Instinktiv erkannte der blaue Präsidentenanwärter rasch, welche Sprengkraft seinem flapsigen Satz innewohnt. Sein Diktum, beschwichtigt er seitdem, dürfe nicht als freiheitliches Menetekel missverstanden werden. Doch einmal ausgesprochen, lässt sich der Satz nicht mehr aus der Welt schaffen. Er nährt die Befürchtung, nach der Stichwahl am Sonntag könnte der Einzug des freiheitlichen Hoffnungsträgers in die Hofburg den Startschuss zum Marsch in die Dritte Republik bedeuten. Gemeint sind damit neue staatliche Strukturen, welche die österreichische Nachkriegsordnung demnächst ablösen könnten.
Schon Jörg Haider, der Stammvater der modernen FPÖ, fantasierte mitunter davon, die Parteiendemokratie und den parlamentarischen Prozess durch verschiedene weitreichende plebiszitäre Elemente einzuschränken, wenn nicht gar zu neutralisieren. Es waren höchst diffuse Vorstellungen, ein konkretes politisches Modell lag ihnen nicht zugrunde. Doch in kämpferischen Stunden schwärmte Haider von einem starken Präsidentenkanzler, der, sich auf den Volkswillen berufend, dem Land Entscheidungen aufzwingt, ohne dass sie in den mühsamen Debatten der Volks- und Interessenvertreter zu faulen Kompromissen verwässert werden.
Manche Elemente dieser Ideen scheinen in der Wahlkampagne von Norbert Hofer – und in der FPÖ von Parteichef Heinz-Christian Strache – überlebt zu haben. Sein Verständnis des Amtes orientiert Hofer viel stärker an dem ursprünglichen Hintergedanken der Verfassung denn an der Praxis der gelebten Realverfassung. Und das österreichische Staatsgrundgesetz sieht in einigen Aspekten einen starken Mann in der Hofburg vor und keinen machtlosen Staatsnotar.
Immer wieder betont Hofer, er werde sich als eine Art Schutzpatron für Österreich verstehen, der "auf das Land aufpasst" und der es vor Unheil bewahren wolle. Bei seinen Wahlkampfauftritten begeistert sich dieser republikanische Oberaufseher für einen Staat, der nach Schweizer Vorbild durch eine Serie von verpflichtenden Volksentscheiden gesteuert wird. Dieses trivialisierte Imitat der Eidgenossenschaft ist der feuchte Traum aller Populisten, auch solcher links der Mitte. Erst schürt man eine Stimmung, über die man anschließend abstimmen lässt. Wie unter dieser Voraussetzung einer Quoten-Demokratie die Gesetzgebung in der Flüchtlingskrise aussehen würde, mag man sich nicht vorstellen.
Eine Bundesregierung, bestellt von Bundespräsident Hofer, würde ein prekäres Dasein führen. Über ihr schwebte ein Damoklesschwert in Gestalt des starken Mannes in der Hofburg. Unbeeindruckt von allen Einwänden, beharrt Hofer darauf, im Fall des Falles nach eigenem Gutdünken den Bundeskanzler und in der Folgewirkung dessen gesamtes Kabinett abzuberufen. Zwar beteuert der freiheitliche Kandidat, er würde von diesem Instrument, das ihm die Verfassung in die Hand legt, nur als letztes Mittel Gebrauch machen, um "Schaden von Österreich abzuwenden", nachdem aller präsidialer Tadel nicht die gewünschte Wirkung zeitigte. Man kann in dieser Konzernchef-Attitüde auch eine sanfte Form der Amtsanmaßung sehen: Ein benevolenter Alleinentscheider bestimmt, wo’s langgeht und wann der Ultimo für seine Ultima Ratio gekommen ist. Zumindest zwischen den Zeilen ließ Hofer einige Male bereits durchblicken, in der virulenten Flüchtlingskrise wäre für ihn dieser Moment im Herbst des vergangenen Jahres gekommen, als die Asylsuchenden in Massen über die Grenzen fluteten und die Notquartiere überquollen.
Ein paar autokratische Allüren konstituieren natürlich noch keinen Systemumbau, geschweige denn, dass sich auf diesem Fundament eine Dritte Republik errichten ließe. Aber sie bereiten das Terrain, weil sie in diesem Wahlkampf offensichtlich auf besonders fruchtbaren Boden fallen. Dafür darf aber nicht die magische Anziehungskraft, die autoritäre Werkzeuge und Lösungsmodelle auf die Wähler auszuüben scheinen, verantwortlich gemacht werden, dieses Faschismus-Gen, das ausländische Beobachter jedes Mal in Österreich zu entdecken glauben, wenn die Freiheitlichen wieder einmal einen Wahltriumph erzielen können.
Tags: