24 Stunden Papa: Wenn Männer zu Hause bleiben

  12 Juni 2016    Gelesen: 1111
24 Stunden Papa: Wenn Männer zu Hause bleiben
Sie kochen, putzen und kümmern sich um die Kinder. Hausmänner sind noch immer rar, beklatscht von Frauen und neugierig beäugt von anderen Männern. Wie lebt es sich als Vollzeitvater?

Die elfjährige Stella kommt direkt aus der Schule zum Fototermin. Ihre jüngere Schwester Cleo, 8, stößt ein paar Minuten später von der Klavierprobe dazu und fragt ihren Vater ungeduldig: „Was essen wir heute?“ Die Antwort „Serbische Bohnensuppe“ stellt sie nicht unbedingt zufrieden. Aber dass ihr Vater Mike* auch an diesem Abend für die Mädchen, seine Frau und sich gekocht hat, überrascht sie nicht. Er tut das an jedem anderen Tag der Woche auch. So wie er die Mädchen jeden Tag schulfertig macht, einkaufen geht, sich um den Hund kümmert und die Wohnung in Schuss hält. Er besucht Klavieraufführungen und lernt mit Stella für die Mathematik-Schularbeit.

Papa Mike* ist seit der Geburt seiner beiden Töchter Hausmann. Geplant hatten er und seine Frau das nicht, es hat sich einfach ergeben. Mike hatte als Tourbegleiter, etwa der Shaolin-Mönche, einen unregelmäßigen Job mit viel Reisetätigkeit, der sich mit einer Familie schwer vereinbaren ließ. Mikes Frau arbeitet in einer Bank und hat meist eine 60-Stunden-Woche. Sie ging bei beiden Töchtern ein halbes Jahr in Karenz, bevor ihr Mann, ein studierter Landschaftsplaner, sich entschloss, seinen Beruf aufzugeben und die Kinderbetreuung komplett zu übernehmen. „In anderen Familien bringt der Mann das Geld nach Hause, bei uns ist es halt umgekehrt“, sagt er. Er weiß, dass dieses Modell immer noch ungewöhnlich ist. „Freiwillig erzähle ich nicht, was ich tue. Mir ist es fast peinlich, obwohl es natürlich nicht peinlich ist.“ Aber eigentlich bekomme er fast nur positive Reaktionen, vor allem von Frauen. „Männer sind zuerst oft verwundert. Da wird man als etwas Besonderes gesehen. Aber ich höre nicht selten: ,Ich würde das auch gern machen, aber bei mir geht das nicht.‘“


Hauptbetreuer Papa. Wie viele Männer dem Beispiel von Mike folgen, lässt sich schwer berechnen. Diese Gruppe sei statistisch schwer erfassbar, heißt es auch bei der Statistik Austria. Es gibt keine genauen Zahlen, wie viele Hausmänner und Hausfrauen es in Österreich gibt. Zum einen, weil die meisten Eltern nach der Karenzzeit beide zumindest teilweise einer Beschäftigung nachgehen. Und zum anderen, weil viele Hausmänner- und -frauen bei ihren Partnern geringfügig angemeldet oder selbstständig sind. Die konkretesten Zahlen liefern die Daten der Kinderbetreuungsgeldbezieher: Im Jahr 2014 waren darunter 17.795 Hausfrauen und nur 301 Hausmänner.

Der Hausmann ist also immer noch eine Seltenheit. Obwohl es auch schon früher vorkam, dass Männer eine begrenzte Zeit die Hauptbetreuung übernahmen, zum Beispiel, wenn sie ihr Studium abschlossen oder arbeitslos waren. Aber Männer wie Mike, die sich bewusst für ein Hausmann-Dasein entscheiden, waren und sind die Ausnahme. „Und empirisches Neuland“, wie auch Helene Schiffbänker vom Joanneum Research Policies bestätigt, die sich bisher intensiv mit dem Thema Väterkarenz beschäftigt hat (z. B. „Karenzväter in Zahlen“, 2013).

Ein solcher Hausmann ist auch Kurt Stroh. Der 59-Jährige verbringt seine Tage derzeit damit, mit seinem 14 Monate alten Sohn Tobias zu spielen und den Großteil des Haushalts zu erledigen. Der IT-Experte, der früher als EDV-Leiter bei Firmen wie Moulinex und Manpower viel gearbeitet und verdient hat, hat sein Arbeitspensum schon lange vor der Geburt seines Sohnes reduziert. Seine Frau ist Gynäkologin, hatte früher eine 60-Stunden-Woche mit vielen Nachtdiensten. „Da war für alles andere kein Platz mehr. Also habe ich immer mehr Arbeit übernommen, und ich gebe ehrlich zu, dass mir das Spaß gemacht hat.“ Heute hat sie eine eigene Praxis und arbeitet immer noch gut 40 Stunden die Woche. „Und meine Frau ist gut in ihrem Job. Ich nehme ihr die Sachen ab, die Zeiträuber sind. Kochen und Küche, das ist komplett meines. Das Kind teilt sich auf, weil es verlangt beide.“ Stroh betreut zudem zwei Kunden in EDV-Fragen, der Arbeitsaufwand liege aber nur bei sechs bis acht Stunden pro Woche.


Mehr als ein Freitzeitvater. Stroh hat bereits zwei Töchter aus einer früheren Beziehung. Auch um Rafaela (25) und Marion (18) hat er sich mehr gekümmert als sogenannte Freizeitväter, während seine damalige Frau in ihrem Beruf aufgegangen ist. Nach intensiven Berufsjahren ist er, wie er sagt, „den Anweisungen des Arztes gefolgt“, hat sich selbstständig gemacht und immer mehr auf Kinder und Haushalt geschaut. „Das ging so weit, dass meine damalige Lebensgefährtin zum Sprechtag gegangen ist und die Lehrer sie nicht erkannt haben. Das war immer mein Part.“

Sein Umfeld reagiere meist mit viel Bewunderung. „Frauen sagen oft zu ihren Männern: ,Nimm dir ein Beispiel.‘ Und Männer sind ungläubig oder bewundernd.“ Auch seine Schwiegereltern sind von seinem Einsatz begeistert. „Sie sind stolz auf ihre Tochter und froh, dass ich sie unterstütze.“ Umgekehrt sehe er bei seinen Töchtern, dass sie sich Freunde suchen, die ihrem Vaterbild entsprechen. „Das Rollenbild wird vom Elternhaus geprägt, und das finde ich nicht schlecht.“

Aber Stroh warnt Männer – genauso wie Frauen – davor, sich nicht nur um das Familienleben zu kümmern. „Man sollte seine privaten und beruflichen Kontakte nicht ganz auf null stellen. Irgendwann werden die Kinder selbstständig, man braucht spätestens dann wieder ein Netzwerk.“ Man solle sich fragen, welche Aufgabe man habe, wenn die Kinder in zehn, 15 oder 18 Jahren wieder aus dem Haus sind. Ein Familienmodell wie jenes, das er lebt, brauche „immer zwei Menschen, die gleich denken und die Wertigkeiten ähnlich ansetzen.“ Er habe früher sehr gut verdient und sich einen finanziellen Polster geschaffen, seine Frau steuert heute den Großteil des Familieneinkommens bei. „Wenn einer nichts oder wenig verdient, dann nagt das auf Dauer auch am Selbstbewusstsein.“

Finanzielle Sicherheit ist ein, wenn nicht sogar der wichtigste Faktor bei der Entscheidung von Männern, sich stärker am Familienleben zu beteiligen. „Stark reduzieren häufig Männer, die vorher viel gearbeitet und verdient haben oder immer noch gut verdienen und es sich einfach leisten können“, sagt Helene Schiffbänker. Vollzeithausmänner lassen sich grob in drei Gruppen einteilen: erstens in jene, die einem unregelmäßigen Beruf nachgehen und den gern für die Kinderbetreuung aufgeben. Zweitens gibt es die, die finanziell sehr gut gestellt sind oder dank des Berufs der Frau nicht zusätzlich arbeiten gehen müssen. Zur dritten Gruppe gehören jene Männer, die eine zweite Familie gründen und sich nun mehr einbringen wollen als bei der ersten oder, aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters, beruflich zurückstecken wollen und können.


„Die Mama bleibt die Mama.“ Kurt Stroh und Vater Mike haben ihre Entscheidung, sich komplett um die Kinder zu kümmern, bisher nicht bereut. Wobei Mike seit einigen Monaten auch wieder kleine Auftragsarbeiten übernimmt, die er von zu Hause aus erledigt. Nicht weil ihm fad sei, betont er. Auch mit größeren Kindern sei das Hausmann-Dasein immer noch genug Arbeit. „Viele sehen das gar nicht. Auch meine Frau sieht das nicht immer“, sagt er und lacht. Er fragt sich, wie andere Familien das Alltagsleben meistern, wenn beide Partner viel arbeiten. Später möchte Mike noch als Selbstständiger tätig sein, seine Karriere hat er noch nicht aufgegeben. Das Verhältnis zu seinen Töchtern sei vermutlich enger als das von voll berufstätigen Männern zu ihren Kindern, weil er sie mehr sehe. „Aber die Mama bleibt die Mama.“

Und wie leben Österreichs Familien heute? Beim Großteil der unter einem Dach lebenden Familien, nämlich 43,7 Prozent, arbeitet der Vater Vollzeit, die Mutter Teilzeit (umgekehrt sind es 1,5 Prozent). Die zweitgrößte Gruppe sind immer noch jene Familien, in denen nur der Mann arbeitet (18,2), wobei die Zahl abnimmt, je älter die Kinder sind. Zum Vergleich: In nur 4,5 Prozent der Familien arbeitet nur die Frau; und davon nur 1,7 Prozent Vollzeit.


Viel zu Hause sein ist nicht alles. Stella und Cleo leben also in einer sehr besonderen Familienkonstellation. Doch die Entscheidung ihrer Eltern, die klassischen Geschlechterrollen exakt umzukehren, haben sie bislang nie kritisch hinterfragt. Das liegt vielleicht auch an dem akademisch und freiberuflich geprägten Umfeld im Bezirk Neubau, in dem sie sich bewegen. Väter, die einige Zeit in Karenz gehen und sich neben ihrem Beruf verstärkt um die Kinder kümmern, sind hier nicht mehr so selten. Aber Papa Mike ist und bleibt eine Ausnahme. „Eigentlich sind in unserem Freundes- und Bekanntenkreis meistens beide Eltern berufstätig“, sagt er. Ihm ist bewusst, dass das auch eine Frage des Geldes ist. „Bei uns geht sich das mit dem Gehalt meiner Frau aus. Wir leben nicht auf großem Fuß, aber es funktioniert.“

Kurt Stroh und Mike wollen Eltern, die beide arbeiten, auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen machen. Auch Psychologen geben zu bedenken, dass nicht die absolute Dauer, die Väter und Mütter mit ihren Kindern verbringen, wichtig ist, sondern wie die Zeit mit ihnen verbracht wird. So sagte der Psychologe Werner Wicki von der Pädagogischen Hochschule Luzern unlängst der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Es bringt nichts, wenn Väter viel zu Hause sind, aber dann nichts mit den Kindern unternehmen.“ Ob viel oder wenig Zeit, das Wichtigste sei, dass Eltern ihren Kindern mit emotionaler Wärme und Feinfühligkeit begegnen. Egal, ob als Mama oder Papa.

Quelle: diepresse.com

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