Die Krawalle in Frankreich nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen haben in der fünften Nacht der Proteste nachgelassen. Zwar kam es auch in der Nacht zum Sonntag in mehreren Städten zu Unruhen, doch war das Ausmaß der Gewalt geringer als in den Nächten zuvor. "Ruhigere Nacht, dank des resoluten Einsatzes der Ordnungskräfte", schrieb Innenminister Gérald Darmanin im Onlinedienst Twitter.
Bis 03.30 Uhr MESZ registrierten die Behörden keine Ausschreitungen von dem Ausmaß wie in den Vornächten. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es demnach 486 Festnahmen - dies aber vor allem wegen des Tragens von Gegenständen, die als Waffen oder Wurfobjekte gebraucht werden können. In Paris und Umgebung wurden in der Nacht zum Sonntag laut der Zwischenbilanz der Behörden 194 Menschen in Polizeigewahrsam genommen.
Auf dem Prachtboulevard Champs-Elysées in der Hauptstadt war die Präsenz der Sicherheitskräfte massiv, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Kleine Gruppen von in Schwarz gekleideten jungen Männern liefen unter den Augen der Polizisten an den Geschäften entlang, die durch Gitter und Holzplanken vor Plünderungen geschützt waren. Später in der Nacht lösten die Sicherheitskräfte dort die letzten verbliebenen Protestgruppen auf.
In einem Vorort von Paris rammten Demonstranten mit einem Auto das Haus des Bürgermeisters. Die Randalierer hätten das Haus in der Nacht zum Sonntag mit dem Auto gerammt und anschließend ein Feuer gelegt, erklärte Vincent Jeanbrun, Bürgermeister von L'Haÿ-les-Roses bei Paris, im Onlinedienst Twitter. Seine Frau und eines seiner beiden Kinder seien "verletzt worden", schrieb Jeanbrun. Er sei während des Vorfalls im Rathaus der Stadt gewesen, die südlich von Paris liegt.
Keine Plünderungen in Marseille
In Marseille lösten die Sicherheitskräfte Ansammlungen junger Menschen im Stadtzentrum auf, es gab dort laut der vorläufigen Bilanz der Behörden 56 Festnahmen. Die Gruppen der Protestierenden waren demnach kleiner als in der Nacht zuvor. Es gebe in Marseille auch keine "Szenen von Plünderungen" wie in der Vornacht, teilte die regionale Polizeidirektion mit.
In der Nacht zum Samstag waren nach Angaben der Behörden bei den Krawallen landesweit 1350 Fahrzeuge angezündet, 266 Gebäude in Brand gesetzt oder beschädigt sowie 2560 Brände auf Straßen gelegt worden. 79 Polizisten und Gendarmen wurden demnach verletzt.
Innenminister Darmanin kündigte dann am Samstagabend an, dass landesweit wieder 45.000 Polizisten und Gendarmen mobilisiert würden - dieselbe Zahl wie in der Nacht zuvor. Wie schon am Vorabend wurde vielerorts der Verkehr von öffentlichen Bussen sowie von Straßenbahnen eingestellt. In Marseille fuhr auch die U-Bahn nicht mehr.
Nächtliche Ausgangssperren und Verkaufsverbote
Zahlreiche französische Städte verhängten nächtliche Ausgangssperren, um die Lage in den Griff zu bekommen. Der Verkauf von größeren Feuerwerkskörpern sowie brennbaren Flüssigkeiten wurde verboten.
Auslöser der Unruhen war der Tod von Nahel M., der am Dienstag von einem Polizisten bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden war. Der 17-Jährige wurde am Samstagnachmittag in seiner Heimatstadt Nanterre unter Ausschluss der Medien bestattet. Der mutmaßliche Schütze befindet sich in Untersuchungshaft, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Totschlags gegen ihn.
Die Unruhen in Frankreich haben nun auch die Schweiz erreicht. Die Polizei nahm am Samstagabend in der Stadt Lausanne nahe der Grenze zu Frankreich sieben Menschen fest, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtete. Nach Angaben der Polizei hatten sich mehr als 100 Jugendliche als Reaktion auf die Krawalle in Frankreich versammelt. Es kam zu Sachbeschädigungen an Geschäften. Die sieben Festgenommenen seien auf eine Polizeistation gebracht worden, hieß es in einer Mitteilung der Polizei weiter. Es handle sich um sechs Minderjährige im Alter von 15 bis 17 Jahren und einen 24-Jährigen.
Quelle: ntv.de, jaz/AFP/dpa
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