EU-Länder sind vor Migrationsdebatte gespalten und unter Druck

  17 Oktober 2024    Gelesen: 661
  EU-Länder sind vor Migrationsdebatte gespalten und unter Druck

Die Migration ist eines der Hauptthemen des heutigen EU-Gipfels. Deutschland und viele andere Länder sehen sich durch Wahlerfolge von Rechtspopulisten unter Handlungsdruck. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben allerdings so unterschiedliche Positionen, dass eine gemeinsame Gipfelerklärung laut Diplomaten am Ende scheitern könnte.

Was ist bei dem Gipfel geplant?

Diskussionsgrundlage ist ein Zehn-Punkte-Plan von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, den sie in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs skizziert hat. Darin setzt von der Leyen unter anderem auf wirksamere Abschiebungen. Nach Angaben des EU-Statistikamts Eurostat wurden im vergangenen Jahr mehr als 480.000 Drittstaatsangehörige zum Verlassen der EU aufgefordert, nur in jedem fünften Fall kam es jedoch zur Rückkehr ins Heimatland.

Könnten Abschiebelager helfen?

Abschiebezentren in Drittstaaten sind einer der heikelsten Vorschläge in der Debatte. Sie sollen verhindern, dass Migranten in die EU gelangen. Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni sieht sich als Vorreiterin: Sie hat mit dem EU-Beitrittskandidaten Albanien geschlossene Asyllager vereinbart, in denen die italienischen Behörden Tausende Asylanträge pro Jahr bearbeiten wollen. Am Dienstag wurden dafür erstmals 16 Männer aus Ägypten und Bangladesch nach Albanien gebracht.

Warum sind die Zentren umstritten?

Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl oder das International Rescue Committee (IRC) warnen vor einem Umgehen der EU-Standards und Menschenrechtsverstößen in solchen exterritorialen Abschiebezentren. Aber auch eine Reihe von EU-Staaten lehnt das Konzept ab, nicht nur aus rechtlichen Gründen. Diplomaten betonen, bis auf Albanien habe sich bisher kein Drittstaat zu solch einer Zusammenarbeit bereit erklärt. Großbritannien hatte zuletzt Pläne für Abschiebungen ins afrikanische Ruanda gestoppt.

Was schlägt von der Leyen noch vor?

Wie von Deutschland und 16 weiteren Schengen-Staaten gefordert, will die CDU-Politikerin die sogenannte Rückführungsrichtlinie von 2008 überarbeiten. Im Kern sollen die Mitgliedsländer ihre Abschiebebeschlüsse gegenseitig anerkennen. Bisher reisen abgelehnte Bewerber häufig in ein anderes Land und stellten dort einen neuen Antrag. Zudem wirbt von der Leyen dafür, Visa für Drittländer stärker als "Hebel" zu nutzen, damit diese ihre Staatsangehörigen zurücknehmen.

Lässt sich das Asylrecht auch aussetzen?

Das hat Polens Regierungschef Donald Tusk kurz vor dem Gipfel angekündigt und damit bei der EU-Kommission für Unruhe gesorgt. Tusk beruft sich darauf, dass Russland und Belarus Migranten etwa aus Syrien gezielt über die polnische Grenze schleusen. Allerdings ist das Asylrecht seit dem Zweiten Weltkrieg Bestandteil europäischer und internationaler Verträge. Grund sind die massiven Fluchtbewegungen, die vor allem Nazi-Deutschland auslöste.

Könnte es dennoch Ausnahmen geben?

Solche Ausnahmen - in der EU Opt-outs genannt - haben die Niederlande und Ungarn bei der EU-Kommission beantragt. Bedingung wäre eine langwierige EU-Vertragsänderung, der am Schluss alle Mitgliedsländer zustimmen müssten. Viele Staaten fürchten aber den Zusammenbruch des gemeinsamen Asylsystems, wenn einzelne ausscheren.

Welche Rolle spielt Deutschland auf dem Gipfel?

Streit gibt es um die Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen, die die Ampel-Koalition Mitte September eingeführt hat. Partner wie Polen und Griechenland wollen Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz machen, diese rasch zu beenden.

Was will Deutschland bei dem Gipfel erreichen?

In seiner Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag am Mittwoch erwähnte Scholz die Migration nicht, was die Opposition scharf kritisierte. Nach Regierungsangaben wirbt Scholz für eine "zügige" Umsetzung der im Mai beschlossenen Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems (Geas). Sie ermöglicht erstmals Asylverfahren und Abschiebungen direkt an den Außengrenzen. Zudem will der Kanzler erneut auf die Anwendung der Dublin-Regeln pochen, nach denen das EU-Ersteinreiseland Asylbewerber etwa von Deutschland zurücknehmen muss. Italien und Griechenland verweigern eine solche Rücknahme weitgehend.

Quelle: ntv.de, Stephanie Lob, AFP


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