Die Knochen waren am 19. Mai auf einem Privatgrundstück in etwas über einem Meter Tiefe entdeckt worden. Der Eigentümer hatte zuvor ein Loch für einen Swimmingpool ausheben lassen. Bei starkem Regen stürzte eine Wand ein und legte dabei die Knochen frei. Erste Untersuchungen nach dem Fund hatten ergeben, dass es sich bei den verschiedenen Knochen und zwei Schädeln um menschliche Gerippe handelt.
Zunächst hätten die Bauherren die Polizei verständigt, erzählt Olaf Kürbis, der die Arbeiten an dem Fund betreut hat. Schnell war jedoch klar, dass die menschlichen Überreste zu alt waren, um ein Fall für die Staatsanwaltschaft zu werden. Bei Nachgrabungen vor Ort wurde klar, dass auf der Baustelle der Rand eines mittelalterlichen Friedhofs angeschnitten wurde.
Möglicherweise Dutzende weitere Skelette
"In der Region, wo der Fund gemacht wurde, liegt die Wüstung Wollingerode", so Kürbis. Es handele sich um ein mittelalterliches Dorf, das schon vor langer Zeit aufgegeben wurde. Das genaue Alter ist nicht bekannt. Die ersten urkundlichen Erwähnungen stammen aus dem 9. Jahrhundert. Schon im 15. Jahrhundert wird der Ort allerdings als Wüstung bezeichnet, war also unbewohnt.
"In der Siedlung hat es eine Kirche gegeben und damit automatisch auch einen Friedhof", sagt Kürbis. Den Randbereich dieses Friedhofs habe man nun entdeckt. "Das liefert uns zumindest den Hinweis, wo die Dorfkirche einst gestanden haben könnte."
Bei den Nachgrabungen sind Skelette von vier weiteren Menschen zum Vorschein gekommen, die parallel nebeneinander liegen. Die Leichen seien der Geschichte der Region entsprechend christlich bestattet worden, also mit dem Kopf nach Westen und den Füßen nach Osten, erklärt Kürbis. Auch nachträglich entdeckte Sargnägel weisen auf klassische Beisetzungen hin.
"Man kann davon ausgehen, dass man Dutzende, wenn nicht Hunderte weitere Funde machen würde, wenn man weitergraben würde." Geplant ist das allerdings nicht, denn Entdeckungen wie diese sind im Nordharz nicht ungewöhnlich. "Wir haben hier 7000 Jahre Siedlungsgeschichte und zu allen Zeiten gab es Bestattungen", erklärt Kürbis.
Die Pool-Bauer können also in Ruhe weiterbauen. Archäologen können aber zu weiteren Untersuchungen einen Baustopp verhängen, wenn es sich um geschichtlich außergewöhnliche Funde handelt. "Wie lange ein solcher Fund ein Bauprojekt verzögert, ist ganz unterschiedlich", sagt Kürbis. In dem aktuellen Fall sei den Bauherren im Prinzip keine Verzögerung entstanden, weil sie nach dem Einsturz der Wand ohnehin erst neue Baugeräte organisieren mussten. Zwischen der Entdeckung der Knochen und den abschließenden Untersuchungen der Polizei und der Landesarchäologen lag eine Woche.
Quelle : spiegel.de
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