Die russischen Streitkräfte sind laut einer Analyse des Instituts für Kriegsstudien (ISW) mittlerweile besser in der Lage, sich gegen ukrainische Angriffe in der Region Kursk zu verteidigen. Dennoch sollen geolokalisierte Aufnahmen und russische Berichte darauf hindeuten, dass die ukrainischen Streitkräfte ihre Stellungen weitgehend halten und zuletzt etwas weiter vorgerückt sind. Russland setze unter anderem kampferfahrene Soldaten aus Frontgebieten in der Ukraine und Wehrpflichtige ein, so das ISW.
Letztere könnten laut Einschätzung der US-Denkfabrik noch zu Problemen führen. Russische Oppositions- und Social-Media-Kanäle hätten damit begonnen, erste Beschwerden von Familienmitgliedern russischer Wehrpflichtiger zu verbreiten, die in die Grenzverteidigungsoperationen involviert seien.
Der Kreml habe sich im Frühjahr 2022 bereits mit "erheblichen gesellschaftlichen Gegenreaktionen" konfrontiert gesehen, weil er Wehrpflichtige illegal an die Front schickte. In der russischen Regierung soll es eine "große Besorgnis" vor den öffentlichen Reaktionen auf Kampfeinsätze von Wehrpflichtigen geben, teilt das ISW mit.
Auch in Bezug auf Frontsoldaten hatte es in den vergangenen Jahren wiederholt Proteste von Frauen und Müttern gegeben, die den Kreml sichtlich nervös machten. Die Behörden gingen teilweise hart gegen Kundgebungen und Versammlungen vor. In Russland gab es bereits Ende der 80er und über die 90er eine starke Bewegung der Soldatenmütter, welche gegen die Behandlung ihrer Söhne in der Armee protestierten.
Kreml könnte Rhetorik schon anpassen
Vergangene Versprechen könnten Wladimir Putin nun zum wiederholten Male auf die Füße fallen. Noch im März 2022 hatte er versucht, die Mütter von russischen Wehrpflichtigen zu beruhigen, indem er betonte, dass Russland sie nicht in den Kampf schicken werde.
Später sei der Kreml-Führer dann kritisiert worden, weil er auf Wehrpflichtige setzte, um Grenzüberfälle von proukrainischen Kräften abzuwehren und um auf die Meuterei der Wagner-Gruppe im Sommer 2023 zu reagieren, so das ISW. Zweck des Einsatzes von Wehrpflichtigen im Grenzgebiet war es wohl, konventionelle Kampfkräfte, die zuvor für den Grenzschutz zuständig waren, für Einsätze in der Ukraine freizustellen.
"Der Kreml könnte gezwungen sein, seine umstrittene Abhängigkeit von Wehrpflichtigen in Grenzsicherheitsoperationen zu rechtfertigen, um die russische Gesellschaft zu beruhigen, wie Putin dies nach Kontroversen in den Jahren 2022 und 2023 getan hatte", schreibt das Institut für Kriegsstudien.
Der russische Staatsduma-Abgeordnete und ehemalige stellvertretende Kommandeur des Südlichen Militärbezirks, Generalleutnant Andrei Gurulev, habe bereits kürzlich im russischen Staatsfernsehen erklärt, dass die Teilnahme von Wehrpflichtigen an Kampfeinsätzen normal sei. Gurulev begründete dies mit dem Einsatz von Wehrpflichtigen im Afghanistan-Krieg der Sowjetunion und den Tschetschenien-Kriegen.
In der Region Kursk sollen im Zuge der ukrainischen Offensive, die seit dem 6. August läuft, bereits mehrere russische Wehrpflichtige in Gefangenschaft genommen worden sein. In Russland werden für gewöhnlich jährlich im Zuge von zwei Einberufungswellen ungefähr 250.000 Wehrpflichtige eingezogen.
Quelle: ntv.de, rog
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