In Amerika ist eine regelrechte Lobby fürs Programmieren entstanden. Apple wollte beim Streit mit dem FBI um die Entschlüsselung des iPhones eines der Attentäter von San Bernardino seine Codes als Ausdruck der Meinungsfreiheit verstanden wissen. Und mit code.org gibt es eine eigene, von den Internetkonzernen finanzierte Non-Profit-Organisation, die mit IT-Stars wie Mark Zuckerberg, Bill Gates und Jack Dorsey fürs Programmieren wirbt.
Zuckerberg, der oberste Bildungsbeauftragte der Nation, sprach von digitalen Erweckungserlebnissen, als er einem Nachbarskind das Programmieren beibrachte. Das klang rührend. Der ehemalige Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, sagte, Programmieren sei so wichtig wie Fremdsprachen und Mathematik. Unter dem Namen „Coding for Kindergarden“ gibt mittlerweile sogar eine eigene App, die schon die Kleinsten an die Informatik heranführen möchte. Programmieren ist das neue Mandarin, schon sieht man vor dem geistigen Auge überambitionierte „Tiger-Moms“ herumlaufen, die ihren Sprösslingen das kleine Einmaleins von Java bis C+ einbimsen.
Codes kontrollieren die Welt
Mittlerweile hat die Diskussion – relativ ungefiltert – die hiesige Debattenlandschaft erreicht. Die SPD fordert, Informatik als Pflichtfach an Schulen einzuführen: Kinder und Jugendliche sollten früh „die Logik von Algorithmen“ lernen. Und auch Telekom-Chef Timotheus Höttges forderte Programmieren an Schulen. Programmiersprachen seien „mindestens genauso wichtig wie Multiplizieren, Lesen und Fremdsprachen“. An britischen Schulen lernen Kinder bereits, wie man mit Quellcodes umgeht, und in der deutschen Bildungspolitik geht der Blick seit Pisa ins Ausland, wenn es um neue Bildungsstandards geht.
Der Computerwissenschaftler John McCarthy, der die Programmiersprache Lisp erfand und den Begriff der „künstlichen Intelligenz“ prägte, sagte einst: „Jeder muss programmieren können. Es ist die Art und Weise, wie wir mit Sklaven sprechen.“ Doch der Begriff der Sklaverei hat noch immer ein gewisses Odium, und es stellt sich die Frage, ob Sprache als Mittel der Kommunikation trotz sozialer Hierarchien nicht ein gewisses Maß an Gleichheit voraussetzt.
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