Ein junger Mann mit dickem Haarknoten, ebenmäßigen Gesichtszügen und dunkelblauem Pareo um die Hüften öffnet mit scharfem Messer Kokosnüsse. Zwischendurch greift er zur Ukulele und stimmt Südseegesänge an. Nicht minder schöne junge Frauen in Blumenkleidern und mit Blütenkränzen auf dem Kopf verkaufen schwarze Perlen. Die kleinen Häuser mit Veranden, deren Geländer große Muscheln schmücken, sind verlassen. Alle Insulaner sind zur Begrüßung des Schiffes am Hafen versammelt. Es ist eine unwirkliche Südseeszenerie für die Passagiere der "Austral". Sie sind begeistert.
Unterwegs auf der Luxusyacht
Einige Tage zuvor waren sie auf Tahiti gelandet. In strömendem Regen! Selbst als sie im Hafen von Papeete die "Austral" betraten, präsentierte sich der Himmel noch stahlgrau. Nur das Schiff selbst glitzerte und strahlte. Kein Wunder, die "Austral" ist eines fünf luxuriösen Yachten der französischen Kreuzfahrtgesellschaft Ponant. Ein maritimes Juwel mit lediglich 132 Gästekabinen, die aber ihrer großzügigen Maße und der feudalen Ausstattung wegen State Rooms heißen.
Zur Ausstattung gehören auch zwei Restaurants, zwei Bars, eine Boutique, ein Fitnessraum und ein Spa – zusammen bilden sie die kleine, luxuriöse Basis, von der aus die Passagiere während ihrer dreizehntägigen Reise durch Französisch-Polynesien, Pitcairn bis zur Osterinsel zu Landgängen aufbrechen – so wie jetzt, im Fakarava-Atoll.
Später, wieder zurück an Bord, feiern die Passagiere den ersten Landgang, den Erwerb ersten Perlenschmucks und das erste Bad in der Südsee mit Champagner. Unterdessen steuert Kapitän Jean-Philippe Lemaire die "Austral" aus der über 1000 Kilometer großen Lagune Fakaravas ins offene Meer hinaus. Er nimmt Kurs auf die Gambierinseln. 1852 Kilometer sind es bis nach Mangareva; erst am übernächsten Tag wird die "Austral" vor Rikitea ankern, dem Hauptort der Insel.
Die Zeit auf dem Weg dorthin nutzen die Passagiere zur eingehenden Inspektion des Schiffes. Kapitän Lemaire, ein Bretone, in dessen Adern eigenen Angaben zufolge Salzwasser fließt, führt eine offene Brücke. Solange das Wetter keine Kapriolen schlägt und keine komplizierten Ein- und Ausfahrten die Anwesenheit eines Lotsen erforderlich machen, dürfen die Passagiere ihm jederzeit bei der Arbeit über die Schulter schauen. Diese Nähe zur Crew (142 Menschen aus zehn Nationen) macht das Reisen auf einem kleinen Schiff besonders reizvoll.
Und Lemaire lässt den Kontakt nicht abreißen. Mehrmals am Tag meldet er sich von der Brücke und bringt seine Passagiere auf den neuesten Stand – erst auf Französisch, dann auf Englisch. Eine große Mehrheit der etwa 200 Gäste ist frankophon. Leider haben sie die Angewohnheit, nach dem letzten Wort, das in ihrer Sprache aus den Lautsprechern kommt, in lebhaftes Geplauder zu verfallen, womit sie die aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Australien und Amerika stammenden Kreuzfahrer, die das Englische bevorzugen, zunehmend verärgern.
Zu Gast auf Mangareva
Nun steht der zweite Landgang auf Mangareva bevor. Auf der Insel mit zwei Bergen, 900 Einwohnern, zwei Schulen und einer Kathedrale, wird die "Austral" bereits sehnsüchtig erwartet. Mangareva liegt 1600 Kilometer von Tahiti entfernt und ist die größte Insel des Archipels der Gambierinseln im östlichen Südpazifik. Sie gehört politisch zu Französisch-Polynesien und ist nur über eine wöchentliche Flugverbindung nach Tahiti mit der Außenwelt verbunden. Die drei, vier Kreuzfahrtschiffe, die im Jahr vor der Insel anlegen, werden deshalb sehnsüchtig erwartet. Die Bewohner begrüßen die Landgänger mit Blumenkränzen und tropischen Früchten, Tanz und Gesang. Sie öffnen ihre Geschäfte und erzählen Geschichten – Sandrine Tepoe Dorchain macht das sogar auf Deutsch.
Die 30jährige Lehrerin ist Tochter eines Franzosen und einer Polynesierin aus Rikitea. In Neu-Kaledonien geboren, wuchs sie in Frankreich auf und studierte in Kiel Germanistik. Seit eineinhalb Jahren lebt und lehrt sie in der Heimat ihrer Mutter. Sie erzählt vom Projekt der Gruppe "193", die ein Buch über die 193 Nukleartests vorbereitet, die Frankreich von den sechziger bis in die neunziger Jahre im 400 Kilometer entfernten Mururoa-Atoll durchführte. Der radioaktive Niederschlag (Fallout) ging nicht nur auf die Testgebiete nieder, sondern verteilte sich weit über den Pazifik und erreichte auch Mangareva. Was nicht das einzige Leid der Insulaner war – Jahrzente zuvor hatte sie der eifernde Missionar Père Laval zur Zwangsarbeit für die Kirche verpflichtet.
Bei einem Inselrundgang steigen die Kreuzfahrer noch tiefer in die Geschichte ein; sie besuchen den Inselfriedhof, wo der letzte König Mangarevas in einem Mausoleum seine letzte Ruhe gefunden hat, wandern zu den Ruinen eines Klosters und zu den Überresten eines steinernen Beckens, das einstmals der Prinzessin von Mangareva als Bad diente.
An Bord die üblichen Verdächtigen
Am Abend – einige der deutschsprachigen Passagiere haben sich zum Dinner in der Observatory Lounge auf Deck 6 eingefunden – erhellt der Vollmond den Ozean. Die Wind weht lau. Raimanu, der Barmann aus Tahiti, weiß längst, wer ausschließlich Champagner trinkt und wer sich lieber einen Whisky genehmigt. Am Tresen haben die üblichen Verdächtigen Platz genommen: Der hemdsärmelige deutsche Botschaftsangestellte aus Uruguay; der zurückhaltende Wirtschaftsprüfer im Ruhestand aus Frankfurt und seine Frau; der gesprächige Niederländer, ein ehemaliger Flottenkommandant, und der belesene Schweizer.
Sie alle sind Vielgereiste, die sich gern über Schiffe, Strecken und das Leben an Bord austauschen – und lästern. Etwa über die tiefgebräunte Französin, die morgens im allzu knappen Bikini in den Pool steigt, während unweit entfernt davon andere Gäste noch frühstücken. Die Amerikaner seien geradezu erschüttert über das Schauspiel.
Für Belustigung sorgt auch die französische Anthropologin, die ihre Vorträge an Bord synchronisieren lässt, da sie des Englischen nicht mächtig ist. Ein Gefummel sei das mit dem Knopf im Ohr, und ständig versuche sie, ihre französischen Bücher zu verkaufen...Bevor der nächste Mitreisende durchgehechelt wird, gießt Raimanu schnell die Gläser voll – auf diese Weise gehen täglich achtzig Flaschen Champagner weg wie nichts.
Kapitän Lemaire kennt seine Aufgabe als Chefdiplomat an Bord und lädt sprachlich oder kulturell isolierte Minderheiten gelegentlich zum privaten Cocktail auf die Brücke oder in sein Büro. Wenn der französische Küchenchef alles hinzuwerfen droht, weil amerikanische Gäste Cola zur Foie gras bestellen, oder deutsche Passagiere sich beschweren, weil sie sich durch das französisch geprägte Unterhaltungsprogramm übergangen fühlen, ist viel Fingerspitzengefühl nötig, um die Gemüter wieder zu beruhigen. Gut, dass sich schon bald der nächste Landgang ankündigt, auf Pitcairn. Es ist die Insel der berühmten Meuterer von der "Bounty", die isoliert im Pazifischen Ozean liegt.
Die legendäre Insel
Nicht nur deshalb wird sie selten von Kreuzfahrtschiffen angefahren. Die See rund um die Insel ist oft so stürmisch, dass für ein Anlanden keine Garantie besteht. Und auch heute wogt von allen Seiten die Dünung auf Pitcairn zu, vor der noch immer die Trümmer der "Bounty" im Wasser liegen. Nur bei etwa dreißig Prozent lägen die Chancen, an Land zu gehen, wird in der Observatory Lounge kolportiert. Der Schiffsarzt soll es ausgeplaudert haben.
Wie ein unhaltbares Versprechen liegt der Felsen im Meer; von allen Seiten sieht er unzugänglich aus. Umso größer ist der Wunsch der Kreuzfahrer, die legendäre Insel zu besuchen, "Mit Zodiacs müsste das eigentlich gehen", meint der Botschaftsangestellte aus Montevideo, als er von der Brücke aus die Brandung prüft. "Wäre schon schön. Dann wäre ich einer der wenigen tausend Menschen, die jemals auf Pitcairn waren." Und Lemaire macht es möglich. Mit Vollgas reiten die Zodiacs auf einer Welle in die schützende, winzige Mole.
Bleibt noch der Rückweg. Damit er auch gelingt, hat der Kapitän, wie er sagt, mehrere Optionen. Kein Risiko eingehen, aber versuchen, was geht – das gilt hier genauso wie in der Antarktis. Die Passagiere der "Austral" sind allerdings kaum beunruhigt, einige würden ohnehin gern länger auf Pitcairn bleiben. 45 Bewohner hat das Eiland, die fast alle Adams, Young oder Christian heißen, wie ihre meuternden Vorfahren.
Abends ist die Stimmung ausgelassen. Mit Briefmarken, Holzschnitzereien und Honig aus Pitcairn bewehrt, sind alle wohlbehalten an Bord zurückgekehrt. Der Schiffsarzt nimmt in der Bar auf Deck drei am weißen Flügel Platz und begleitet die kubanische Sängerin, nachdem er ein paar Worte auf Französisch gesagt hat, was hier und da mit Augenrollen quittiert wird.
240 Flaschen Champagner und viele Sonnenstuhlstunden später kündet das Scheppern des Ankerns im ersten Morgenlicht von der Ankunft der "Austral" vor Hanga Roa, dem Hafen der Osterinsel, die in der Sprache der Einheimischen Rapa Nui heißt. Ihr Anblick beschleunigt den Herzschlag noch vor dem ersten Kaffee. Zwei Tage lang werden die Passagiere Vulkankrater, kahle Hänge und wilde Pferde sehen. Sie werden Anakena, den womöglich schönsten aller Südseestrände, besuchen und natürlich die Moai, die steinernen Zeugen des mysteriösen Ahnenkults Rapa Nuis.
Erst danach wird Kapitän Lemaire die "Austral" nach Ushuaia steuern, von wo sie zu einer Reise in die Antarktis aufbricht. Wer dorthin mitreist, kann an Bord bleiben. Und es gibt kaum jemanden, der sie nicht darum beneidet.
Tipps und Informationen
Anreise: Beispielsweise mit Air France (www.airfrance.de) und mit Air Tahiti Nui (www.airtahitinui.com) via Paris und Los Angeles oder via Tokio nach Faa`a (Tahiti), alternativ mit Air New Zealand (www.airnewzealand.com) via London und Auckland nach Tahiti. Bei einer Anreise via Los Angeles muss zuvor per ESTA die USA-Einreise beantragt werden.
Südsee-Kreuzfahrten: Die "Austral" kreuzt 2016 zwar nicht mehr in der Südsee, dafür aber das baugleiche Schwesternschiff "Le Soléal". Die 14-tägige Reise startet am 6. Oktober auf Tahiti und führt via Fakarava, den Gambierinseln und Pitcairn bis zur Osterinsel. Die Kreuzfahrt kostet mit Vollpension und Landausflügen, aber ohne Flüge, ab 4620 Euro p.P. in der Doppelkabine mit Balkon. Weitere 900 Euro p.P. werden für ein Arrangement berechnet, das den Flug von der Osterinsel nach Santiago de Chile, Hotelübernachtung, Stadtrundfahrt und Transfers vom und zum Flughafen umfasst. Weitere Infos im Hamburger Büro der Reederei Ponant, Tel.
Quelle : welt.de
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