Die Türkei muss jetzt viele Beziehungen pflegen

  26 Auqust 2016    Gelesen: 587
Die Türkei muss jetzt viele Beziehungen pflegen
Die Türkei ist endgültig auch mit Bodentruppen im syrischen Bürgerkrieg angekommen. Um ihre Offensive gegen den IS und die Kurden aufrechterhalten zu können, ist das Land auf ausgesprochen fragile diplomatische Bündnisse angewiesen.
Vor der Invasion in Syrien setzte die Türkei auf versöhnende Gesten in alle Richtungen. Der lange als Zivilistenmörder verbrämte Chef im Kreml, Wladimir Putin, war plötzlich wieder einen Staatsbesuch durch Präsident Recep Tayyip Erdogan wert. Die USA, die Ankara für den Putschversuch im Juli mitverantwortlich gemacht hat, war wieder ein "strategischer Partner". Und der lange unbedingt zu stürzende Diktator Baschar al Assad sollte, wenn es nach Ankara geht, während eines Friedenprozesses durchaus Staatschef Syriens bleiben dürfen.

Es ist nicht bekannt, ob die türkische Führung sich dieser Gesten als Vorbereitung für den Einmarsch an diesem Mittwoch bedient hat, um Widerstände zu brechen. Doch unabhängig von der Intention für den neuen diplomatischen Kurs, ist das Beziehungsfundament, auf dem Ankara jetzt Panzer und Spezialeinheiten nach Dscharablus schickt, extrem dünn.

Noch hält es: Damaskus sprach zwar von einem Schlag gegen die Souveränität des Landes. Doch dabei blieb es auch. Die türkischen Truppen können ungestört in Syrien operieren. Ähnlich reagierte Russland. In einer knappen Stellungnahme heißt es: "Moskau ist ernsthaft besorgt über die Entwicklungen an der syrisch-türkischen Grenze." Als Moskau und Ankara noch im Clinsch lagen, meldete sich Putin gern persönlich zu Wort und sagte Sätze wie: "Allah hat der Türkei die Vernunft geraubt."

Die USA wiederum nehmen die Invasion nicht nur hin, sie haben die Attacken auf Kämpfer des Islamischen Staates (IS) zu Beginn der Operation gar mit Kampfjets unterstützt – obwohl die Operation "Schutzschild Euphrat" auch den syrischen Kurden, wichtigen Partner der USA im Krieg gegen die Dschihadisten, gilt.
Alte Probleme sind nicht ausgeräumt

Ankara mutet Moskau, Washington und Damaskus aber gehörig viel zu. Vor allem, weil die Versöhnungsgesten nur halbherzig erfolgten. Anders wäre es kaum möglich gewesen, die mitunter radikalen Perspektivwechsel innenpolitisch zu erklären.

So ist etwa der Streit Ankaras mit Washington um die Auslieferung des islamischen Predigers Fethullah Gülen mitnichten beigelegt. Gleiches gilt für die Bewertung der syrischen Kurden. Washington forderte diese zwar auf, sich von der Westseite des Euphrats zurückzuziehen. Doch die USA werden wenig Verständnis dafür aufbringen, sollte die Türkei sie jetzt in Eile mit Waffen vertreiben.

Zu Assad hieß es zwar, dass er Interimspräsident sein könnte, selbst verhandeln wolle Ankara mit dem Despoten aber auf keinen Fall.

Zwischen Moskau und Ankara wiederum besteht ohnehin vor allem ein Zweckbündnis von zwei Staaten, die international um Anerkennung und Einflusssphären ringen. Wirklich nah kann Erdogan Putin gar nicht kommen, solange er die Vorteile, Mitglied in der Nato zu sein, nicht verspielen will.

Wie widersprüchlich die Annoncen Ankaras sind, wurde in den vergangenen Tagen dadurch deutlich, was Ankara gerade zugetraut wird. Ein Gerücht waberte durch diverse Medien. Angeblich, so hieß es, wolle die Türkei den Militärstützpunkt Incirlik auch russischen Jets für Angriffe auf den IS zur Verfügung stellen.

Er könne sich keinen Reim darauf machen, wie dieses Gerücht in die Welt gekommen sei, stellte der türkische Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus klar. Erstaunlich, dass das nötig war: Ein derartiger Schritt ist eigentlich undenkbar, zumal es sich bei Incirlik nicht nur um einen Nato-Stützpunkt handelt, sondern dort angeblich auch amerikanische Atomwaffen lagern.

Die syrischen Kurden höhnten bereits, dass auch die Türkei endgültig im syrischen "Sumpf" angekommen sei. Um die Offensive in Syrien fortsetzen zu können, ohne in diesem Sumpf zu versinken, muss Ankara immense Beziehungspflege betreiben. Das kann der Türkei dabei helfen, sich wieder ein wenig aus ihrer diplomatischen Isolation der vergangenen Jahre zu befreien. Angesichts der widersprüchlichen Interessen von Ankaras Partnern kann sich die Türkei dabei aber auch gewaltig verzetteln.

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