Die Zahl ist nicht neu. Sie wurde bereits 2014 publiziert, im ersten Bericht des Konsortiums. Zahlreiche Medien berichteten damals schon darüber: Im Jahr 2050 werde es mehr Superkeim-Opfer als Krebstote geben, titelte zum Beispiel sinngemäß die BBC.
Ähnlich aufgeregt wird seit einigen Tagen wieder darüber berichtet. "Forscher fürchten Millionen Tote durch resistente Keime", schreibt etwa Focus online, die BBC fordert nun eine Antibiotika-Revolution, der Mirror schreibt gar von der "Antibiotika-Apokalypse". Ist es wirklich so schlimm?
Nein. Erstens haben viele Journalisten den Bericht falsch interpretiert. Die Nachrichtenagentur dpa etwa schrieb, die Todesfälle würden durch "Antibiotikaresistenzen" verursacht. Das stimmt so nicht. Die britischen Forscher sprechen nämlich von "antimikrobiellen Resistenzen". Und der Begriff "Mikrobe" ist viel breiter gefasst und schließt etwa Viren wie HIV, Bakterien wie das Darmbakterium E. coli oder Parasiten wie den Malaria-Erreger Plasmodium falciparum mit ein. (Gegen Viren und Plasmodien sind Antibiotika übrigens eh wirkungslos.)
In 35 Jahren, so die Prognose der britischen Forscher, könnten die Arzneien gegen all diese Mikroben durch Resistenzen unwirksam werden. Und zehn Millionen Menschen pro Jahr das Leben kosten.
Zweitens haben viele Journalisten den Bericht so verstanden, dass sich die zehn Millionen auf Europa beziehen. Naheliegend, wurde die Studie doch von der britischen Regierung in Auftrag gegeben. Ein folgenreicher Trugschluss.
Achtung: Es geht um Malaria und Tuberkulose
In Wahrheit würden neun der zehn Millionen Todesfälle laut der Prognose in Staaten Afrikas und Asiens auftreten – in Ländern also, in denen der Infektionsschutz kaum entwickelt ist. Zudem würden die meisten Menschen nicht infolge von Krankenhauskeimen wie etwa MRSA dahingerafft, sondern vor allem durch Malaria und Tuberkulose. Nicht in Europa, sondern in Afrika und Asien. Das gilt für die 700.000, die laut des Berichts angeblich schon heute an resistenten Keimen sterben. Und eben auch für die prognostizierten zehn Millionen.
Womit wir bei der Frage sind: Wie kommt diese gigantische Zahl überhaupt zustande? Die Forscher haben zwei große Szenarien entwickelt. Das erste geht davon aus, dass die Resistenzen für alle Erreger um 40 Prozent zunehmen werden – was für viele Erreger eine Vervielfachung der heutigen Resistenzrate wäre. Zudem geht man in diesem Szenario von einer Verdopplung der Ansteckungsrate aus. Auch das ist schwer nachvollziehbar, wird doch die Hygiene weltweit immer besser.
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