandertalern wurden bereits einige Male entdeckt: So fand ein Team beispielsweise in einer Höhle in Gibraltar kreuzförmige Einkerbungen an einem Fels, die mindestens 39.000 Jahre alt sind. Noch älter als die Gravuren ist die Farbe auf einem Tropfstein in einer Höhle in Spanien, die vor 65.000 Jahren entstand. Da diese Färbung in der Höhle von Ardales in Andalusien keinerlei Form aufweise, habe sie den Tropfstein wohl als Symbol markiert, schrieben die Forscher von der Universität Barcelona 2021 in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften ("PNAS"). In den spanischen Regionen Extremadura und Kantabrien etwa wurden farbige geometrische Linien und sogenannte Handnegative entdeckt, die mehr als 64.000 Jahre alt sein sollen.

Auch bearbeitete Steine gefunden

Die Forscher um Marquet nutzten zur Altersbestimmung die Luminiszenzdatierung, bei der Schäden durch ionisierende Strahlung im Material ermittelt werden. Sie fanden heraus, dass die Höhle vor etwa 57.000 Jahren durch Sedimentauffüllung verschlossen wurde - lange bevor sich der Homo sapiens in der Region ausbreitete. Zudem fanden die Forscher in der Höhle bearbeitete Steine, die sie dem Neandertaler zuschreiben.

Auch die Forscher kennen nicht die Bedeutung der Gravuren. Sie seien jedoch in einem ähnlichen Alter wie Höhlengravuren, die vom Homo sapiens in anderen Teilen der Welt angefertigt wurden, heißt es in einer zugehörigen Mitteilung. Die Funde trügen zu einer wachsenden Zahl von Beweisen bei, dass das Verhalten und die Aktivitäten der Neandertaler ähnlich komplex und vielfältig gewesen sei wie die unserer eigenen Vorfahren.

Quelle: ntv.de, Simone Humml, dpa


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