ntv.de: Überrascht es Sie, dass China und die USA in Genf eine Einigung gefunden haben?
Jürgen Matthes: Die Anzeichen standen zuletzt bereits etwas mehr auf Annäherung. Die Einigung ist insofern trotzdem überraschend. Sowohl US-Präsident Donald Trump als auch die chinesische Regierung können eigentlich nur sehr schwer von ihren Positionen zurückrudern.
Jürgen Matthes ist Volkswirt und leitet beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln das Cluster Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte.
Ist die Zollpause eher Verhandlungstaktik oder ein Schritt hin zu einer dauerhaften Lösung?
Das Ziel der Trump-Administration bleibt undurchsichtig. Worauf wollen die USA hinaus: Dass China wieder zusagt, mehr Waren zu kaufen? So einen Deal hat es bereits während der ersten Amtszeit von Trump gegeben. Der ist allerdings von den Chinesen nicht umgesetzt worden. Über das Verhandlungsziel beider Parteien lässt sich momentan allerdings nur mutmaßen. Eine weitere unbekannte Variable ist: Sind die beiden Länder bereit, noch weitere Schritte aufeinander zuzugehen? Aber es ist sicherlich erstmal eine gute Nachricht, dass das hohe Zollniveau für 90 Tage nicht mehr gilt.
Die Zollsätze sollen ab Mittwoch für 90 Tage um jeweils 115 Prozentpunkte gesenkt werden. Das bedeutet: Zölle für chinesische Ausfuhren sinken auf 30 Prozent, die Aufschläge auf US-Exporte nach China auf zehn Prozent. Klingt, als wenn sich die Amerikaner durchgesetzt haben ...
Ja, die Amerikaner haben jetzt nochmal höhere Zölle durchgesetzt. Schon im Vorfeld hat Trump in seiner ersten Amtszeit chinesische Einfuhren von mehreren 100 Milliarden US-Dollar mit Zöllen von knapp 30 Prozent belegt. Auch Joe Biden hat daran nichts geändert. Bei diesen Importen kommen die 30 Prozent jetzt noch on top. 30 Prozent versus 10 Prozent zeigen: Trump hat China in die Defensive gedrängt.
Nehmen wir an, es bleibt dabei: Welche Auswirkungen haben diese Zollsätze auf den Handel?
Das muss man genau durchrechnen. Sicher ist aber: Zollsätze, die jetzt im Gespräch sind, schädigen die Wirtschaft der USA und China deutlich weniger. Davon profitiert am Ende übrigens auch Deutschland. Denn wenn die Wirtschaft dieser beiden wichtigen deutschen Handelspartner weniger geschädigt wird als mit den vormaligen sehr hohen Zollsätzen, wird auch die globale Nachfrage nach deutschen Waren nicht so stark einbrechen. Die negativen Auswirkungen für uns werden durch den Deal deutlich abgeschwächt.
Mit Großbritannien haben die USA einen Zollsatz von zehn Prozent vereinbart. Könnte Peking sich auf ähnliche Bedingungen einlassen?
Ein zusätzlicher Zoll in Höhe von 10 Prozent auf chinesische Importe in den USA wäre für China verschmerzbar und ein vergleichsweise gutes Ergebnis für Peking. Ich halte das allerdings nicht für besonders wahrscheinlich.
Wieso?
Ich halte es für realistisch, dass Trump mit den Chinesen härter ins Gericht gehen wird als mit anderen Ländern. Es ist der US-Regierung ein Dorn im Auge, dass China mit seinen Subventionen massiv den internationalen Wettbewerb verzerrt. Subventionierte chinesische Exportgüter können viel billiger angeboten werden.
Die 90-Tage-Frist soll genutzt werden, um weiterzuverhandeln. Die USA halten weiterhin an ihrem Ziel einer ausgeglicheneren Handelsbilanz mit China fest. Ist eine Einigung unter diesen Voraussetzungen realistisch?
Die Frage ist: Was würde China in den USA mehr einkaufen, um das Handelsdefizit zumindest aus US-Sicht deutlich zurückzufahren? Ein vollständiger Ausgleich der Handelsbilanz ist nicht wahrscheinlich. Allerdings würde Trump es wohl schaffen, schon eine deutliche Verringerung des Handelsbilanzdefizits gegenüber China als einen Riesenerfolg zu verkaufen.
Mit Jürgen Matthes sprach Juliane Kipper
Quelle: ntv.de
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