Das war am zweiten Tag der Familiensynode. Tags zuvor hatte er wohl das Schreiben erhalten, das nun "L`Espresso" öffentlich gemacht hat. Erzbischöfe aus Kanada, den USA, Australien, Afrika sollen es verfasst haben. Auch der ehemalige Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller war dabei, Chef der mächtigen Glaubenskongregation in Rom.
Dass manche der Mitunterzeichner sich umgehend distanzierten, als der Brief an die Heiligkeit bekannt wurde, zeigt schon: Die Sache ist heikel. Andere haben sich aufgeregt über "ein neues Vatileaks", wie Müller.
George Pell: "Keine Möglichkeit, an dieser Lehre etwas zu ändern"
Der Brief kommt zahm daher, der Ton ist angemessen unterwürfig. Man wolle dem Papst "eine Reihe von Sorgen" nahebringen, die man von anderen Teilnehmern der Synode gehört habe und selbst teile. Doch ihre Kritik hat es in sich: Es bestehe die Sorge, dass die Synode am Ende vom "theologisch/doktrinalen Problem" der Teilhabe an den Sakramenten für Katholiken in zweiter Ehe "dominiert werden könnte". Obwohl die Synode doch dafür gedacht sei, sich "einer lebenswichtigen pastoralen Frage zu stellen": "die Würde von Ehe und Familie zu verstärken".
Wenn es so komme wie befürchtet, rutsche man immer tiefer ins Dilemma, die Kirche müsse "das Wort Gottes und seine Lehre" ständig an den "kulturellen Veränderungen ausrichten". Man brauche ja nur die protestantischen Kirchen anzuschauen, um zu sehen, wohin das führe. Deshalb raten die Briefschreiber zu "großer Vorsicht bei unseren synodalen Diskussionen". Die Botschaft ist klar: Papst, pass auf! Hier geht es ans Eingemachte.
Schon lange vor der Familiensynode, der Versammlung von Bischöfen aus aller Welt im katholischen Kirchenstaat, hatte die konservative Fraktion mobilgemacht. Mit Büchern, in Interviews, über Erklärungen traditioneller Gruppen und Verbände gab es immer dieselbe Botschaft: Rührt die reine, zweitausend Jahre alte, von Gott gegebene Lehre zu Ehe und Familie nicht an!
Da mögen andere nach Wegen suchen, wie man geschiedene Katholiken, die ein zweites Mal heiraten wollen, einen Zugang zu den Sakramenten ermöglicht; oder darüber diskutieren, ob und wie die Kirche auch gleichgeschlechtliche Paare als vollwertige Mitglieder aufnehmen könnte: Für den orthodoxen schwarzen Block gibt es, so klar sagt es zum Beispiel der australische Kurienkardinal George Pell, "keine Möglichkeit, an dieser Lehre etwas zu ändern".
Pell, Chef des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, wurde durch einen Vorwurf gegen ihn außerhalb der Kirchenmauern bekannt: Er soll Fälle von sexuellem Missbrauch in der Kirche vertuscht haben. Noch im Mai dieses Jahres bezeichnete ein Mitglied der 2014 gegründeten päpstlichen Kinderschutzkommission, Peter Saunders, ihn als "unhaltbar für den Vatikan". Doch der Rest der Kommission sah das anders. Und so mischt Pell jetzt nicht nur in der Synode mit, er ist auch der Organisator der schriftlichen Warnung an den katholischen "Pontifex Maximus".
Sie ging an den Papst, noch bevor die Diskussionen überhaupt begonnen hatten. Und Franziskus tat den Verfassern offenbar den Gefallen, die Unantastbarkeit der Lehre öffentlich klarzustellen.
War das seine Meinung von Anfang an? War das ein Zurückweichen oder nur Taktik? Niemand weiß es, so wenig wie bislang bekannt ist, wer eigentlich den Brief der Dogmatiker in dieser Woche dem Magazin "L`Espresso" zuspielte. Vatikansprecher Pater Federico Lombardo nannte die Weitergabe des Dokuments "einen Akt der Störung", der von den Unterzeichnern nicht beabsichtigt gewesen sei. Nun, sagen andere, vielleicht gerade doch?
Für Nello Scavo, Journalist bei der katholischen Tageszeitung "Avvenire", tobt im Vatikan "eine ideologische Schlacht". Er hat dazu gerade ein Buch präsentiert ("Die Feinde von Franziskus"). Seine Verschwörungstheorie besagt, dass Franziskus` Gegner versuchten, "den Papst zu diskreditieren, zum Schweigen zu bringen". Es handelt sich demnach um Pell und Müller, den afrikanischen Kardinal Wilfried Fox Napier und insbesondere mächtige US-Bischöfe, angeführt vom New Yorker Timothy Dolan.
Auch Robert Sarah, Kardinal aus Guinea, zählt zu dieser Gruppe. Und er bewies bei der Synode laut einem Zeitungsbericht, dass ihm alle Mittel recht sind, wenn es um die Verteidigung der Lehre geht: "Was im 20. Jahrhundert Nazi-Faschismus und Kommunismus waren", so wird er zitiert, "das sind heute westliche Ideologien über Homosexualität und Abtreibung sowie der Islamistische Fanatismus." Der katholische US-Zeitung "National Catholic Register" veröffentlichte den Redebeitrag Sarahs. Er stammt demnach von letzter Woche. Die Kirche befinde sich zwischen dem Götzendienst westlicher Freiheit und dem islamischen Fundamentalismus, beides seien "apokalyptische Bestien", ergänzte Sarah.
Die sogenannten "Progressisten", auf der anderen Seite, kommen vor allem aus Europa, wie der deutsche emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper und der Münchener Erzbischof Reinhard Marx. Dass sie in der Minderheit sind, ist ihnen klar. Deshalb versuchen sie auch in den synodalen Diskussionen gar nicht erst, die amtlich-katholische Doktrin zu ändern.
Die Lehre bewahren und zugleich "die verwundeten Menschen begleiten", ist ein Leitmotiv aus ihren Reihen. Auch ein Vorschlag, den schon im Frühjahr 2014 Walter Kasper gemacht hatte, die wiederverheirateten Geschiedenen über einen "Bußweg" an die Sakramente heranzuführen, ist in der Debatte. Und immer wieder geht es um eine "neue Sprache".
Dabei, sagen die einen, gehe es um eine andere Haltung gegenüber den Problemen vieler Gläubiger in der heutigen Zeit. Oder es gehe, sagen andere, doch letztlich nur darum, das verbal zu verbinden, was faktisch nicht zu verbinden ist: Eine in Stein gemeißelte alte Lehre in moderner Zeit.
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