Peeling-Kur im Warmen

  20 Juni 2016    Gelesen: 675
Peeling-Kur im Warmen
Kaum ein Säugetier ist weiter auf diesem Planeten verbreitet als der Orca. Forscher haben nun sein Erfolgsrezept entschlüsselt.
Orcas haben die Welt erobert. Vor der Küste Norwegens jagen sie nach Heringen, im Südpolarmeer nach Pinguinen, vor Argentinien fressen sie Robben, vor Neuseeland greifen sie andere Wale an, und vor Alaska schleudern sie Seelöwen durch die Luft. Kaum einem anderen Säugetier ist es gelungen, sich so weit auf dem Planeten zu verbreiten – Ausnahme: Homo sapiens. Das ist nur eine von einer Reihe verblüffender Parallelen zwischen Schwertwal und Mensch, und die sind längst nicht so weit hergeholt, wie es im ersten Moment erscheint. Das zeigt eine gerade veröffentlichte Studie aus der Fachzeitschrift Nature Communications.

Wissenschaftler um die Evolutionsbiologen Andrew Foote von der Universität Bern und Jochen Wolf von der Universität Uppsala, Schweden, haben die Entstehungsgeschichte der Orcas rekonstruiert. Dazu analysierten sie das Erbgut ausgewählter Tiere. Das Besondere ihrer Arbeit: Sie untersuchten nicht nur kleine Abschnitte, sondern das gesamte Erbgut. Dass auch kleinere Forschergruppen solche Analysen ganzer Genome durchführen, ist erst seit fünf Jahren möglich. Vorher war es schlicht zu aufwendig und zu teuer. Die Studie ist somit eine der ersten, die derart umfassend und detailliert eine wilde Tierart untersucht hat.

Seit Jahrzehnten tobt unter Schwertwal-Wissenschaftlern ein Streit darüber, ob es überhaupt sinnvoll ist, von den Orcas zu sprechen. Gibt es in Wirklichkeit nicht mehrere Arten oder zumindest Subspezies? Sicher ist, dass zwischen den einzelnen Populationen gravierende Unterschiede bestehen. Forscher schreiben von "Ökotypen", eine Wortwahl, die das "Art oder nicht Art?"-Problem elegant umschifft. Diese Ökotypen sind so unterschiedlich, dass sie durch dieselben Gewässer schwimmen können – und sich doch einander meiden.

Im Nordpazifik etwa haben Wissenschaftler bisher zwei Gruppen beschrieben, die Fischfresser und die Meeressäugerfresser. Äußerlich sind sie kaum zu unterscheiden, aber sie sprechen verschiedene Dialekte – und sie wollen sich nicht miteinander paaren. Dabei trennten sich die verschiedenen Linien erst vor maximal 250.000 Jahren. Nach Maßstäben der Evolution ist das nur ein kurzer Hicks. Es ist auch die Zeit, zu der Homo sapiens seinen Siegeszug antrat.

Die Studienautoren wollten nun wissen, ob und wie sich die Tiere genetisch unterscheiden, und untersuchten dazu das Genom von 50 Walen verschiedener Populationen. Sie wurden fündig. Zwischen Fisch- und Säugetierfressern etwa gibt es Unterschiede an jenen Stellen, die einen Einfluss auf den Stoffwechsel haben, bei anderen Populationen in den Bereichen, die für die Hauterneuerung oder die Bildung von Fettgewebe zuständig sind.

Die Daten der Wissenschaftler zeigen zudem, dass die Gründungspopulationen der einzelnen Ökotypen oft extrem klein waren. "Ein paar Individuen verhielten sich etwas anders als der Rest der Gruppe", erklärt der Biologe Andrew Foote. "Ihr neu erworbenes Wissen gaben sie dann weiter, und das konnte schon bald dazu führen, dass sich ein neuer Ökotyp etablierte." Bis sich das aber im Genom zeige, dauere es länger – Verhalten ändert sich schnell, das Erbgut langsam.


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