Nicht die Nato-Soldaten bereiten Putin Sorgen

  10 Juli 2016    Gelesen: 671
Nicht die Nato-Soldaten bereiten Putin Sorgen
Erstmals verlegt die Nato in großem Stil Truppen zur Abschreckung Russlands nach Osteuropa. Moskaus Reaktion fiel zunächst mild aus. Etwas ganz anderes treibt Kremlchef Wladimir Putin um.

Die schärfste Reaktion auf den Nato-Gipfel in Warschau kam von Michail Gorbatschow, ausgerechnet dem Mann, mit dem der Kalte Krieg beendet war. "Die Nato hat angefangen, sich auf den Übergang vom Kalten Krieg zu einem heißen Krieg vorzubereiten", sagte Gorbatschow.

"Sie reden nur über Verteidigung und bereiten sich faktisch auf eine Offensive vor." Der letzte Staatschef der Sowjetunion, der die Krim-Annexion durch Russland unterstützte und den Westen für seine Sanktionen kritisierte, warf nun der Nato vor, mit den Beschlüssen von Warschau, Russland zu einer harten Antwort zu provozieren.

Wird die russische Antwort auf die Stärkung der östlichen Flanke der Nato wirklich hart ausfallen? Für Russland sind die Beschlüsse von Warschau nicht überraschend. Und die Signale des Kremls vor dem Gipfel und unmittelbar danach deuten eher auf eine milde Reaktion hin. Zumindest auf rhetorischer Ebene. So hat der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow den Gipfel zwar wie erwartet kritisiert, doch viel zurückhaltender als Gorbatschow.

Es sei "absurd", über die Bedrohung durch Russland zu sprechen, sagte er. Allerdings rechne er damit, dass "der gesunde Menschenverstand die Oberhand gewinnt". Russland sei für einen Dialog offen und an der Zusammenarbeit interessiert, wenn seine Interessen berücksichtigt werden.

Die nächste Gelegenheit für das Gespräch bietet sich bereits am kommenden Mittwoch bei der Sitzung des Nato-Russland-Rates. Dass sie nächste Woche stattfindet, wird als ein positives Signal gesehen. "Wenn sich Russland für eine sehr scharfe Reaktion entschieden hätte, hätte es die Sitzung des Nato-Russland-Rates verschoben", sagte Andrej Kortunow, der Generaldirektor des russischen Rates für auswärtige Gelegenheiten, am Rande des Gipfels im Warschau.

Russland eine Bedrohung. Abschreckung die Antwort

Von einer Entspannung ist dennoch nicht die Rede. Die Atmosphäre bei der Sitzung am Mittwoch wird sicherlich nicht freundschaftlich sein.

Doch Russland und die NATO können die Gelegenheit nutzen, um über konkrete Maßnahmen zu sprechen, die militärische Konfrontation durch Zufall vorbeugen würden. Kurz vor dem Nato-Gipfel in Warschau war der russische Präsident Wladimir Putin zu Besuch in Finnland.
Dort sagte er, er unterstütze den finnischen Vorschlag, dass auch Militärflugzeuge ihre Transponder über dem Ostseeraum einschalten sollen.

In Warschau einigten sich die Nato-Mitglieder darauf, dass Russland ein Risiko für das Bündnis darstellt und eine Abschreckung – wenn auch parallel zu Gesprächen – die richtige Antwort darauf ist. "Ich glaube, solche Einheit ist keine angenehme Nachricht für Russland, sie müssen sie jetzt berücksichtigen", sagte die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite in Warschau.

Die politische Bedeutung wird in Moskau sehr klar verstanden.

Doch von den konkreten Abschreckungsmaßnahme - den vier Bataillonen, die in Polen und dem Baltikum stationiert werden - zeigte sich Moskau bis jetzt nicht sonderlich beeindruckt. "Aus militärischer Sicht haben sie keine Bedeutung", sagte Sergej Michajlow aus dem russischen regierungsnahen Thinktank RISI gegenüber der Zeitung "Izwestija".
Die Bataillone werden "nichts in unseren Beziehungen ändern", schrieb der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses des russischen Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, am Freitag auf seiner Facebook-Seite.

Tatsächlich hatte Russland bereits von dem Gipfel in Warschau angekündigt, den westlichen Militärbezirk mit drei zusätzlichen Divisionen zu verstärken. In der Region bleibt Russland mit seiner Truppenstärke der Nato überlegen.

Es könnte natürlich als Antwort noch mehr Manöver abhalten und militärische Präsenz in der Exklave von Kaliningrad weiter stärken. "Wenn sie weiter aufrüsten wollen, können sie das tun", sagte dazu Litauens Präsidenten Grybauskaite. "Wenn sie nicht wissen, wohin mit dem Geld - willkommen."

Nicht die Truppenstärke der Nato macht Russland Sorgen

Doch viel mehr als die Warschauer Beschlüsse ist Russland durch etwas Anderes alarmiert. Seit Jahren kritisiert Moskau den Raketenschild, der in Europa aufgebaut wird. Auch dem Nato-Gipfel wurde der Schild für vorläufig einsatzbereit erklärt.

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"Das dürfte Russland viel mehr Sorgen bereiten", sagte dazu Andrej Kortunow. "Denn der Raketenschild wird als eine potenzielle Bedrohung für Russlands Zweitschlagkapazität gesehen." In der Vergangenheit hatte Russland erklärt, dass der Raketenschild gegen den Vertrag über nukleare Mittelstreckensysteme verstößt.

Moskau dürfte außerdem aufmerksam verfolgt haben, wie sich Beziehungen zwischen der Nato und der Ukraine entwickeln. Die Annäherung der Ukraine und Georgien an die Nato und eine mögliche Beitrittsperspektive sind für Moskau eine Horrorvorstellung.

In dieser Hinsicht war der Gipfel in Warschau nicht bahnbrechend. Zwar wurde überall betont, dass die Tür für neue Mitglieder offen bleibt. Doch auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko machte der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar: "Die Fragen nach der Mitgliedschaft steht momentan nicht auf der Agenda."

Quelle: n24.de

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