In den folgenden Jahren wurde das System auf die ganze Welt ausgedehnt. Nach den Fluglinien wurden Reisebüros an das System angeschlossen und andere Buchungssysteme wurden in Konkurrenz zu Sabre entwickelt. Heute werden die Systeme von Fluglinien, Hotels und einigen Eisenbahngesellschaften genutzt, um Reisende an ihr Ziel zu bringen. Für den Nutzer ist das System zwar praktisch, aber schwer durchschaubar und nicht besonders sicher.
Die Datensammlungen der Luftfahrtunternehmen erregen das Interesse von Sicherheitspolitikern; die Daten werden in der EU künftig auf Vorrat gespeichert, wie das EU-Parlament am Donnerstag beschlossen hat.
PNR-Systeme sind Vorläufer des Internets
In San Francisco haben wir mit einem Mann gesprochen, der in den Neunziger Jahren ganz nah an der Entwicklung vernetzter Buchungssysteme dran war: Edward Hasbrouck arbeitete in Reisebüros und beriet diese bei der Entwicklung der weiteren Vernetzung - einer Vernetzung, die das Internet praktisch vorwegnahm: "Die Buchungssysteme waren eigentlich Vorläufer des Internets, von Software-as-a-Service und Cloud Computing", sagt Hasbrouck.
Heute stecken in den Buchungssystemen die Daten von Abermillionen Reisenden weltweit. Doch was genau steht eigentlich in einem einzelnen Passenger Name Record (PNR)? "Erstens natürlich grundlegende Informationen über den Reisenden – Name, Geburtsdatum, Passnummer", sagt Hasbrouck.
Doch in den Systemen gibt es noch mehr Informationen: "Wenn Sie vegetarisches Essen bestellen, dann steht das im PNR, denn die Fluglinie muss ja entsprechend einkaufen", sagt Hasbrouck. Diese Informationen sind notwendig, um den Flug ordnungsgemäß durchzuführen. Doch sie können natürlich auch genutzt werden, um Profile zu bilden. Wer sein Essen koscher oder halal bestellt, gibt natürlich Informationen über seine religiöse Ausrichtung preis.
Außerdem gibt es Freitextfelder, in die praktisch alles eingetragen werden kann. Wenn die Fluglinie zum Beispiel weiß, dass jemand zu einer Beerdigung fliegt, kann die Kabinencrew entsprechend vorbereitet werden. Aber auch andere Merkmale können eingetragen werden, etwa wenn ein Passagier aufgrund einer Behinderung spezielle Assistenz benötigt. Ein PNR kann bis zu 60 persönliche Merkmale enthalten.
Niemand protokolliert, wer die Daten einsieht
Weltweit gibt es nur wenige Systeme, die fast alle Fluglinien miteinander vernetzen. Das älteste unter ihnen ist Sabre, in den USA gibt es außerdem Galileo und Worldspan. Das einzige europäische Unternehmen ist Amadeus, das 1987 von den europäischen Fluggesellschaften Lufthansa, Iberia, Air France und SAS gegründet wurde. Alle großen Fluglinien nutzen eines der Systeme. Nur Billigflieger wie Easyjet und Ryanair unterhalten eigene IT-Systeme.
Wenn sich ein Reisebüro an das System anschließen will, geschieht dies entweder über einen VPN-Zugang oder über eine Standleitung zum Betreiber des Buchungssystems. Dort findet ein weiterer Login mit den persönlichen Daten statt. Einen solchen Zugang zu bekommen, ist nicht besonders schwer, wer sich als Reisebüro lizenzieren lässt, kann gegen Gebühr auch einen Zugang zu den Buchungssystemen beantragen.
Ein Reisebüro kann dann auf alle Buchungen zugreifen, die von den Mitarbeitern selbst angelegt werden. Deutlich mehr Zugang haben natürlich die Mitarbeiter von Fluglinien. Sie können alle Buchungen einsehen, die ihr Unternehmen betreffen – weltweit. "Eine Protokollierung, wer wann auf wessen Informationen zugegriffen hat, gibt es nicht", sagt Hasbrouck.
Es ist ebenfalls nicht ganz einfach, die Frage zu beantworten, wo die Informationen zu einem Flug liegen. Sagen wir, ein Passagier hätte einen Flug bei der Lufthansa gebucht. Dann wäre sein PNR bei Amadeus gehostet. Doch einer der Flüge auf einer längeren Reise wird von einem Star-Alliance-Partner durchgeführt; dann wird ein verknüpfter PNR im System der jeweiligen Fluglinie angelegt, also bei Sabre, Galileo oder Worldspan.
Außerdem hat der Passagier über die Fluglinie noch ein Hotel und einen Mietwagen gebucht. All diese Datensätze liegen in verschiedenen, verknüpften Datenbanken vor. Der Kunde bekommt davon jedoch im Zweifelsfall nichts mit. Nur, wenn auf einer komplizierten Buchung mehrere Buchungscodes stehen, deutet dies darauf hin, dass die Informationen in verschiedenen Systemen gespeichert sind.
Tags: