Seitz sang im Chor, spielte im Schulorchester die Trommel und engagierte sich außerhalb des Unterrichts aktiv in ihrer Kirchengemeinde und deren Band. Mit ihr tingelte sie jetzt nach ihrem Schulabgang durch mehrere Bundesstaaten und trat in Kirchen und Altersheimen auf. Für den Herbst hatte sich Seitz an der Universität von Denison in Ohio eingeschrieben. Sie wollte Umweltwissenschaften studieren – die Welt retten, wie sie einmal sagte.
Doch dazu wird es nicht mehr kommen. Am 19. Juni ist Lauren Seitz gestorben, an einer tödlich verlaufenden Hirnhautentzündung, wie es zunächst hieß. Mittlerweile wissen die US-amerikanischen Gesundheitsbehörden nach einer Autopsie auch, was die tödliche Infektion ausgelöst hatte. Ein Parasit, eine hirnfressende Amöbe mit dem Namen "Naegleria fowleri", hatte die junge Frau befallen. Infiziert hatte sie sich dabei bei einem Ausflug in einem Naturwasserpark bei Charlotte in North Carolina.
Von der Nase direkt ins Gehirn gelangt
Seitz gehörte zu einer Gruppe von insgesamt 32 jungen Leuten aus ihrer Kirchengemeinde, die zu einer Raftingtour unterwegs waren. Es war der einzige freie Tag auf der insgesamt einwöchigen Konzertreise durch Ohio, West Virginia und North Carolina.
Bei dem beliebten Ausflug in das U.S. National Whitewater Center bei Charlotte, den jeden Sommer Tausende von Besucher machen, war das Schlauchboot von Seitz gekentert und der Teenager ins Wasser gefallen. Die Gesundheitsbehörden gehen davon aus, dass der Parasit so über die Nasenschleimhaut in den Körper des Teenagers gelangt sein muss. Der Einzeller soll so bis zum Gehirn vorgedrungen sein.
"Naegleria fowleri greift das Gehirn an und zersetzt unbehandelt in nur wenigen Tagen die Hirnmasse und das umliegenden Gewebe", sagte Dr. Marcus Plescia von der Gesundheitsbehörde in Charlotte über den tragischen Fall. Lauren Seitz war innerhalb von drei Tagen nach den ersten Symptomen einer schweren Hirnhauterkrankung gestorben.
Patienten, die sich mit Naegleria fowleri infiziert haben, leiden unter hohem Fieber, klagen über Übelkeit, häufigem Erbrechen, Kopfschmerzen und einer für eine Meningitis typischen Nackensteifheit. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium fallen die Betroffenen ins Koma und sterben.
Warum die beliebte Schülerin die Einzige aus ihrer Gruppe war, die sich infiziert hatte, ist unklar. Auch andere Mitglieder der Kirchengemeinde waren bei dem Ausflug ins Wasser gefallen.
Lauren Seitz ereilte das, was viele als Schicksal bezeichnen würden. Sie gehört zu einer sehr geringen Zahl von Menschen, die sich in den vergangenen Jahren mit der Amöbe Naegleria fowleri infiziert hatten. Das amerikanische Seucheninstitut, Center for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta, das auch diesen Fall untersucht hat, spricht von nur 163 Fällen, die seit 1962 in den USA diesbezüglich registriert wurden. Dem gegenüber stehen Millionen von Menschen, die jedes Jahr zum Baden in Seen und Flüssen gehen und sich nicht anstecken.
Das Risiko zu ertrinken ist deutlich höher
Wenn ein Mensch aber eine Hirnhautentzündung bekommt, die durch Naegleria fowleri ausgelöst wird, so ist sein Sterberisiko sehr hoch. Von 100 Patienten sterben 97. Im Jahr 2013 sorgte ein Mädchen in Arkansas für Schlagzeilen, die die Infektion als eine der sehr wenigen Menschen überlebt hatte.
Den letzten tödlichen Fall gab es im vergangenen Jahr, als die neun Jahre alte Hally Yust in Kansas an dem Parasiten gestorben war. Das Mädchen war auf einem See Wasserski gefahren. Ein anderer tödlicher Fall aus Minnesota entpuppte sich später als normale Meningitis. Insgesamt sind in den vergangenen zehn Jahren 37 Personen gestorben. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum waren mehr als 34.000 Menschen in den USA beim Baden ertrunken.
Naegleria fowleri, die die eitrige Hirnhautentzündung PAME (Primäre Amöben-Meningoenzephalitis) hervorruft, kommt vor allem in den Sommermonaten in Australien und in den USA vor. Der Parasit bevorzugt dabei Süßwasserseen und Flüsse.
Wer die Amöbe trinkt, infiziert sich laut CDC nicht. Die Verdauungssäfte des Magendarmtraktes töten den Erreger. Gelangt er allerdings über die Nase in den Körper und wird nicht rechtzeitig behandelt, endet der Befall in den allermeisten Fällen tödlich. Die Infektion ist dabei nicht ansteckend und kann nicht wie eine Grippe von Mensch zu Mensch übertragen werden.
Es wird zu Nasenklammern geraten
Trotz der sehr geringen Gefahr einer Infektion raten mittlerweile einige Betreiber von Badeseen ihren Besuchern die Benutzung von Nasenklammern, um ein Eindringen der Amöbe über die Nasenschleimhäute zu verhindern. Auch im U.S. National Whitewater Center, wo sich Seitz infiziert hatte, haben die Betreiber zu dieser Schutzmaßnahme aufgerufen.
Der Wasserpark, der durch eine eigene Reinigungsanlage gefiltert und mit Chlor zusätzlich desinfiziert wird, blieb trotz der Tragödie weiterhin geöffnet. "Das Wasser ist so sicher wie in jedem anderen Badesee auch", versichert Dr. Plescia von der Gesundheitsbehörde. "Wir können nicht jeden See, jeden Fluss schließen. Viele Dinge im Wasser können einen krank machen. Doch solche tragischen Infektionen kommen am Ende doch sehr selten vor."
Lauren Seitz wurde am vergangenen Wochenende in ihrer 37.000 Einwohner zählenden Heimatstadt Westerville, zwei Autostunden nordöstlich von Cincinnati, beerdigt. "Lauren war eine der begabtesten Schülerinnen, die ich je unterrichtet habe", sagte John Laswell, der Direktor ihrer High School, während der Trauerfeier. "Sie war ein sehr bescheidener Teenager und sorgte sich immer auch um andere Schüler. Für die gesamte Gemeinde ist das enormer Verlust."
Auch Pastor Jim Wilson, der Leiter der tragisch endenden Reise, zeigte sich sehr betroffen über den Tod. "Lauren Seitz war ein ganz besonderer Mensch. Wir werden sie sehr vermissen."
Quelle : welt.de
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