Auch milde Covid-Infektion schwächt Immunsystem langfristig

  16 Juli 2024    Gelesen: 594
  Auch milde Covid-Infektion schwächt Immunsystem langfristig

Dass eine Corona-Infektion langanhaltende Symptome mit sich bringen kann, weiß man schon relativ früh in der Pandemie. Woran das liegt, ist allerdings bis heute ein Rätsel. Forschende finden nun eine mögliche Ursache - und die liegt im Knochenmark.

Eine Corona-Infektion hat einen viel längeren Effekt auf das Immunsystem als bisher angenommen. Das fand zumindest eine neue Studie der Medizinischen Universität Wien heraus. "Selbst nach milden Krankheitsverläufen stellten wir eine deutliche Verringerung von Immunzellen im Blut fest", sagt Studienleiter Winfried Pickl laut Mitteilung. Daraus könnte sich eine Erklärung für Long Covid ableiten lassen.

Im Rahmen der Studie, die jetzt im Fachjournal "Allergy" veröffentlicht wurde, untersuchten Pickl und sein Team relevante Immunparameter von 133 Covid-19-Genesenen und 98 Personen ohne entsprechende Infektion. Dabei wurden bei den Genesenen jeweils zehn Wochen und zehn Monate nach deren Erkrankung sowohl die Anzahl und Zusammensetzung verschiedener Immunzellen als auch die Wachstumsfaktoren im Blut analysiert, die unter anderem eine entscheidende Rolle bei der Regulation des Zellwachstums spielen.

Der Großteil der untersuchten Personen hatte laut Pickl nur einen milden Verlauf, musste also nicht im Krankenhaus behandelt werden. Und: Niemand war geimpft. Denn im Jahr 2020, aus dem die Daten stammen, gab es noch kein Corona-Vakzin. So konnten die Langzeitwirkungen von SARS-CoV-2-Infektionen ohne Einfluss von Impfstoffen untersucht werden, betonen die Autorinnen und Autoren.

Mögliche Ursache: Infektion des Knochenmarks

Die ersten Ergebnisse nach zehn Wochen fielen noch erwartbar aus: "Die Genesenen wiesen nach der Infektion im Gegensatz zu gesunden Probandinnen und Probanden sowohl bei den T- als auch bei den B-Zellen deutliche Anzeichen einer Immunaktivierung auf." Dazu nahmen die Wachstumsfaktoren im Blut das Muster eines akut-entzündlichen Geschehens an. Und nach zehn Monaten?

Hier zeigte sich den Forschenden ein unerwartetes Bild. Neben der Verringerung der Immunzellen wurden der bereits bekannte Abfall von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern und eine erstaunliche Veränderung der Wachstumsfaktormuster im Blut beobachtet. Für Genesene bedeute das, dass ihr Immunsystem länger geschwächt sei und möglicherweise Angreifer nicht gut abwehren könne.

Dieses Phänomen könnte durch eine Infektion des Knochenmarks ausgelöst werden, vermuten die Forschenden. Das Knochenmark ist die zentrale Produktionsstätte von Immunzellen. Diese Funktion könnte eine Entzündung langanhaltend beeinträchtigen. "Die Knochenmarkszellen haben Rezeptoren für SARS-CoV-2, insofern ist das eine logische Schlussfolgerung aus den Erkenntnissen unserer Arbeit", sagt Pickl dem "Standard". Zusätzlich gebe es gute Evidenz dazu in der Fachliteratur.

"Das merkt man nicht unbedingt im täglichen Leben"

Die Forschungsergebnisse zeigen demnach, dass der Körper deutlich länger mit einer Covid-Infektion beschäftigt ist, als man annehmen würde. "Das merkt man nicht unbedingt im täglichen Leben, aber es bedeutet eben, dass das Immunsystem von Covid-19-Genesenen womöglich länger nicht optimal auf andere Erreger reagiert", erklärt Pickl.

Für tiefergehende Erkenntnisse braucht es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zufolge weitere Untersuchungen. So müsste man etwa erforschen, wie lange Virusbestandteile noch im Körper von ehemals infizierten Personen verbleiben, sagt Pickl. Diese könnten nämlich der Grund sein, warum das Immunsystem immer wieder stimuliert wird und sich so lange nicht erholen kann - ein womöglich wichtiger Erklärungsansatz für längere Corona-Folgen wie Long Covid.

Quelle: ntv.de, hny


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