Heizt der Klimawandel die Inflation an?

  26 Juni 2023    Gelesen: 824
  Heizt der Klimawandel die Inflation an?

Extreme Wetterereignisse werden durch steigende Temperaturen immer häufiger - auch in Deutschland. Das ist nicht nur gefährlich für die Umwelt und Menschen. Auch die Wirtschaft leidet darunter.

Dürre, Waldbrände und der Ausblick auf Wasserrationierungen im anstehenden Sommer: Die Wetterextreme machen nicht nur vielen Menschen im Alltag zu schaffen, sondern auch Betrieben. Der Klimawandel wird die deutsche Wirtschaft in den nächsten Monaten und Jahren sehr viel Geld kosten - und könnte sowohl die geschäftlichen Entscheidungen von Firmen als auch die Geldpolitik der Notenbanken maßgeblich beeinflussen.

Doch wie teuer wird die Rechnung für Deutschland wirklich? Allein die bisherigen Schäden, die auf klimawandelbedingte Wetterphänomene zurückzuführen sind, belaufen sich für die Jahre 2000 bis 2021 auf mindestens 145 Milliarden Euro. Die Bundesregierung schätzt, dass die zukünftigen Kosten bis 2050 sogar zwischen 280 Milliarden und 900 Milliarden Euro liegen werden - Hitzetote, Flutopfer und das Sterben zahlreicher Tierarten nicht mit eingerechnet.

Die Zahlen stammen aus der Studie "Kosten durch Klimawandelfolgen in Deutschland", die das Bundesumweltministerium und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Auftrag gegeben haben. Zwei der Ergebnisse, die das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, die Prognos AG und die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung als durchführende Institute herausgefunden haben: Die Schäden durch Hochwasser und Überschwemmungen sind für Industrie, Gewerbe und Lieferketten zwar mit 70 Mrd. Euro nominal am höchsten, allerdings wird diese Summe für den Zeitraum ab dem Jahr 2000 veranschlagt.

Waldbrände vernichten Wirtschaftsleistung

Am meisten unterschätzt werden hingegen die Kosten durch Dürre und Hitze. Laut der Studie liegen dafür weniger Untersuchungen vor, doch besonders Land-, Wald- und Forstwirtschaftsbetriebe erleiden durch das Extremwetter empfindliche Einbußen, wenn Getreideerträge sinken oder Wassermangel das Geschäft schädigt. Allein für die Jahre 2018 und 2019 schätzen die Studienautoren die Schäden auf etwa 35 Milliarden Euro.

Welche wirtschaftlichen Kosten Waldbrände und dadurch freigesetzte Feinstaubpartikel nach sich ziehen, untersuchte jüngst das Fondshaus DWS. Als Tochtergesellschaft der Deutschen Bank steht die DWS wegen Investitionen in klimaschädliche Technologien und sogenanntem Greenwashing selbst in der Kritik. Nichtsdestotrotz kommen die DWS-Analysten zu dem Schluss, dass "in den letzten Jahren etwa 6,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung pro Jahr durch vorzeitige Todesfälle und Krankheiten aufgrund von Luftverschmutzung verloren gegangen sind". Anders als die Zahlen der Bundesregierung, beziehen sich diese Zahlen auf die gesamte Welt.

Besonders Schwellenländer in Süd- und Südostasien seien stark betroffen, so die DWS. "Doch die jüngsten Waldbrände in Nordamerika zeigen, wie schwierig es ist, aus solchen Kostenschätzungen der Luftverschmutzung bisher Rückschlüsse auf die weiteren Folgen im Zeitalter des Klimawandels zu ziehen." Nach den bisherigen Schätzungen sei Nordamerika - also Kanada und die USA - die am wenigsten betroffene Region. Grundlage der DWS-Analyse ist die wissenschaftliche Annahme, dass durch Waldbrände freigesetzter Feinstaub mit der Partikelgröße PM2,5 weltweit zahlreiche Krankheiten und Millionen vorzeitiger Todesfälle verursacht.

Der Klimawandel schlägt sich sowohl in den Bilanzen einzelner Unternehmen nieder, als auch in der Gesamtwirtschaft und der Geldpolitik der Notenbanken. Wegen Niedrigwasser auf dem Rhein verbuchten Stahl- und Chemiekonzerne wie Thyssenkrupp, Arcelor-Mittal und BASF in der Vergangenheit Einbußen und Sonderkosten für die Entwicklung neuer, an das Niedrigswasser angepasster Transportschiffe: Thyssenkrupp hatte 2018 wegen des Niedrigwassers ein Minus im niedrigen dreistelligen Millionenbereich vermelden müssen. BASF plagten damals ebenfalls Gewinneinbrüche, im dritten Quartal 2018 beliefen sie sich auf 15 Prozent. Der Ludwigshafener Konzern entwickelte daraufhin ein spezielles Schiff für Niedrigwasser. Inzwischen ist es einsatzbereit und wurde Ende Mai getauft.

Dürre als potenzielle Inflationstreiberin

Der Klimawandel und eine verzögerte Transformation von Staaten zur Klimaneutralität werden auch zum Risiko für Anlegerinnen und Anleger. Mit dem Climate Stress Test untersuchte die Ratingagentur Scope jüngst, welche physischen Risiken durch hohe Temperaturen, Überschwemmungen und Dürren entstehen und wie sich diese auf die gesamte wirtschaftliche Wertschöpfungskette von Ländern auswirken können.

Das Ergebnis mit Blick auf die fünf größten europäischen Volkswirtschaften Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande: Italien ist in den kommenden Jahrzehnten am meisten gefährdet. "Der Klimawandel könnte bei einem verzögerten Übergang zur Klimaneutralität zwischen 2020 und 2050 hypothetische Kosten in Höhe von 17,5 Billionen Euro verursachen, was 14,5 Prozent des BIP entspricht", sagt Hazem Krichene, Senior Director Climate Economist bei Scope ESG.

Deutschland hingegen hat den Analysten zufolge bisher das geringste Klimarisiko. Verzögern sich die Klimaziele, könnte das die Wirtschaft 7,1 Billionen Euro kosten, "was 3,2 Prozent des kumulierten BIP zwischen 2020 und 2050 entspricht".

Schließlich kann Dürre auch ein Faktor für eine erhöhte Inflation sein und die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank beeinflussen. Schon vergangenen Sommer zeigte sich, dass durch dürrebedingte Ernteausfälle Getreidebestände knapper waren als sonst, was zu Preissteigerungen führte. Eine Anhebung der Zinsen hilft nicht dagegen, doch die Europäische Zentralbank dürfte weiterhin vorsichtig in ihrem Kurs bleiben und die Zinserhöhungen erst einmal fortsetzen.

Quelle: ntv.de


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